Neuigkeiten aus der Hauptstadt - Kosch-Kurier 85

| ◅ | Ein Tierkönig im Dachsbau? |
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Zu Boron gegangen | ▻ |
Neuigkeiten aus der Hauptstadt
Die schrecklichen Vorfälle in Gôrmel (siehe Seite 1 dieser Ausgabe) sind auch in Angbar nicht ohne Folgen geblieben, und so manches frohe Fest wurde davon überschattet.
Ein Machtwort der Mauergrevin
Die neue Mauergrevin Travine Eisenstrunk hat kurz nach ihrem Amtsantritt die Verteidigungsanlagen der Reichsstadt einer gründlichen Inspektion unterzogen – und ist zu demselben Ergebnis gekommen wie etliche Mauergreven vor ihr, einschließlich ihres (zu Boron gegangenen) Vaters: Die beliebten Stiegen, Leitern und Treppchen, mit denen die Heimelinger Hügelzwerge den Weg nach draußen verkürzen, müssen weg. „Es ist der größte Unsinn, eine Stadt mit mächtigen Bollwerken auszustatten und dann den Feind gewissermaßen über die Hintertür ins Haus zu lassen!“, grollte sie.
Dem widersprachen einige Ratskollegen aus Heimeling: Erstens würden die Leitern auf der Außenseite in der Regel des Nachts eingezogen, zweitens sei ja gerade kein Feind im Anmarsch, und drittens … Doch dieses dritte Argument (sofern vorhanden) wollte die Mauergrevin gar nicht hören. Wutschnaubend ordnete sie den Abbau der „unsinnigen Konstrukte“ binnen Wochenfrist an, und tatsächlich verschwanden auch einige Stiegen zum besagten Termin. Genau genommen: zwei.
Streit um Butterbrodts Erbe
Nach dem Tode des ledigen und kinderlosen Tradan Butterbrodt stellt sich die Frage: Wie geht es weiter mit seiner Manufaktur? In Anbetracht der Tatsache, dass der Verstorbene sich mit den allerfinstersten Mächten eingelassen hat, wurden vielfach Stimmen laut, die eine Konfiszierung seines Besitzes fordern; doch ob dieser nun an die Stadt oder die Praioskirche (und warum gerade an diese?) fallen soll – darüber scheiden sich die Geister.
Offenbar existiert auch ein Testament, in welchem der irregeleitete Butterbrodt sein Vermögen der Boronkirche vermacht hat. Aber auch hier steht die Frage im Raum: Ist dieser letzte Wille gültig und rechtens? Kann, soll und darf die Gemeinschaft des Raben ein solches (wie soll man sagen: besudeltes) Erbe überhaupt antreten?
Um die Verwirrung komplett zu machen, hat nun auch noch eine gewisse Alwine Gansbüttel Ansprüche geltend gemacht: Sie sei die – freilich uneheliche – Tochter des Toten, welche dieser vor etlichen Jahren bei einer früheren Kur in Gôrmel gezeugt habe … eine Geschichte, die man gerne als erfunden abtun würde, gäbe es da nicht einen Brief, der unbestreitbar Butterbrodts Unterschrift aufweist …
Man muss nicht das Rechtsseminar zum Greifen besucht haben, um einzusehen, dass der Fall zu den verzwickten gehört und kaum in ein paar Tagen zu entscheiden ist. Die Arbeiter der Manufaktur bangen indessen um ihren Broterwerb. Darum hat der Rat der Zünfte einen Treuhänder eingesetzt, der den Betrieb einstweilen weiterführen soll, bis die Entscheidung gefallen ist.
Zwei neue Zunftmeister
Nach dem tragischen Tod ihres langjährigen Zunftmeisters Anghalm Eisenstrunk sahen sich die Grob- und Hufschmiede genötigt, einen neuen Vorstand zu wählen. Nach langen, oft lautstarken Debatten einigte man sich schließlich auf den Grobschmied Enno Buchenscheid, welcher einst bei Meister Eisenstrunk in die Lehre gegangen ist.
Deutlich harmonischer ging es zu bei den Metzgern, die nach dem Tode Eberhalm Markwardts ebenfalls einen neuen Vertreter im Rat der Zünfte zu wählen hatten. Mit großer Mehrheit entschied man sich für den jungen Firutin Seligsaum, dessen Vater anno 1022 BF das Rezept für die bis heute beliebten „Fürstenwürste“ ersann, die der gute Herr Blasius zu besonderen Anlässen verteilen ließ.
Traviakirche ruft zu Spenden auf
Der Bettelgraben vor den Toren Angbars hat sich im Laufe der Zeit zu einem Quartier der Allerärmsten entwickelt. Bislang ist es den Dienern der Travia und Peraine gelungen, die ärgste Not zu lindern, indem sie Suppe, Decken und alte Kleidung verteilten und dabei halfen, einige Notunterkünfte zu errichten.
Mit diesem „Schandfleck im Schatten der Mauer“ soll nun aber endgültig Schluss sein – so verkündete es die neue Reichsvögtin. Damit stieß sie im Rat grundsätzlich auf Zustimmung; nur über das Wie ist man nach wie vor uneins.
Darum hat die Traviakirche einen Vorstoß gewagt: Hochwürden Herdane Haubinger rief zu einer besonderen Spende aller Gläubigen auf; mit dem Geld solle ein Gut am Angbarer See erworben werden, auf welchem das Bettelvolk (unter Aufsicht einiger Priester und Laien) seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann.
Während manche diesen göttergefälligen Vorschlag begrüßten, erntete er bei anderen nur Spott, traut man den Bettlern doch nicht zu, von ihrer Hände Arbeit zu leben. Dazu brauche es dreierlei, meinte Baduar Dreikorn, der Vorstand der Maurer und Steinmetze: Wissen, Ausdauer und gesunde Glieder. Es komme ja nicht von ungefähr, dass einer betteln gehen müsse, meinte der Ratsherr.
