Garetier Schandmaul im Kerker

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 27 - Travia 1023 BF

Garetier Schandmaul im Kerker

Baron Kordan von Geistmark will kein Blöken hören

GEISTMARK. Seit der letzten Rondrawoche schmachtet Maselrich Rosskuppler im Verlies der Geistmärker Burg Halmwacht. Einzig zum Tag der Heimkehr ließ ihn Baron Kordan von Sighelms Halm aus dem Loch ziehen und ans wärmende Herdfeuer setzen - dann ging’s zurück zu feuchtem Stroh und Ratten. In diese bedauernswerte Lage brachte sich Maselrich selbst durch sein loses Mundwerk. Doch beginnen wir von vorne …

Von Anfang an, seit der Baron 144 tobrische Flüchtlinge ins Land holte, gab es Unruhen unter der heimischen Bevölkerung. Zum einen brachten die Neuankömmlinge fremde Sitten mit. So wollten manche lieber Flachs als Rüben pflanzen, und der Herrn INGerimm schien ihnen auch kaum Bedeutung zu haben. Zum andern aber ließ der Baron sie Ödgüter beziehen, wo vor dem Orkenzug wackere Geistmärker gelebt hatten, und manch Bäuerin sah darin das Andenken der Verstorbenen beschmutzt.

So kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Alteingesessenen und Tobriern, die oft in Schlägereien endeten. Einmal wurde gar eine Scheune angezündet, und das tobrische Hirtenmädchen Yandine mußte zwei Nächte an einen Baum gebunden verbringen, bis die Büttel des Barons sie fanden.

Die Geistmärker Landsassen lernten rasch, wie man die hitzköpfigen jungen Tobrier am schnellsten und sichersten in Rage brachte: indem man ihnen rahjanische Freuden mit ihren Schafen unterstellte (ungeachtet der Tatsache, daß der größte Teil der Geistmärker Bauern selbst Schafe hält). Baron Kordan, der dem götterungefälligen Zwist nicht länger zuschauen wollte, erließ ein Verbot: Fünf Taler Strafe sollte zahlen, wer einen Tobrier als Schafschänder bezeichnete. Die Geistmärker nahmen dies erst auf die leichte Schulter. Doch bald zeigte sich, daß der Baron nicht spaßte: Überall hielten die Büttel ihre Ohren offen, und die Kasse füllte sich, bis die Bauern lernten, nur noch hinter vorgehaltener Hand zu spotten.

Eines Tages kam nun der Garetier Maselrich Rosskuppler in die Schenke zu Wengerich und kostete reichlich vom guten Ferdoker. Die Dörfler waren begierig, Geschichten aus dem Außerkosch von ihm zu hören. Maselrich, der im Dienst seines Herrn, des Barons von Nettersquell, schon manche Reise unternommen hatte, kam schließlich auch auf seine Erlebnisse mit den tobrischen Flüchtlingen in Rommilys zu sprechen. „Wißt ihr, was ein Tobrier sagt, wenn sein Schaf von einem Goblin angegriffen wird?“, fragte er die Runde. Die aber wurde mucksmäuschenstill, deutete auf den Weibel der Büttel, der in einer Ecke saß, und erklärte dem Rosskuppler flüsternd den Erlaß des Barons.

„Ei was denn!“, rief da der weltbewanderte Garetier. „Das kann doch wohl nicht sein! Ich selbst habe doch, wie ich im Gefolge meines Herrn am Reichstage zu Cumrat war, den Baron von Geistmark ins Geblöke miteinstimmen gehört, wann immer die tobrische Delegation vorbeizog!“

Erschreckt ob Rosskupplers Unverfrorenheit ließen die Wengericher darauf von ihm ab und sprachen kein Wort mehr mit ihm. Die ungeheuerliche Behauptung, Baron Kordan von Sighelms Halm predige Wasser und trinke Wein, verbreitete sich aber schnell unter den Geistmärkern wie unter den Tobriern - und kam über den Weibel auch Seiner Hochgeboren zu Ohren. Unverzüglich ließ er Maselrich Rosskuppler ergreifen und in den Kerker der Baronsburg werfen. Die Lüge sei infam, sprach der Baron tags darauf zu den Wengerichern, die sich allesamt auf dem Dorfplatz versammeln mußten, und das Schandmaul solle bis auf weiteres nicht mehr das Licht des Herrn Praios sehen, an dessen Willen er durch solche Falschheit gefrevelt habe. Aber wo Rauch ist, ist Feuer, sagten sich die Geistmärker, und der gestochene Esel schlägt aus, und so war das Gerücht auch durch die drakonische Strafe nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Selbige Strafe könnte dem Baron von Geistmark auch noch beachtliches Kopfzerbrechen bereiten. Mitte Travia erreichte nämlich eine Botschaft des Nettersqueller Barons Burg Halmwacht, die dem Vernehmen nach in gehäßigsten Tönen die Freilassung Maselrich Rosskupplers und umfangreiche Wiedergutmachung forderte.

Stordian Mönchlinger