Von frohem Waidwerk und kühnem Sange

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Ausgabe Nummer 17 - Hesinde 1020 BF

Von frohem Waidwerk und kühnem Sange

Prinz Edelbrecht und Graf Orsino erfreuen sich an edler Wette

Angbar. Weithin bekannt ist’s, daß der Prinz Edelbrecht dem Werke Gevatter Firuns gerne frönt und mit Ger und Bogen die Forste unserer Heimat durchstreifet, um sich mit Wolf, Bär oder Fuchs zu messen — allein den Eber verschmäht man wohl, ist’s doch das hehre Wappentier des Fürstenhauses und somit nicht zum Schusse bestimmt. Vor kurzem nun, im Jagdgemach der Thalessia, begab sich’s, daß der junge Prinz in kühnem Worte den begabten Herrn Orsino, Graf zum See, zu einer Wette forderte. Doch leset’s selbst, was sich die Herren zum Zwiste erkoren!

Vom Feste auf des Fürsten Schlosse und der kühnen Wette des Prinzen.

Zu Angbars Schloß tafelten des Koscherlandes Edle, und man bedachte manches Wort den Staats-Geschäften, stand doch des guten Königs Hoftag und Heeresschau bevor; doch auch frühjährlichen Lustbarkeiten galt der Sinn, und Hochwohlgeboren Orsino schwelgte in Erinnerungen ob einer trefflichen Jagd im Hügellande. Und manch Edler pries des Grafen sich’ren Bogen und seiner Falken schnellen Flug. Denn ist nicht der grimme Firun Schirmer und Patron derer von Falkenhag zum Grauen See, so daß in allen Adern dieses Hauses echtes Waidmannsblut fließt? Und hat nicht just erst der hochwohlgeborene Orsino seine Wallfahrt gen Bjaldorn bestritten, ward gesegnet vom Weißen Manne daselbst — wen wundert’s, daß wahrlich zu den besten Jägern er gerechnet wird, und daß solches Lob auch laut ertönte!

Da aber kam’s, daß der Gesellschaft edelster Gast, des Fürsten zweitgeborener Sohn Edelbrecht aufsprang und seinen Becher hob: „Herr Orsino, von Euren Taten hört ich vieles rühmen heut’, doch ward’s mir selten gegönnt, sie auch zu sehen. Nun hab’ auch ich einen starken Bogen, und meine Falkner warten mit den anmutigsten Beizvögeln auf. Ich ford’re Euch — bei Phex und Firun — zu einer Wette ob des Waidwerks: Wer von uns mit Ger, Bogen und Falke die bess’re Beute heimbringt, mag der größte Jäger hiezulande sein!“

Dem klatschten viele Beifall, doch manch einer verzog die Mienen ob der Kühnheit des jungen Prinzen. Aber der Herr Orsino stimmte zu — denn niemand hatte ihn je anders als frohen Mutes gesehen —, und man hieß den Profoß Endracosch, Treiber zu dingen und den Forstleuten die Jagd zu künden.

Wie die Herren mit prächtigem Gefolge auszogen und zu den Vinansamtschen Forsten gelangten.

Im frühsten Morgengrauen schon kam Leben in die ehrwürdige Feste. Dutzende von Burschen und Mägden sattelten die Rösser und schleppten den Herren Ger, Bogen und Köcher herbei.

Bunt und prächtig ward das Jagdgefolge anzuschauen: Der junge Prinz selbst im leuchtenden Grün eines Jägerrockes, bestickt mit güldnen Eberzeichen, einen Köcher mit elfischen Pfeilen lässig über die Schulter geworfen; an seiner Seite der stattliche Graf vom See, angetan mit einem Mantel von silbergrauem Fuchspelz, besetzt mit schneeigem Hermeline — wohl ein Mitbringsel seiner langen Reise ins mittnächtliche Bjaldorn. Mit ihnen war eine illustre Schar bekannter Edler, voran der Baron von Vinansamt, in dessen Landen die Hatz stattfinden mochte; auch viel junges Volk aus Junkershäusern, meistlich Rittsgenossen des jungen Prinzen, ließen die Rosse tänzeln; unter ihnen ward gesehen der Herr Jacopo von Bleichenwang, des Seengrafen Hof-Trouvére, die edle Cathine von Unterangen, und etliche mehr noch .

Den Herrschaften folgte ein Troß von mehreren Dutzend Treibern, meistens Burschen und Maiden aus Angbar und der Feste, die man für diesen Zweck gedungen; zudem drei Wägen mit zwei Köchen und sieben Gehilfen aus den fürstlichen Gelassen; die Gefährte beladen mit köstlichen Weinen von den Koscher und Nordmärker Hängen, mit Säcken voller bornischer Kartoffeln und Ferdoker Rüben; zudem Gewürze; drei Kisten alleine dienten dem zinnenen und bronzenen Geschirre, von dem die Jäger speisen sollten. Solcherlei gerüstet für die Jagd, zog man gen Norden in die Forsten an der Grenze zum Vinansamtschen.

Wie man mit dem Falken jagte und Herr Orsino den ersten Teil der Wette gewann.

Während die Treiber ausschwärmten, um jagbares Wild zu scheuchen, bestaunten die Herren und Damen von der Kuppe eines Hügels aus die Schönheit der taunassen Wälder. Da rief der junge Prinz: „Wie steht’s mit unsrer Wette erstem Teile? Bis daß wir uns am roten Wilde gütlich tun, laßt uns fette Rebhühner schlagen!“

„Gewißlich, schon bringt man mir das Tier!“ gab der Graf zur Antwort und nahm einen silbernen Falken entgegen (welches Tier seinem Hause Wappen ist, seit seine Ahnherren der alten Kaiser Falkner waren). Auf des Prinzen Faust nun thronte ein kraftvollen Habicht, ein Geschenk aus dem Almadanischen.

Da ward ein Schwarm Rebhühner aufgescheucht, und beide Herren warfen ihre Vögel an die Beute. Unter bewundernden Rufen stieg der Habicht wie Blitzstrahl in die Lüfte, kreiste kurz über seiner Beute, stieß dann herab und verfehlte das flatternde Huhn nur um eines Haares Breite. Der Falke des Grafen war glücklicher in seiner Jagd, und nach wenigen Minuten konnte der stolze Edelmann dem Tier die Beute entringen.

Man sah dem Prinzen seine Enttäuschung an, doch bot der Tag noch viele Möglichkeiten, sich mit dem Grafen zu messen. Eine solche kam gerade recht, als der oberste der Jäger, Meister Radulf, den Herren Zeitung gab, daß drei prächtige Rehböcke gesichtet seien. Mit einem schallenden Hornstoß preschte der Prinz voran, ihm hinterdrein die Weggenossen. Herr Orsino und Baron Stoia nahmen’s da gelassener, wollten sie die Pferde doch nicht vor dem eigentlichen Beginn ermüden.

Wie man eine Schar prächtiger Böcke stellte und wie dem Prinzen die Beute durch die Lappen ging.

Im Dunkelgrün des Waldes nun hörten sie den Lärm der Treiber ihnen entgegenkommen, und auf einer kleinen Lichtung zügelte Edelbrecht, der den anderen vorausgeeilt, sein Roß. In weitem Sprunge brachen die Böcke aus dem Dickicht, und geschwinde hatte da schon der Prinz den Pfeil auf der Sehne und ließ ihn davonschnellen. Das erste Tier ward noch im Sprunge getroffen, doch schlug’s einen behenden Haken und wich mit den Brüdern den Waidleuten aus.

„Ein guter Schuß, mein Prinz, doch nicht gut genug“, rief der Graf, indem er an Edelbrecht vorbeipreschte. „Wollen sehen, ob uns dieses Wild durch die Lappen geht!“

Mit Gewalt trieb da der junge Fürstensohn sein Pferd an, und ihm zur Seite ritten nun Herr Stoia, der Junker Kronolf von Bunsenbrück und Herr Wolfhardt von der Wiesen.

„Das Wild rennt unsern Treibern zu und wird bald nach rechts ausscheren!“ mutmaßte der Junker.

„So reitet Ihr dorthin“, gab der Prinz zurück und lenkte gleichzeitig sein Pferd in die andere Richtung. „Wir wollen’s einkreisen!“

Mit diesen Worten war er auch schon in Richtung eines düstren Tannichts verschwunden. „Wenn ich das Wild wär’, würd ich auch hierhin flüchten“, frohlockte er, die anderen in die falsche Richtung reiten zu sehen.

Am Rande des Wäldchen nun stieg er vom Pferde und kauerte sich hinter einen Felsen, der nahe einem Wildwechsel lag. Hier mochten die Böcke vorbeikommen, denn auf den andren Seiten waren die Treiber und des Grafen Jäger.

Und siehe da, Herr Firun, der Grimme Jäger, ward dem Prinzen hold, als die Zweige knackten und etwas herfürbrach aus dem Tann. In hohem Sprunge flog der Bock, an seinen Fersen aber ein silbergrauer Blitz, der noch aus dem wirbelnden Sprunge seinen Pfeil verschoß. Da warf’s das Wild zu Boden, und tänzelnd vor des Prinzen Sitz hielt nun der Herr Orsino.

„Firun zum Gruß, mein Prinz“, rief jener fröhlich, „laßt uns ein weit’res Tier erlegen, auf daß der Abend nicht allzu hungrig bleibt.“ Sprach’s und schwand in raschem Ritt, dem Lärm der Treiber zu.

Wie man zur Ruine Toroschs Aue kam und dort das Ende der Jagd feierte, und wie sich der Prinz ob der verlorenen Wette ereiferte und den Grafen abermals forderte.

Gegen Abend, als sich der Himmel schon rosig zu färben begann, stießen die Jäger auf ihren Troß und wandten sich aus den Wäldern dem freien Hügellande zu. Auf einer Kuppe ragte düster der gezackte Körper einer ehernen Ruine.

„‘S ist die Ruin’ in Toroschs Aue, geschleift vor langer Zeit“, wußte ein Ritter zu melden. „In ihrem Hofe läßt sich’s trefflich rasten.“

So ritt das Gefolge ein in die efeuberankten Mauern, und die Jäger hießen, ihre Beute aufzuschichten. Da zeigte sich’s, daß der Prinz Edelbrecht wohl geschossen hatte, doch seine Beute ward um ein Weites übertroffen durch die des Grafen. Der Jagdmeister erhob das Wort: „Ihr Herren, höret: Dem hochwohlgebornen Grafen Orsino vom See war’s geglückt, bei Schuß, Wurf und Beiz die reichste Beute zu erlangen. Darob gewinnet er die Wette und heißet der beste Jäger zu Koschens Landen.“

In dem Jubel blieben allein der Prinz und sein Gefolge stille. Zu arg brannte ihn die Schmach der verlustigen Wette. Auf dem Hofe ward inzwischen ein Feuer aufgeschichtet, und unter dem nachtblauen Himmel brutzelte Wildbret an den Spießen. Fleißige Hände hatten die Braten mit Speck, Kartoffel, Pilzen oder Kastanien gefüllt, und die knusprige Kruste wurde allenthalben mit einem Sud aus Bier, Wein oder Zwiebelsaft übergossen, so daß den Jägern das Wasser im Munde zusammenlief.

Da rief der Prinz dem Grafen zu: „Mein bester, habt Ihr Euch in der Jagd als der stärkere erwiesen, so gibt’s ein anders Feld, auf dem ich Euch zu schlagen gedenke. Nennt man Euch nicht den Patron der Feinheit und den Förderer mannigfacher Künstler? So forder’ ich Euch zum Streite uns’rer Protegés!“

Der Graf runzelte im Scherz die Stirne und wandte sich an seinen Barden Jacopo von Bleichenwang: „Mein guter Sänger, ihr habt des Prinzen Worte vernommen, was saget Ihr dazu?“

„Mit Verlaub, Hochwohlgeboren“, antwortete der Almadaner (der seit des Fürsten Tsatags-Turnei für Herrn Orsino singt und spielt), „wenn’s dem Prinzen beliebt, würde ich mich jederzeit im Wettgesange mit anderen messen. Doch hat’s wohl keinen Sänger mehr hier unter uns.“

Da hellte sich des Prinzen Miene auf: „Ein einzig Mal an diesem Tage werde ich Euch schlagen, Orsino! Bester Wolfhardt, kommt doch herbei!“

Der junge Ritter war sichtlich erstaunt, als er sich vor dem Prinzen verneigte. Dieser sagte: „Guter Ritter. Ich weiß um Eure Treu und Eure Kunst. So Ihr in diesem Streite für mich siegt, so soll -“ (er suchte eiligst nach einen passenden Lohe) „-so soll Euch diese Burg als Edlengut gehören!“

Da blickten alle überrascht, und vielfach ward geraunt: „Ein Gut für nur ein Lied? Wie freigiebig, ach wie verschwenderisch!“

„So sei’s, ein schmuckes Gut als Preis für den Sieger! Solches gibt’s sonst nur in alten Mären, haha!“ lachte da der Graf. „Doch mein Prinz, welches sei das Thema dieses Sängerstreites?“

„Ei nun, was wäre besser, als die hehren Tugenden der Ritterschaft wohl zu besingen. Ihr Herren beide, nennt uns die strahlendste Tugend des Ritters und überzeuget, daß keine andere mehr wert!“

„So sei es denn!“ und „Fürwahr, ein trefflich Wort!“ riefen da die Edlen und rückten ihre mit Fellen bedeckten Bänke und Stühle zu einem Kreise, der die beiden Sänger umschloß.

Vom hehren Sängerkriege endlich!

Da trat Herr von Bleichenwang vor und schlug in die Saiten seiner Laute. Mit voller Stimme begann er die erste Strophe:


Es ist der Mut, die edle Tugend,

Die erfüllt den Mensch in seiner Jugend!

Denn ohne Mut wär’s kaum vollendet,

Daß sich ‘was Bös zum Guten wendet!

Die Himmelsleuin woll’n wir preisen

Auf daß wir ihre Streiter heißen!


Mit Applaus wurde der Sang begrüßt, doch schon stand Wolfhardt ihm entgegen und griff in die Saiten seiner Elfenharfe:


Mein Herr, es ist damit nicht gut,

Denn was frommt der höchste Mut,

Fehlt ihm die Kraft, ihn auch zu nützen,

Den Willen soll der Körper stützen!

Die rechte Stärke, alle Kraft,

Hat uns Herr Ingerimm verschafft!


Stille herrschte, nachdem der Ton verklungen, und dem Sänger lief der Schweiß herab. Kein Jubel hatte sich erhoben wie bei seinem Gegner, der nun zur Antwort anhub:


Ihr glaubt, mit Kraft wär’s schon getan?

Dem Streiter steht sie zwar wohl an,

Doch macht den wahren Edelmann,

Wie er sich denn benehmen kann.

Es ist allein die feine Art

Die uns vor Barbarei bewahrt!


Da frischte sich Herr Wolfhardt den Mut und reimte geschwinde darauf:


Den Gecken lob ich mir nun nicht,

Wie kunstvoll, löblich er auch spricht,


(und an dieser Stelle lachten einige und warfen dem Herrn Orsino spöttische Blicke zu, gilt dieser doch als Meister der feinen Zunge und der Garether Hofsprache.)


Denn sagt mir, was ein Ritter wär,

Stünd nicht auf seinem Schild die Ehr!

Es kleidet Ehr’ allein den Stand,

Wie ein reichverziert’s Gewand.


„So wahr ich hier steh’, das ist ein Wort!“ posaunte der ergraute Ritter Stordan von Steenback hervor. Auch Herr Bleichenwang ward gewiß , daß sein Gegner sich von der ersten Attacke erholte, und so wappnete er sich selbst mit spitzer Zunge zum Angriff:


Ehre ist ein wackrer Schild,

Und ungern leid ich Schmutz auf diesem Bild.

Doch wahrlich, eines steht dem Ritter recht:

Die Höflichkeit dem schön’ Geschlecht!

Drum preist die Frauen, stolz und hold,

Denn ihre Gunst glänzt hell wie Gold!


Da ward wiederum der Jubel groß, und der Graf Orsino zollte seinem Protegé heftigen Beifall. Wolfhardt aber lächelte den Damen zu, bevor er fortfuhr mit dem Streite:


Der Minnesang wird wenig sein,

Blickt offen in die Welt hinein:

Verrat und Unrecht allerorten,

Schließt auf dem Rechte Eure Pforten

Denn eines steht dem Ritter an:

Daß Rechtes tu er jedermann!


Da zogen ein paar Ritter den Kopf ein und fragten sich, ob man denn wahrlich alle Tugenden befolgen müsse... Doch nun kam der nächste Streich des Bleichenwangers wie ein schneller Hieb mit dem Schwerte:


Rechtschaffenheit sei eine Zier,

Doch eines macht Euch zum Panier:

Der Ritter übt sich alle Zeit

In gottgefäll’ger Frömmigkeit!

Den hohen Zwölfen stets zum Preise,

Das ist der Seele rechte Speise!


Alles wollte beginnen zu jubeln, denn was konnte man schon den Zwölfen zum Trotze vorbringen? Der junge Wiesener aber ward blaß, und seinem offenen Munde entrann kein Ton. Da brach ein Vivat-Ruf aus den Reihen um Orsino los, doch bevor er von allen aufgenommen werden konnte, erscholl Harfenschlag und die Stimme Wolfhardts:


Den Göttern sind wir stets verbunden!

Doch mag das Reich nur dann gesunden,

Wenn jeder Herr bei seiner Treu,

Dem Kaiser folgt stets ohne Scheu,

Und geht’s hinein in Borons Reich,

Hält doch die Treu bis hin zum letzten Streich!


Da galten die Lobrufe ihm, und man stimmte ein Hoch an auf den Kaiser und seinen weisen Fürsten zu Angbar. Herr Edelbrecht aber stand strahlend auf und verkündete: „Damit, mein guter Orsino, ist’s entschieden: Die Kaisertreu ist des Ritters höchste Tugend, und sie soll auch belohnet sein! Herr Wolfhardt, heißet Euch fürderhin Edler auf Toroschs Aue! Zu Angbar wird mein durchlauchtigster Vater dies besiegeln!“

Und so feierten die Edlen bis zum Morgengrauen die erfolgreiche Jagd, den spannenden Wettsang und die Erhebung des trefflichen Sängers. Alleine Fräulein Rahja weiß, ob’s der Barden letztes Treffen ist gewesen, doch mag uns auch fürderhin so mancher Sängerkrieg erfreu’n!