Baron von Geistmark geriet erneut in mißliche Situation

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Ausgabe Nummer 21 - Tsa 1021 BF

Baron von Geistmark geriet erneut in mißliche Situation

Eine überraschende Ankündigung

WENGENHOLM. Seit langem schon schwelt die Glut des Streites zwischen dem Baron von Kordan von Geistmark aus der Grafschaft See und dem gräflichen Vogt von Albumin, Herrn Gelphardt von Stolzenburg – und nun schien es, als sollte ihr Zwist in Waffengewalt eskalieren. Doch alles kam anders an jenem festlichen Abend …

Am XXIV. des Boronmondes vollendete Prinz Jallik von Wengenholm sein zwanzigstes Jahr — ein willkommener Anlaß für die Gräfin Ilma, viel Volk zur Tsatagsfeier ihres Sohnes auf die trutzige, sonst doch recht trostlose Angenburg zu laden.

Der Markgraf von Winhall, bei welchem sich Prinz Jallik in Knappschaft befindet, war leider nicht abkömmlich, ebensowenig der Schöne Graf vom Angbarer See; und auch des alten Grafen Bruder, der Angbarer Schwertbruder Gisbrun Idamil, der längst nach Tobrien zurückgekehrt. Doch war mit der Markgräfin Irmenella von Greifenfurt (in ihrem Gefolge der Gräfin Tochter Nadyana, des Prinzen Anshold Versprochene) und dem Landgrafen Alrik Custodias von Gratenfels hoher und nicht wenig überaschender Besuch anwesend.

Dazu gesellten sich allerhand Adlige des Umlandes: der tapfere Vogt von Albumin, Gelphardt von Stolzenburg, Baron Alderan von Zweizwiebeln mit seiner Tochter Bachede, der grimmige Vogt Ulfert von Drabenburg-Berg ohnedies, die junge Tsaja von Garnélhaun nebst Gemahl, der Geistmärker Baron Kordan, die kühle Gaugräfin von Hartsteen, der Sänger und Edle Wolfhardt von der Wiesen, die Junkerin Vieska von Wengerich, die Ritterin Travina von Harschburgen, Junker Ellerding von Erlenschloß und einige weitere Junker des Wengenholmschen. Selbst der Stadtvogt von Angbar, Bosper zu Stippwitz, ließ es sich nicht nehmen, zum Fest zu erscheinen.

Bis zur Praiosstunde trafen die Gäste ein und bezogen Quartier in der Burg. Nach einem Begrüßungstrunke begab man sich zum Jagdausritt ins Tal der Ange. Gar manche der edlen Männer und Frauen sind als wackere Firunsleut bekannt, nicht zuletzt die Gräfin selbst, und so machte man reiche Jagdbeute. Junker Erlenschloß, der Hohe Hetzer des Ordens zur Hanghasenjagd, erlegte gar ganz allein zwei prächtige Keiler. Die Herren von Albumin und Geistmark allerdings gerieten ob eines geschossenen Auerhahns in Streit — eine düstere Ankündigung dessen, was kommen sollte, als sich die Herrschaften des Abends zum Bankett um die Tafel setzten. Am Kopfende saß die Gräfin neben ihrem Sohn (der für diesen Tag Urlaub erbeten und gestattet bekommen hatte) und der Jungfer Nadyana. Zu ihrer Linken nahm Markgräfin Irmenella platz, zur Rechten der Landgraf. Einige giftige Blicke flogen unter den Versammelten, denn manch einer mochte sich zurückgesetzt fühlen, der weiter unten an der Tafel placiert war und dies als Zeichen ungerechter gräflicher Gunstverteilung nahm. So mußte sich auch der Vogt Gelphardt von Stolzenburg drei Gedecke weiter von der Dame Ilma setzen als der Baron von Geistmark, und schnitt dabei ein wahres Firunsgesicht.

Ein treffliches Dankeslied Ritter Wolfhardts von der Wiesen an den Herrn der Jagd und die Herrin der Gastfreundschaft ließ diese Grillen wohl für‘s erste vergessen, wie auch der Duft des Wildbrets, das sodann aufgetragen wurde. Doch war der Frieden nicht dauerhaft. Ein Lob für den Schmuck der Festhalle nahm Baron Kordan zum Anlasse, den äußeren Zustand der Angenburg, insbesondere der Wehranlagen, zu bemängeln. Nun lag dies, wie männiglich bekannt, bis vor kurzem in der Verantwortung des Stolzenburgers, der auch nicht lange mit einer scharfen Replik auf sich warten ließ. Baron Kordan, sagte er, versuche sich wiederum als Experte in Dingen, in die Hesinde ihm die Einsicht verwehre — wie vor Jahresfrist am Hofe Darpatiens, als er den Diplomaten markieren wollte.

Baron Kordan stieg das Blut ins Gesicht, doch ließ er sich nicht auf letztere Beleidigung ein und wollte er auf seine Erfahrung als Hauptmann des Rondrasdanker Heerlagers hinweisen. Doch Gelphardt von Stolzenburg ließ ihn nicht ausreden, sondern fuhr fort, vom Zorn wie vom Ferdoker sichtlich erhitzt: „Aber natürlich ist Zurückhaltung ein schwierig Ding, wenn einen Levthans Horn sticht und der Sinn nach Höherem steht. Nicht jeden Tag hat man Gelegenheit, sich einer Fürstin anzudienern. Da heißt es zugreifen, man kann sich ja nicht immerzu mit einer Gräfin begnügen!“ Der Vogt schien sich völlig vergessen zu haben, er schrie nun: „Wie lange werbt Ihr da schon? Zehn Götterläufe oder zwanzig?“

Alles starrte auf den Geistmärker, und wer sah, wie sein Blick schwankte zwischen Verlegenheit und Zorn, konnte nicht zweifeln, daß der Vogt von Albumin einen wunden Punkt getroffen hatte. Waren nicht die beiden schon weiland auf dem Zug wider Albumin in der Halle des Barons Zweizwiebeln aneinandergeraten und hätten beinahe blank gezogen, wären nicht der Herr Alderan und sein wackerer Hof-Kaplan eingeschritten? Was aber sollte der Baron nun tun? Sich an Praios‘ Gebot versündigen und abstreiten? Oder seine und der Gräfin Ehre kompromittieren?

Endlich schien Baron Kordan sich gefaßt zu haben. Er erhob sich und schlug mit dem Messer gegen seinen Kelch. „Werte Festgenossen“, hob er an. „Ich werde die Ausfälle des Vogts mit keinem Worte würdigen. Dagegen habe ich eine Ankündigung zu machen: Am ersten des Tsamondes dieses Jahres werden die wohlgeborene Junkerin Mechtessa von Lutzenstrand-See und ich uns die Hand zum Traviabunde reichen. Alle Anwesenden —“, ein grimmiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen, „selbst Ihr, Stolzenburg — sind zu dieser Feier herzlichst eingeladen!“

Damit setzte er sich wieder, und sogleich hob ein großes Gemurmel an. Männiglich lobte man die Brautwahl des Geistmärkers — Mechtessa von Lutzenstrand ist eine bekannte Kriegerin und die Gesandte des Fürsten am darpatischen Hofe — wie auch die Art, in der er sich aus dieser Affäre gezogen hatte. Bald war die Festgesellschaft wieder vergnügt wie ehedem. Nur Baron Kordan entschuldigte sich schon bald darauf und zog sich auf sein Zimmer zurück — und auch die Gräfin schien nicht mehr so fröhlich wie zuvor.

Stordan Mönchlinger