Vom Tantz im Schloß Thalessia

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 13 - Praios 1019 BF

Vom Tantz im Schloß Thalessia

Am Abend des Festes hatte Seine Durchlaucht zum Hof-Balle in die Thalessia geladen. Fein und prächtig war das fürstliche Schloß geschmückt, der große Saal ein Juwel inmitten glänzender Perlen. Selbst die weniger edlen Recken waren geladen worden, so sie nur tapfer gestritten hatten. Wenige erschienen souverän wie der Veteran Taar Chonag, der es sich nicht nehmen ließ, seinen wiedergefundenen Schützling Torben Gorbal in Fragen der Etikette zu unterrichten, oder der in einen langen, rot-schwarzen Gambeson mit albischer Zierart gewandete Argos Inglorion (von dem manche wissen wollten, er begleite den Baron Throndwig seit dessen Waffendienst auf Maraskistan), und manch einer, der mit Schwert und Axt bewandert war, sich aber nicht auf höfisches Benehmen verstand, hätte sich wohler gefühlt, wäre er im Kettenhemd einer Orkhorde entgegengetreten als im Ballkleid der strahlenden Gesellschaft.

Den Bann eröffnete Erb-Prinz Bernfried von Ehrenstein, der Prinzessin Efferdane, des Fürsten Nichte, zum Tanze führte. Herzog Kunibald, dem als ranghöchsten Gast eigentlich die Eröffnung gebührte, hatte die Ehre des ersten Tanzes gerne an seinen ältesten Sohn weitergegeben — „um die Jungen auch einmal zum Zuge kommen zu lassen“, wie er gegenüber Seiner Durchlaucht scherzhaft bemerkte. Doch schon als zum zweiten Tanz aufgespielt wurde, ließen sich die beiden Reichs-Fürsten nicht davon abhalten, selbst das Tanzbein zu schwingen: unser Fürst mit der fürstlichen Gemahlin, Frau Faduhenne, der Tobrier mit der verwitweten, doch stolzen Gräfin Ilma von Wengenholm.

Grau war er geworden, der tobrische Wolf, der nun beinahe 70 Sommer zählte, und man sah es wohl, daß der alte Recke seinen Kanzler, den Baron Bergenhus-Schnattermoor, Bittsteller empfangen und andere Amtspflichten erledigen ließ, und diesen auch angewiesen hatte, ein scharfes Auge auf den Prinzen zu haben. Jener schien — seines Standes wohl bewußt — dennoch einige gute Kameraden unter den jungen Edlen gefunden zu haben. Er habe noch keine Braut erwählt, flüsterten die holden Damen einander zu, doch mehr als einen kurzen Blick oder ein schüchternes Fächerwinken wagte wohl keine Jungfer an diesem Abend.

Wenig später ordnete der Kapellmeister Ibrom Plöcksaum die Tanzenden erneut zur Formation. Im ersten Takt schritten die Reihen der Partner aufeinander zu, die Damen die Gesichter hinter ihren Fächern verborgen. Als die Paare sich erreichten, senkten die Damen ihre Fächer — da, wie von Donner gerührt blieb der Vogt der Geistmark stehen, bringt den ganzen Zug der Tanzenden zum Stocken.

„Was geht dort vor?“ rief der Herold Hernobert von Falkenhag, der an des Fürsten Seite herangeeilt war. Vogt Kordan von Sighelms Halm, mit rotem Kopf um seine Fassung ringend, preßt hervor: „Ich tanze nicht mit dieser Dame!“

„Weshalb?“, verlangt der Fürst zu wissen. „Weil sie seine Mutter ist“, wirft die altehrwürdige Baronin Erma ein, auch sie eine von Sighelms Halm, des Cantzlers wie des Vogtes Muhme. Der Fürst streicht sich das Kinn. „Nun, wir wüßten nicht, daß es ehrenrührig wäre, mit seiner Mutter zu tanzen. Wenn Unsere Frau Mutter nicht so schlecht zu Fuß..., doch was meint Ihr, Herold? Cantzler?“

„Durchlaucht,“ erwiderte Kordan mit bebender Stimme, „ich habe geschworen, nie wieder in ihre Gegenwart treten zu wollen.“ „Meiner Treu, das ist ein merkwürdiger Schwur gegen die eigene Mutter! Was konnte Euch zu solcher Tat veranlassen?“

„Laßt meine Tante hier doch antworten, ich merke wohl, daß sie dies eingefädelt hat!“ Nun begannen die anderen Gäste zu tuscheln, denn in der Tat hatten sie Erma von Sighelms Halm dem Meister Ibrom ein Zeichen geben sehen. Die Baronin (denn mit diesem Titel nennt sie ein jeder, wiewohl sie nur eines Barons Tochter und Schwester ist) aber erzählte, wie Kordans Mutter, Rondrared von Blaublüten, eine Edle der Nordmarken, ihren Sohn als Knappen ins Wengenholmsche sandte; wie dieser dort zum Ritter geschlagen wurde und nach einigen Reisen in den Dienst des Grafen von Wengenholm trat (weiland des boronseligen Herrn Hakan noch).

„Dies aber,“ fährt sie fort, „wie die Zeit, als Graf Greifax das Wengenholmsche mit seinen Truppen überfiel und in seinem Heerbann folgte Frau Rondrared ihrem Lehnsherrn. So standen sich Mutter und Sohn in verfeindeten Lagern gegenüber. Vergeblich bat der Sohn die Mutter, den wahnsinnigen Grafen doch zu verlassen, doch ebensowenig vermochte sie ihn zu überzeugen, daß sie dem Lehnseid folgen müsse.

Dann aber machte Hesinde dem Krieg ein Ende: der irrsinnige Graf verschwand in den Wäldern, und der Kaiser setzte einen neuen Grafen, den ausgezeichneten Herrn Alrik — Hochwohlgeboren, untertänigste Verehrung — ein. Die Gefolgsleute des Greifax aber gingen ihrer Lehen verlustig — und dies alles ist es, was Kordan von Blaublüten seiner Mutter bis heute nicht verzeihen will.“

Gespannt blickten die Feiernden auf den Fürsten, als die Erzählung der Baronin beendet ist. Der streicht sich mit den Fingern durch den Bart und scheint unschlüssig, was aus dieser Sache zu machen sei, blickt um fragend zum Cantzler. Da stößt ihn die Baronin mit dem Ellenbogen — vor Aufregung, wie‘s den Eindruck macht — und seiner Durchlaucht Miene klärt sich auf. „Tja, guter Vogt, da habt Ihr wahrlich schlimme Zeiten erlebt! Doch sagt, wie war es vor sieben Jahren: habt Ihr damals nicht weiser gehandelt als Eure Mutter und die Reihen der Garetier verstärkt, als es gegen den Thronräuber ging?“

Da starrt der Vogt auf den Boden und verweigert die Antwort. „Oder war es am Ende so, daß Ihr selbst den Treueeid zum Kaiser wichtiger hieltet als Euer Gewissen?“ drängt der Fürst in seltener Strenge, bis Kordan widerwillig nickt. „Nun, so fordere ich hier und jetzt von Euch, daß Ihr Euren Trotz aufgebt und Euch mit Eurer Mutter versöhnt — und ich fordere es als Euer Lehnsherr, dem Ihr doch kaum den Gehorsam verweigern wollt!“

Da nimmt Baronin Erma die beiden in den Arm und führt sie zusammen. Widerwillig, den Blick fest auf den Fürsten gerichtet, nahm Kordan die Hand seiner Mutter. „Na!“ mahnt da der Fürst. Da endlich, als breche ein Damm, fällt der Vogt ihr um den Hals, und einige nahestehende Barone schwören später, eine Träne auf seiner Wange gesehen zu haben.

Der Fürst und Baronin erma aber, die all dies lange voraus geplant hatten, lächelten sich still und zufrieden an, und noch größer war die Freude, als der Landgraf Custodias dem Fürsten vorschlug, doch einer der ihm verpfändeten Rittergüter durch die Frau Rondrared verwesen zu lassen, und dieser ohne langes Zögern zustimmte.

Der Baron Barytoc hatte gestaunt, was sich in den letzten vier Jahren — so lange Zeit war seit seinem letzten Besuch in Angbar vergangen — alles verändert hatte. Noch am Vortag hatte einer seiner Frau Thilka Thrainstochter (die an diesem Abend ein rot-grünes Kleid trug und die Haube einer verheirateten Frau) und dem Sohn Mormiac, einem strammen, properen Zwergling mit rosigen Wangen, liebevoll die Stadtmauer gezeigt, das Schloß Thalessia, den Ingerimm-Tempel, die Uhr des Meisters Relox, und was der Wunder mehr zu schauen waren.

Jetzt rührte es ihn doch, auf alte Kampfgefährten zu treffen, den Twergentrutzer, den Metenarer und den Vinansamter zumal, und mit diesen ein gemütliches Pfeifchen zu rauchen. Wahrlich, die Vaterschaft hatte den ZWergen verändert, ihn ruhiger und gesetzter werden lassen, wo er doch kaum den sechzigsten Götterlauf gesehen hatte. Dann erblickte er den Creser Baron. „Barytoc, man fragt sich, warum ich nach der Zeit beim Herrn Arombolosch noch nicht der Zwergen überdrüssig bin“, begrüßte ihn dieser spöttisch, und hatte dem Knaben Mormiac, der nach ihm auch Danilo hieß, doch trotz der Worte almadanisches Naschwerk mitgebracht.

Hochgeboren Throndwig Helman in der blau-schwarzen, greifengeschmückten Uniform des Marschalls von Albernia schloß seinen Freund von des Reiches and’rer Küste, Herrn Gugi Ronem von Arbasien in die Arme. Der lobte den hochgewachsenen Sohn des Barons, der mit dem seinen die Kriegerschule besuchte, ließ den jungen Bannerträger dann aber unverhofft in seiner Verlegenheit allein, als er sein junges Töchterlein erblickte. Rena von Arbasien trug schwer an des Grafen Growins Streitaxt (denn sie war seine Knappin), doch strahlte sie, als sie ihrerseits ihres Vaters ansichtig wurde.

Vergänglich ist des Kampfes Glück, Der Liebe Schmerz währt ewiglich.

Der am meisten bewunderte Herr des Abends war ohne Zweifel der für tänzerisches Geschick und sprühenden Charme gleichermaßen bekannte Graf Orsino von Falkenhag. Wie bei jedem seiner Besuche in der Seestadt (die selten sind, denn zumeist weilt er im kaiserlichen Gareth, war Seine Hochwohlgeboren von einem Schwarm jugendlicher Anhänger umgeben.

In großherziger Stimmung ließ er sich ihre Bewunderung wohl gefallen, plauderte bald hier, gab dem einen jungen Edlen einen guten Ratschlag und gewährte dort einer Junkerin einen Tanz. Eine eindeutige Favoritin schien der nicht zu haben, auch wenn so manch eine Hofdame hinter dem Fächer ihrem Nachbarn zuraunte, wie trefflich sich doch der elegante Graf und die frische jugendliche Schönheit der Gaugräfin von Hartsteen ergänzten.

In der Begleitung des Grafen befand sich auch der Junker Jacopo von Bleichenwang, den Herr Orsino als begabten Sänger in seine Gefolgschaft aufgenommen hatte. Der Jüngling staunte ob des glänzenden Thronsaals, und Schüsseln und Krüge boten gute Labe im Überfluß. Trotzdem trug er an diesem Abend kein frohes Herz von dann ...

Er hatte die holde Edelfrau Laudîne zu Stippwitz entdeckt, des unlängst im Süden verstorbenen Tiftals trauernde Witwe, die sich mit ihren beiden unmündigen Knaben ins Stammhaus ihres Schwagers Gobrom, dem Vetter des Stadtvogtes, zurückgezogen. Jacopo hatte ihre hell schwingende Stimme gehört und ihre kummervoll verschleierten Blicke getrunken — nun schlug sein jugendliches Herz in entflammter Liebe zu der hohen Frau, die noch immer in Trauer ging.

„Warum verbergt Ihr Eure Schönheit, Ihr tugendsames Frauenzimmer? Weswegen verhängt ein schwarzer Vorhang Frau Rahjas gunstvolle Gaben? Seid Ihr bange, edle Schöne, sie könnten staubig werden?“ Forsch und ungeniert, wie es der Almadaner Cavalliere Art ist, war er an die stille Frau herangetreten.

„Ihr seid so unverschämt wie anmaßend“ erwiderte die Schöne kühl, „und nun erlaubt mir, mich von Eurer gemeinen Bekanntschaft zu säubern!“

„Wir haben eine Bekanntschaft? Wenn Ihr nun so von dannen geht, Allerstrahlendste, so wollt’ ich, ich dürfte nie wieder mein Schwerte zieh’n. Ich bitte Euch, ich liebe Euch mit Anbetung und Tränenflut. Jeden Ritter will ich für Euch schlagen, so ich, Eurer Gunst gewiß, in Euren Farben streiten zu düren...“

Da aber ließ ihn die Schöne wortlos stehen. Statt ihrer gesellte sich der Edle Pasqua von Malkid hinzu, ein eitler Pfau selbst unter den Almadanis.

„Gruß Euch, Bleichenwant! Will Er mit seinen Rahjassängen nun schon die frischen Witwen locken?“

Die Zornesröte zeichnete sich auf Jacopos bleichem Antlitz ab, da er den Geck an seinem seidenen Wams packte. „Ich will, was Ihr alle wollt, wenn ich auch nur ein armer Ritter bin. Und kann ich sie nicht gewinnen, so kann ich doch um sie kämpfen, und um sie bluten und Schmerz um sie leiden! Und wer mich dessen verachten will, für den ist mein Schwert geschliffen, Herr Ritter!“

Da trat wiederum der Graf hinzu, der mit seinem Bruder, dem Prinzen Voltan, alles angehört hatte, und mahnte zum Frieden. In väterlicher Güte führte der hochwohlgeborene Herr Jacopo beiseite und sprach zu ihm: „Du hast junges, hitziges Blut, mein Knabe. Willst Du durchaus in Not und Schmerz laufen, um ein Traumbild?

Du kannst die Dame Laudîne und ihre Achtung nicht im Kampfe gewinnen. Was nützt es Dir, wenn du diesen Edlen und zwei oder drei kleine Ritter in den Staub schickst? Du müßtest ja auch all die Freiherren und Barone, womöglich gar den Nordfalk, den Streiter des Reiches, und die anderen Helden all erlegen, um Deine Liebste zu gewinnen. Laß Dein Ziel fahren und folge mir als mein Lehnsmann in meinen Sold, du sollst es nicht reuen.“

Jacopo ward rot und verbeugte sich tief vor dem hohen Herrn, doch er antwortete ohne Besinnen, das die Almadanis nicht kennen, „Ich danke Euch von Herzen, Herr Graf! Ihr seid sehr gütig. Doch sollte der Edle von Malkid nun zu Bett gehen und sich für den morgigen Kampftag wappnen. Dann will ich gehen ihn streiten!“

Jener, ein noch junger Gefolgsmann des Barons Tankred von Imrah, aber war hinfort geschritten und hatte sich darauf verlegt, Spott mit dem braven Meister Filbu zu treiben, der als Leib- und Hofkoch des Fürsten fleißig wie ein Ferdoker war, seine Küchenknechte und -mägde antrieb und doch kaum mit der Bedienung der Gäste nachkam. Auch mit Hohn für die Koscher Lebensart sparte er nicht und pries Sitten und Ehre seiner Heimat als das Höchste.

Die Ritterin Travina von Harschburgen wollte dies Großsprechertum nicht hinnehmen, rief schon nach ihrem zwergischen Waffenträger und krempelte die Ärmel ihres Ballkleides hoch, um dem Bengel das Wehrheimer Strammstehen beizubringen.

Da trat Nirdamon, Negromons Sohn, hinzu, der Bruder des Vogt Nirwulf und zudem Befehliger der Angbarer Stadtwache, um den arroganten Almadani zu einem Zweikampf nach der Art seines Volkes herauszufordern — mit dem Bierhumpen als Waffe. Lachend kam die Antwort zurück: dies wolle der Edle Pasqua annehmen, wenn die Koscher Granithocker es verständen, ihn statt des Bieres mit gutem, weißen Wein zu füllen. Solcherart beleidigt, ließ der Angroschim unverzüglich seine rechte Faust sprechen, so daß der Almadani prompt zu Boden ging.

Für eine geraume Weil zogen sich auf Geheißt des Junkers Ellerding vom Erlenschloß einige der edelsten Koscher ins Jagdgemach der Thalessia zurück, Der hohe Hasenhetzer hatte den Frommen & Ehrwürdigen Orden der Hanghasenjagd Unseres Fuchses Rajok zu Oberangbar zusammengerufen, um Rat zu halten über das weitere Vorgehen gegen die im ausgerechnet im Stammland des Ordens verbreiteten Säbelzahnkaninchen, die sich trotz der beim Jagd-Biwaks des Ordens erzielten Erfolge auf die gesamte Harschenheide auszubreiten drohten und auch bereits in Vinansamt und Geistmark gesichtet worden seien. Ob dieser Situation gelte es, das lange vakante Amt des Häslichen Herolds neuzubesetzen. Bis zur nächsten Zusammenkunft soll ein Kandidat gefunden sein.