Fürstenblut vergossen!

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Ausgabe Nummer 27 - Travia 1023 BF

Fürstenblut vergossen!

Prinz wird von Dämonenstreiter schwer verwundet

Im Praiosmond, an den Gestaden von Angbars Grauem See. Die grünschwarzen Wimpel wehten über den stolzen Rössern, blitzenden Panzern, der schimmernden Wehr. Hintan, auf dem Karren, die Labsal der Recken in eichenen Fässern, der Gerste Gold. Hinaus! Dem Mittelland zeigen, was des Koschs Streiter vermögen mit Stärke und Kraft. Herr Blasius, der gütige Fürst, reitet uns voran. Ihm folgen sein zweitgeborener Sohn Edelbrecht, ein tollkühner Rittersmann, die altehrwürdige Fürstinmutter Thalessia (neben ihr, auf einem Berg von Kissen, der Knabe Jarlak von Ehrenstein, der Erbprinz von Tobrien), Graf Jallik von Wengenholm, Graf Growin von Ferdok, und von den Rittern und Getreuen eine kaum zu überschauende Zahl. Wir reisen gen Weiden! Baduar mit uns!

Zu Trallop im Herzogtume Weiden, im Rondramond. In großem Glanze präsentierte sich das Weidner Rittertum, und aus aller Herren Länder waren edle Streiter herbeigekommen, um ihre Lanzen und Schwerter in rondragefälligem Streite miteinander zu kreuzen. Unser guter Fürst selbst war zugegen mit einer erlesenen Schar edler Streiter, deren eifrigster sein eigener Sohn war, Herr Edelbrecht vom Eberstamm.

Bislang hatte sich der junge Prinz wacker geschlagen, und übermütig lenkte er sein Roß an der Reihe der prangenden Schilde entlang, die leise im Winde schwangen. Die Bilder vieler ehrwürdiger Häuser zogen an ihm vorbei; da fiel sein Blick auf das grausige Wappen mit dem schwärzlichen Irrhalken auf Rot, das sich wie ein Mahnmal vor dem efferdblauen Himmel abzeichnete. Von Kampfgeist und einer seltsam verlockenden Lust getrieben, schlug der Recke mit der Lanzenspitze gegen das prangende Holz und Eisen; dumpf tönte der Schlag über den Kampfesplatz.

Als der Rappe wieder bei der kleinen Schar seiner Landsleute stand, sprang der kühne Reiter neben dem Grafen Wengenholm aus dem Sattel; verstimmt bemerkte er die Falten in der Stirne seines Gegenübers.

„Vetter Jallik“, sprach der Eberstammer, „heute will ich dem Wappen meiner Ahnen höchsten Ruhm verleihen! Dem treuen Stahl aus Angbar soll die niederhöllische Wehr nicht trotzen!“

Doch der sonst ebenso kühne Wengenholmer faßte seinen Waffengefährten am Unterarm und sprach leise: „Mein Prinz, seht Euch vor: bislang war Rondra Euch und Eurer Jugend gewogen — doch dieser Gegner nun ist von ganz andrer Art. Und er hat schon zwei wackere Ritter aus dem Sattel gehoben.“

Sprach’s und wies mit der Linken über den staubigen Platz, an dessen anderem Ende der Recke in den Farben des zwölfmalverfluchten Galotta gerade den finsteren Helm über sein leidgeprüftes Haupt stülpte. Den Daimoniden, der sich einer Henkersschlinge gleich um seinen Nacken legte, erkannte man von hier aus nicht, doch jedermann wußte genau, welche Natternbrut Marmwulf von Blaubinge und seinen zwei Gefährten einen fremden, grausamen Willen aufzwang.

Soeben hatten die andern Koscher von der Wahl erfahren, und man drängte sich um den Fürstensohn, um ihm Glück und Rondras Beistand zu wünschen. Während sich noch die Knappen daran machten, die Sattelgurte des Streitrosses (eines feurigen Rappen aus Elenviner Zucht) zu prüfen und die übrigen Waffen ihres Herrn herbei zu tragen, nahte sich der ehrwürdige Garbit von Salzmarken, einer der streitbarsten Diener der himmlischen Leuin und Hauptmann bei des Fürsten tapferen Schlachtreitern.

„Mein Prinz, mit großer Sorge hat Euer fürstlicher Vater vernommen, gegen wen ... nun, er bittet Euch, in dem bevorstehenden Kampf diese Waffe hier zu führen, die vor der Abreise aus Angbar geweiht und gesegnet ward.“

Und er zog unter dem Mantel ein schlankes, doch schmuckloses Schwert hervor, das mehr an den Stahl eines einfachen Kriegers als an die Klinge eines Edelmanns gemahnte. Mit einer gewissen Enttäuschung winkte Edelbrecht seinem Knappen. „Nun, wenn’s so ist, will ich dem Willen meines Vaters willfahren“, sprach er.

Da erklang Hörnerschall, und der Herold rief die nächsten Kombattanten auf das Feld der Ehre.

„Jetzt gilt’s. Mein Roß!“

Das herrliche Tier jedoch wieherte und tänzelte unruhig, als ahne es, gegen welche Mächte es seinen Reiter heute tragen sollte.

„Ho, ruhig, wirst deinen Herrn jetzt in einen großen Kampf tragen“, sprach die Stallmagd beruhigend auf den Schwarzen ein. Aus dem Sattel beugte sich Edelbrecht noch einmal herab und sprach zu dem Sänger Wolfhardt von der Wiesen: „Mein Freund, spannt die Laute, um Euren Prinzen mit einem Siegeslied zu empfangen.“

„Der heilige Baduar mit Euch“, murmelte der Dichter voll düsterer Ahnung. „Knappe, der Prinz braucht noch sein Schwert!“

Lanze, Klinge, Schild ward ihm gereicht, dann rief zum zweiten Mal das Horn...

Staub wirbelte auf, als die beiden Gepanzerten im schnellen Galopp gegeneinander preschten, gesenkt die Lanzen aus rotbrauner Esche – nicht anders tun’s die Bullen mit spitzen Hörnern am Darpatstrand, wenn sie in der Brunst um die scheckigen Kühe streiten. Und wie jene mit den Schädeln aneinanderstoßen, daß es weithin ertönt, so schlug nun tönend der Lanzenschaft gegen den ehernen Schildbuckel, daß die Splitter flogen: Geborsten waren beider Streiter Lanzen.

Eilends ritten sie ans Ende der Bahn, um sich neue Waffen reichen zu lassen. Beim zweiten Gang hielt der Prinz die Spitze ein wenig höher, um über den Schildrand hinweg auf die heranstürmende Feindin zu stoßen.

„Er reitet mit Wut und Haß — das ist nicht gut“, sprach der Fürst eben auf der Tribüne zu Ellerding vom Erlenschloß, dem Hochmeister des Oberangbarer Jagdordens. Dieser nickte. „Es sollte ein Wettstreit unter Edlen sein, nicht ein neuer Kampf gegen den Feind. Wie prüfen uns die Götter...“

Kaum aber hatte er diesen Ausruf getan, da ließ der alte Fürst einen Schrei des Entsetzens folgen: mit dumpfen Aufprall stürzte dort auf dem Feld sein Sohn zur Erde.

Doch auch sein Gegner war zu Fall gekommen. Nur mit größter Mühe rappelten sich die beiden in ihren schweren Harnischen auf, die geborstenen Lanzenschäfte als Stütze nehmend. Mit wenigen Schritten war der Prinz bei seinem Roß und entriß dem Futteral das Schwert — doch weh!

Nicht die Klinge war’s, die sein Vater ihm für den Kampf hatte bringen lassen; der Waffenbursch hatte in der Aufregung und Eile den gewohnten Stahl des Fürstensohnes angebracht. Edelbrechts Augen mochten unter dem engen Visier jedoch funkeln, als er das prächtig schimmernde Heft mit den Löwenpranken erblickte und das gewohnte Gewicht und die Kühle fühlte.

Sogleich drang er auf den Streiter des Dämonenkaisers ein, und die Hiebe prasselten hernieder wie Hagel an einem allzu heißen Tag im Rondramond. Als dann aber unter einer Reihe von raschen Schlägen (Herrn Marnwolf focht im altweidener Stile — oh Scham!) der Prinz Schritt um Schritt zurückweichen mußte, da zeigte es sich, daß er beim Sturze das Bein geprellt haben mochte; so zumindest verkündete es der scharfäugige Graf von Wengenholm seinen bangenden Landsleuten. Plötzlich fuhr ein zuckender Blitz — so schnell kam der Schlag! — in die Ränder des Schildes, und von der Wucht entzwei geschlagen ward das prangende Eberhaupt, das älteste Fürstenwappen im Raulschen Reiche!

Doch unverzagt packte der kühne Prinz sein Schwert mit beiden Händen und führte es zu drei solch wuchtigen Hieben, daß sich die Feindin nur noch hinter ihre hölzerne Wehr zu verbergen mochte. Mit zwei Schlägen nach zwergischer Sitte (eine hierzulande unbekannte Kunst des Fechtens) setzte er nach, der Gegner taumelte und brach links ins Knie. Hinweggefegt wird ihr Schild, Jubel brandet über Kosch und Nordmarks Reihen, aufreißt das Gewölk am Mittagshimmel, und der Herr Praios sendet hinab seinen Strahl.

Und siehe! Wie die prinzliche Klinge funkelt! Teurer Stahl aus Angbars Esse, du hehre Geißel der Schwarzen Lande, senk dich hernieder als der Leuin Richtschwert und ... doch was?! Edelbrecht taumelt! Die Waffe entgleitet der Rechten! Ein Blutstrahl ergießt sich — Eberstamms Fürstenblut! Und rücklings fällt er, rot wird die Rüstung, rot der Wappenrock, rot der Staub all umher.

Mit vorgestreckter Klinge noch kniet die Ritterin, da richtet sie sich auf zu schrecklicher Höhe, reißt sich den Helm von den Locken, furchtbar erglänzt der schwärzliche Leib des Dämonen um Schulter und Nacken. Ein schauriger Triumphschrei entrinnt der vom Wahnsinn gezeichneten Lippe, und Feuer sprühen die Augen in unheil’ger Verblendung. Mit blutiger Klinge stemmt sie den Fuß auf den Leib des gefallenen Prinzen, die tödliche Schwertspitze tanzt an der Kehle.

Für einen Herzschlag steht alles starr. Da erschallt die Stimme der Bärin Walpurga selbst: „Gedenkt der Regeln und der Ehre! Der Kampf ist entschieden. Fort die Waffe!“

Zögernd sinkt die von Dämonenmacht geführte Klinge. Nun eilen die Wundschere, den Prinzen vom Feld zu bringen. Während man ihn auf eine Trage bettet, beugt sich die Siegerin, nun wieder Herrin ihrer früheren Sinne, über den erblassenden Streiter und raunt ihm — so heißt es — Worte der Entschuldigung ins matte Ohr. Dann trägt man den Verwundeten vom Platze in sein Zelt, und es folgen die Edlen aus Baduars Land.

Bald steht fest: die Wunde ist tief, ein klaffender Schlund in der linken Seite, doch ohne Gefahr für das Leben des Prinzen. Grimmig aber trachten die Koscher danach, die Niederlage zu rächen und die Koscher Farben mit neuem Ruhm zu bedecken. Unbeschreiblicher Jubel, als der Prinz schließlich, kaum aus der Obhut der Feldschere entlassen, an seines Vaters Seite getragen wird, will er sich doch dem ritterlichen Treiben weiter folgen.

Solcherart berichtet vom Spielmannsfürsten Wolfhardt von der Wiesen, Edler zu Toroschs Au’ und lange Zeit Gefolgsmann des heldenhaften Prinzen.

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Vorbei war die herrliche Turnei der Herzogin, die Knechte kehrten den Sand der Turnierbahn zusammen … Die edlen Herrschaften aber lud Frau Walpurga zu Bärenhatz nach Baliho, und auch der durchlauchte Fürst vom Eberstamm ließ sich nicht lange bitten. So mochte die Wunde des Prinzen ungestört genesen, bevor man die lange Heimreise gen Kosch antrat, und das Jagen ist Seiner Durchlaucht ohnedies eine Lust. Tatsächlich bewahrte die Geistesgegegenwart des Fürsten und des Herrn Ellerding vom Erlenschloß dort den tapferen Ritter Mandavarwin vor dem Tode, als sie diesen mit ihrer Wegzehrung als Köder aus den Klauen eines ungeheuren Bären befreien konnten.

Der Graf Wengenholms aber drängte die Seinen dazu, in die Heimat zurückzukehren. Denn obschon er selbst, der wenig gereist ist in seinen jungen Leben, gewiß gern noch mehr der Merkwürdigkeiten der Fremde geschaut hätte, wollte er doch das Versprechen erfüllen, das er seinem Lehnsvolk getan hatte, und sich alsbald auf die Hatz nach jenem gefährlichen Wolfsbiest machen, das die Wälder Wengenholms verheerte. Daß das Untier noch nicht gestellt war, dessen war sich Herr Jallik gewiß, seit er zu Trallop bei Firuns Diener Eisbart vorgesprochen hatte und jener auf seine Frage nur sorgenvoll den Kopf geschüttelt hatte. Vorrausgereist waren schließlich auch auf des Fürsten Geheiß Herr Merwerd, der Säckelmeister, und mit ihm jene Ritter, welche die Pflicht nach Hause rief, denn die Erntezeit nahte.