Neuigkeiten aus der Hauptstadt - Kosch-Kurier 86

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Neuigkeiten aus der Hauptstadt
Mit dem Winter kommt etwas Ruhe in die geschäftige Capitale am Grauen See … aber ganz still wird es nicht. Denn auch die Winterzeit kennt ihre Feste und fröhlich-turbulenten Tage.
Meskinnes, Ziegen und Balaleika
Richtig ausgelassen ging es zu am 8. Firun beim beliebten Bornlandfest in der Bronnjarenklause. Den Auftakt bildete das Ziegenfangen, das dieses Mal länger dauerte als sonst, da es einem schwarzgefleckten Bock gelang, vom Derenrund auszubüxen und kreuz und quer durch Heimeling zu springen, stets verfolgt von einer johlenden Menge. Dies tat der Freude aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil!
Und was für ein Kontrast zum letzten Winter, als die Klause dunkel bleiben musste, weil Baernja Sjepensen, die langjährige Wirtin, nur wenige Tage zuvor zu Boron gegangen war (siehe KOSCH-KURIER Nr. 82). Doch Amur Filajeff, der neue Wirt, führt nicht nur die alte Tradition weiter, sondern sogar zu einer neuen Blüte. Zumindest waren viele Gäste der Meinung, dass seine Gerichte „noch ein bisschen bornischer“ schmecken, und zu später Stunde begeisterte er alle mit Liedern aus seiner Heimat, welche er mit wohltönendem Bariton zum Klang der Balaleika vortrug. Ein echter Norbarde eben!
Butterbrodts Erbe weiter umstritten
Der Streit um das Erbe des Ratsherren und Manufakturbesitzers Tradan Butterbrodt spitzt sich zu. Die jüngst in Erscheinung getretene Tochter des Toten, Alwine Gansbüttel, hat beim Reichsvogt offiziell Klage gegen die „Entziehung ihres Erbes“ eingereicht; Unterstützung findet sie dabei pikanterweise durch die Ratsfrau Gidiane Caramos, welche sich damit gegen eine Maßnahme des Rats der Zünfte wendet.
Die Boronkirche hat sich indessen entschieden, auf der Vollstreckung des Butterbrodtschen Testaments zu bestehen, in welchem die Gemeinschaft des Raben zum alleinigen Erben bestimmt wird. Allerdings gibt es berechtigte Zweifel, dass Meister Tradan das Dokument tatsächlich frei von jeglichem Einfluss verfasst hat.
Zugleich ist eine Kommission der Praioskirche einberufen worden, welche klären soll, ob der Ratsherr als Opfer magischer oder gar namenloser Umtriebe zu betrachten ist – oder als Frevler und Paktierer und somit als Täter ex voluntate, wie der Jurist zu sagen pflegt. In letzterem Falle nämlich könnten alle derischen Rechtsansprüche für nichtig erklärt und sein Vermögen eingezogen werden.
Unmut bei der Praioskirche
Für einigen Unmut sorgte die Travia-Hochgeweihte Herdane Haubinger mit einem Satz, den sie neulich von sich gab: Die Praioskirche müsse sich nur von ein paar goldenen Leuchtern trennen, und die Sache wäre erledigt.
Mit „die Sache“ meinten Ihre Hochwürden das mildtätige Vorhaben, den Bettelgraben vor den Toren der Stadt nach so vielen Jahren endlich aufzulösen und die dort hausenden Ärmsten der Armen auf einem kircheneigenen, noch zu erwerbenden Gut am Angbarer See anzusiedeln. Trotz mehrfacher Spendenaufrufe reicht das gesammelte Geld aber noch immer nicht aus, um diesen Plan in die Tat umzusetzen.
Von Seiten der Praioskirche gab es harsche Kritik an jenem Dictum der Geweihten. Der Glanz der Sonnentempel sei ebenso Ausdruck der Frömmigkeit wie der Kohlgeruch aus den Armenküchen der Traviakirche – nur auf angenehmere Weise.
Tolles Treiben der Tollpatsche
Beim Tollen Treiben, jenem Fest zu Frühlingsbeginn, bei welchem das Kleinvieh aus der Stadt getrieben wird, ging es … nun ja … reichlich kurios zu. Natürlich bleibt es bei diesem Spektakel nicht aus, dass der eine oder andere Hirte strauchelt und in den Straßenkot fällt, doch ein solches Gestakse und Gestolpere hat man selten gesehen, und bei vielen kam der Verdacht auf, die Burschen und Maiden hätten schon am frühen Morgen allzu reichlich dem Bier oder Stärkerem zugesprochen.
Manch einer argwöhnte, das Ganze könne das Werk von Kobolden sein – oder von Schelmen. Und damit dürften sie der Sache ziemlich nahekommen! Denn am Abend beim üppigen Fest verlor ein (ziemlich schlechter) Moritatensänger mit einem Mal seine Kleider und stand mit blankem Hintern und puterrotem Kopf vor der Menge – ein typischer Fall von Koboldsmagie.
Der Urheber des Unsinns konnte freilich nicht ausfindig gemacht werden. Man darf aber annehmen, dass er mittlerweile die Stadt verlassen hat, denn allzu grober Unfug in diesem Umfang ist nicht mehr geschehen.*
* Sieht man einmal von den Streichen einer Bande Lausbuben aus Barschengrund ab, die in der Stadt für Gelächter und Unmut gleichermaßen sorgen und fast schon eine eigene Nachricht wert sind.
