Sind’s Nordmärker oder Hinterkoscher?

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Ausgabe Nummer 21 - Tsa 1021 BF

Sind’s Nordmärker oder Hinterkoscher?

Nach beleidigter Protestnote entschied der Erbgreve, wie der Koscher seine Nachbarn zu nennen habe

„Schon längere Zeit müssen die stolzen Nordmarken1, die seit alters her Wacht und Wehr für das Reich stehen, hinnehmen, daß nicht nur der Pöbel, sondern inzwischen auch der Koscher Adel dazu übergegangen ist, sie abfällig als ‘Hinter-Kosch’ zu bezeichnen! ... Darum empfinden wir großes Bedauern über die unbedachten Worte einiger Koscher Adeliger und sogar des sonst sehr wohl-feilen Koscher Kuriers, der in seiner jüngsten Ausgabe noch eine seiner Rubriken ‘Neues aus Hinterkosch’ 2 betitelte. ... Wir möchten Euch, Euer Durchlaucht darob untänigst bitten, ein Machtwort zu sprechen, um dieser eindeutig falschen Bezeichnung und Verunglimpfung unserer geliebten nordmärkischen Heimat ein endgültiges Ende zu setzen, damit Einigkeit und Einheit wieder zwischen beiden Provinzen Einzug halten kann und das gute Verhältnis auf ewig gewahrt bleibt. (...)“

Von merkwürdiger Art sind die Hinterkoscher doch: Aus dem Gratenfelsschen, dessen Herren schon, die Landgrafen Greifax, zu allen Zeiten als ebenso edel wie streitbar (ja, manch ehrbarer Recke scheute sich nicht zu sagen: über die Maßen streitlustig) bekannt waren, erreicht jüngst eine freilich wohl formulierte, doch in ihrem Inhalt recht befremdlich anmutende Depesche das Angbarer Fürstenschloß Thalessia. Auf dem kaiserlichen Hoftage war dem Cantzler Duridan von Sighelms Halm das Schreiben — welches die Wappen der Herrschaften von Firnholz, Ludgenfels, Nablafurt, Kranick, Riedenburg und Meilingen trug — übereicht, darinnen die Unterzeichner kurz gesagt forderten, nimmer mehr Hinterkoscher genannt zu werden wollen.

„Nicht genug, daß meine braven Untertanen samt und sonders als Pöbel bezeichnet werden — was soll der Unfug? Das wäre ja gerade so, als ob ein Schetzenecker nicht mehr ein Schetzenecker sein oder ein Südländer nicht mehr Südländer sein wollte“, sind des Fürsten verwunderte Worte nach dem Studium der Depesche überliefert. Er könne doch wohl kaum dem Volke verbieten, wie es ein Ding seit eh und jeh nenne (und auch die Zwerge sagten doch auch Xuramkoschim).

„Mein Fürst, die Barone meinen aber, daß die Bezeichnung die jenseits dem Koschgebirge liegenden Lande abwerte. Offensichtlich fühlen sie sich beleidigt”, fühlt sich der Cantzler bemüßigt, in seiner mißlichen Lage als unschuldiger Übermittler die Angelegenheit so präzise wie möglich darzustellen. „Ganz so genau nehmen’s die Herrschaften allerdings selbst nicht: „Koscher Kurier“ heißt das Journal gewiß nicht, und eine Rubrik „Neues aus Hinterkosch“ kommt ebenfalls nicht vor.“

„Die sind ja schlimmer als die Almadaner, dieser Dings, dieser Hofbarde des Seegrafen zum Beispiel. Fühlen sich immer gleich bei der Ehre gepackt”, seufzte der Fürst.

„Streitlustig wie ein Wengenholmer Bergbursch beim Trutzfest, wollen nur eine tüchtige Prügelei“, pflichtete Junker Polter von Stielzbruk, sein vertrauter Kammerherr, dem Fürsten bei. „Vielleicht sollten wir ihnen genau den Gefallen tun, sie herbestellen und ihnen eine Tracht verpassen oder Wehrmeister Halmdahl mit ‘ner Schwadron Schlachtreiter herüber schicken, Blasius.“

Der scharfsinnige Fürst war indes ein weiterer Mißstand aufgefallen: „Nun, Kanzler, aber wenn es doch hinter den Koschbergen liegt, dann ist ‘Hinterkosch’ ein guter Name, der genau angibt, wo dieses Land liegen mag.“

„Ihnen jedoch ist ‘Nordmarken’ lieber — schließlich mögen die Leute dort selbst wissen, wie ihr Land heißt.“

Darauf brummte der Fürst nachdenklich und entließ den Kanzler, rief ihn jedoch nach einem Augenblicke wieder zurück: „Die besagten Lande liegen doch gar nicht im mittnächtlichen Norden, sondern im efferdlichen Westen. Ist das denn nicht ein stumpfsinniges Wort, das allenfalls zur Verwirrung des Volkes beitragen kann?“

„Nun ja, Durchlaucht, diese Namensgebung kömmt noch aus bosparanischer Zeit, da die Elenviner Landschaft die nördliche Mark des Alten Reiches war.“

Da rief Junker Polter aus: „Dann sollen die Vinsalter Stutzer sie also Nordmärker nennen, und wir nennen sie Hinterkoscher. Dann weiß jeder genau, wohin er sich zu wenden hat, sollte er diese Lande einmal aufsuchen wollen.“

Dem Landgrafen Alrich und dem nachbarlichen Friede zuliebe aber zeigte sich der Fürst geneigt, wenn’s denn der Wunsch der Gratenfelser sei, zu verfügen, daß sie in allen Dingen seines Hofes fortan „Westerkoscher“ zu nennen seien und wollte schon den Cantzler beauftragen, diesbezüglich ein „artiges Brieflein“ aufzusetzen, als sich von unerwarteter Seite Protest erhob. Im Verbund mit dem ehrenwerter Meister Filib, Sohn des Fulbu (der ob der mahlzeitlichen Stunde in seiner Eigenschaft als Leibkoch in des Fürsten Gemach aufwartete) forderte Junker Polter, in einer solche schwerwiegenden Angelegenheit, die der Ahnen gute Sitten betreffe, zunächst Rat von kundiger Seite einzuholen.

So tagte — zum ersten Male seit einhundertachtundsechzig Götterläufen wieder — der „Rat von Alters her“ unter Vorsitz des Erbgreven Grumosch Gimmelding, Sohn des Garboin, im Tempel der Flamme, um über die Rechtmäßigkeit der alten Gewohnheit zu entscheiden. Und trotz des des ehrwürdigen Alters der berufenen Herrschaften — darunter der zweihundertjährige Kesselschmied Lutrix, Sohn des Luhim, ältester der Angbarer Ratsherrn, der greise und bereits schwer vom Menzheimer Alter geplagte Junker Radulf Gratel von Grantelweiher, welcher sich wieder und wieder als Verkörperung seines Ahnherren Lares Grantel fühlte, und die an seiner Seite geradezu jugendliche Fürstinmutter Thalessia — war ihre Beratung feuriger noch als die Dispute des Ingerimm-Konventes, welcher sich allhier im Praiosmond versammelt hatte: Schlimme Vorwürfe, ja schimpflichste Beleidigungen seien da von den unbedachten und aufbrausende Barone des Hinterkosch gemacht, die die Redlichkeit der Koscher und — übler noch — das Erbe der Ahnen in Frage stellten.

Nach einer getreulichen Rücksprache mit dem Rat aber kam Meister Grumosch zu einer — wie erwartet — zufriedenstellenden und weisen Entscheidung. Demnach kann jeder Koscher weiterhin die besagten Lande als „Hinterkosch“ bezeichnen, doch darf er dies keineswegs abwertend meinen. So wurde es niedergeschrieben und besiegelt in der Ehernen Rolle, und so soll es fürderhin bleiben.

Eine Respons aus Gratenfels steht noch aus. Bezeichnenderweise erreichte jedoch noch während der Beratungen eine weitere Depesche den Fürstenhof, darinnen sich der Baron Traviadan von Schwertleihe (des Fürstenhorters Nachbar) sich von eben jener Protestnote distanzierte: Er sei der Meinung, machten sich die Unterzeichner seiner Ansicht nach auf diesem Wege doch vor den gesamten koscher Edelingen lächerlich — ein Ansehensverlust, der nur allzu leicht auch auf den übrigen gratenfelser und nordmärker Adel übergreifen könne. Selbst wenn die bloße Bezeichnung „Hinterkosch“ einer „Verunglimpfung“ gleich käme (in diesem entscheidenden Punkt teile er mitnichten die Auffassung der Unterzeichner), so wäre eine simple Protestnote (zumal die Art, in der sie formuliert sei, eher den Eindruck einer unterwürfigen Bitte als den einer nachdrücklichen Forderung mache) bestimmt nicht der geeignete Weg, dem abzuhelfen.

Stitus Fegerson

1 gemeint ist der Hinterkosch

2 siehe diese Ausgabe

Irdischer Hinweis: Zur Vorgeschichte siehe den Artikel „Baldiges Ende des Hinterkosch“? in den Nordmärker Nachrichten Nr. 2.