Drifter Fehde - Angriff auf Drift

Aus KoschWiki
Version vom 16. November 2025, 20:51 Uhr von Kunar (D | B)
(Unterschiede) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschiede) | Nächstjüngere Version → (Unterschiede)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


„Und deshalb wird Praios, der Allordnende, immer auf der Seite der Gerechten stehen. Preist ihn und verkündet: Es sei!“ Mit diesem Donnern beendete der Geweihte seine Predigt, und Hakan von Nadoret erhob sich mit dem Rest seiner Truppe. „Mit Praios, es sei!“ hallte es fast wie eine Stimme der Alttreuen zurück. Es war Hakans Idee gewesen, vor der Überquerung des Großen Flusses einen Feldgötterdienst abzuhalten – ein Moment, um Ruhe zu gewinnen, bevor es ernst wurde. Um ihn sammelten sich die Befehlshaber. In der Rüstung des aufgelösten Eliteregiments Raul von Gareth wirkte Hakan fast größer als er war; das glänzende Metall zog die Blicke wie von selbst auf ihn. „Meine Damen und Herren, die Befehle sind gegeben. Noch Fragen?“ Stille. „Dann lasst uns in die Stadt Drift übersetzen und die Fehde heute zum Abschluss bringen. Vorwärts mit dem Segen des Götterfürsten!“ Wilbur, sein Neffe, reichte ihm den kunstvoll geschmiedeten Helm mit der springenden Hirschfigur. „Bist du sicher, dass du im ersten Boot mitfährst, Onkel? Ein hohes Risiko.“ Hakan setzte ihn auf. „Regel Nummer eins der Feldherrenkunst: Verlange nie von deinen Leuten, was du nicht selbst tust. Ich gehe voran, sichtbar für Freund und Feind. Das gibt Mut und schreckt den Gegner.“ Wilbur schluckte. „Wie du befiehlst, Onkel.“ „Bleib mit dem Hirschbanner an meiner Seite – und wir machen diesen Tag groß für unser Haus Nadoret.“ Wilbur schlug sich mit der gepanzerten Faust leicht gegen seinen Brustpanzer und gemeinsam begaben sie sich dann in eines der bereitliegenden Fährboote. Gleich neben den flachen Flusskähnen lag die Nadora vor Anker, die ihnen beim Übersetzen helfen würde und jeden Beschuss aus der Stadt sofort mit schwerem Kaliber zu beantworten. Hakan erhaschte beim Besteigen der Schiffe auch einen Blick auf den Beitrag der Uztrutzer: Neben ein paar Rittern hatte der Landvogt ihm tatsächlich eine Handvoll schwer gerüsteter Zwerge mitgegeben. Wilbur bemerkte den irritierten Blick seines Onkels: „Ambosszwerge. Freiwillige der Sippe Brodabronzasch aus den Blutfelsen“. Hakan nickte mit sichtlichem Unbehagen. Als dann alle Fußkämpfer verladen war, gab Hakan ein Handzeichen, das Nadoreter Banner hob sich kurz zweimal und los ging es. Die Ruderer tauchten mit ihren Paddeln tief ein und schoben sich sofort auf das dunkelblaue Wasser des Flusses hinaus.

Zur gleichen Zeit in Drift

Die Stadt wirkte ruhig. Rauch stieg aus den Herdfeuern, aus den Höfen klang das Muhen der Kühe, das Klappern von Eimern. Die Häuser mit Reetdächern standen weitläufig zwischen Gärten und Viehkoppeln und ließen Drift mehr wie ein großes Dorf wirken als wie eine Stadt. Auf dem Hauptplatz arbeiteten Handwerker im Schatten der Hopfenburg, am Hafen priesen Händler ihre Waren an, und über allem ragte die unvollendete Praioskathedrale – einst geplant, um mit den Tempeln von Angbar und Ferdok zu wetteifern, doch die Türme hatten nie das zweite Stockwerk erreicht, die Kassen waren leer, der Eifer verflogen. Doch die Normalität war trügerisch. Vor den Werkstätten flüsterten die Leute besorgt, trugen Säcke und Krüge in die Keller, Kinder schleppten Eimer mit Wasser. Gestern war Licon an die Alttreuen gefallen: Mit einem Überraschungsangriff hatten sie den Grenzort im Handstreich genommen und die entsandten Zollreiter zurückgeschlagen. In Drift wusste man es längst: Baduar, der Sohn Halmdahls von Sindelsaum, war schweißgebadet und erschöpft eingetroffen und hatte vom Tod der Anführerin und dem Rückzug der Reiter berichtet.

Dicker Nebel hing über dem Wasser und es war so frisch, dass die nervösen Atemzüge der Männer weiße Wolken formten. Viele waren sehr angespannt und das mit gutem Grund. Solch ein Manöver über einen eiskalten, stetig dahin strömenden Fluss war hochriskant und jeder, der vor dem Strand über Bord gehen würde, der war rettungslos in des Flussvaters Armen verloren. Wieder und wieder fuhren die Paddel ins Wasser und dann begann Hakan die Umrisse des Klosters Garrensand zu erkennen. Sie umschifften den markanten Rabenfelsen und mussten nun gleich die Zufahrt zu jenem Altarm erreichen, an dem Drift lag.

„Trommeln!“ rief der Canzler von Nadoret, und sogleich wurde ein schneller Takt angestimmt. „Angriffsgeschwindigkeit, volles Tempo!“ Die Ruder legten sich noch mehr in die Riemen und ihre Boote fuhren mit hohem Tempo in den Altarm ein, direkt in Richtung des Hafens.

Eilige Glockengschläge und Geschrei drang aus der Stadt zu ihnen und Hakan glaubte das mechanische Geräusch von Armbrüsten zu hören. Er hob seinen Schild und das keinen Moment zu früh. Mit einem scharfen Ton schlug ein Bolzen in seiner Verteidigung ein, konnte sie jedoch nicht durchschlagen. Weitere Bolzen sausten heran - Schmerzensschreie, das dumpfe Platschen fallender Körper, überraschte und angsterfüllte Rufe erklangen, doch Hakan brüllte mit energischer Stimme: „Weiter vorrücken!“ Die Nadora neben ihnen stellte sich nun quer und begann mit ihren Bordgeschütze in Richtung der Stadt zu feuern und wenige Augenblicke später krachten die ersten Boote gegen die Holzpflöcke des Kais. Der Nadoreter war der Erste, der von Bord sprang und dann lauthals Befehle gab. „Sichert die Umgebung, Häuser, aus denen geschossen wird, sind zu stürmen, kein Auseinanderfallen!“ Die Alttreuen taten wie geheißen, während sich Hafen und Marktplatz mehr und mehr mit Booten und Soldaten füllte. Hakan versicherte sich gerade, dass das Banner seines Hauses auch gut in seinem Rücken flatterte, als eine weiterer Bolzensalve niederging. „Das Haus der Flussmeister!“ brüllte Harika von Kemlar. Mit zwei Dutzend Mann stürmte Hakan schnellen Schrittes in Richtung des Gebäudes, um es zu umstellen. Ein tapferer, dem Dursteiner Junker aber unbekannter Kämpfer mit dem springenden Hirschen auf seinem Wappenrock hieb mit seiner wuchtigen Handaxt auf das Tor ein, bis ein Teil herausbrach, doch dann erklang der kräftige Ton von zwergischen Armbrüsten und der Mann ging mit Bolzen gespickt zu Boden. Hakan, der sich an der steinernen Wand des Gebäudes positioniert hatte, rief lauthals: „Von Alrichsbaum!“ Der Gerufen kam bald an seine Seite. „Der Beschuss aus dem Haus ist lästig. Stürmt das Gebäude!“ Der Söldnerführer verzog das Gesicht und meinte: „Das wird schwer und da sind wohl Zwerge drin. Sollen wir es nicht lieber ausräuchern?“ Hakan schüttelte den Kopf. „Kein Feuer, das Risiko ist zu groß, dass die ganze Stadt abbrennt. Ihr habt unser Gold genommen und daher erwarte ich jetzt Ergebnisse von euch. Lasst mich sehen, dass der Große Basteybund wirklich eine der besten Söldnertruppen im Kosch ist!“ Der große Mann wirkte nicht sonderlich begeistert, schien aber dem Befehl nachzukommen und eine Angriffstruppe aufzustellen.

Auch aus einem weiteren Haus wurden sie beständig beschossen. Diesmal nahmen sich die Zwerge aus Uztrutz des Problems an. Während ein Teil den Beschuss mit ihren Armbrüsten erwiderte, stürmte der Rest das Haus und sorgte dafür, dass keine weiteren Angriffe erfolgten.

Hakan verschaffte sich derweil wieder Überblick. Das Hafenviertel schien ohne großen Widerstand gesichert zu sein. „Es läuft hervorragend, Onkel.“, meinte Wilbur erfreut. Wir haben sie anscheinend völlig überrascht.“ Hakan war da allerdings nicht so sicher, denn es lief seiner Meinung fast schon zu gut.

Was ihn am meisten verwunderte war, dass das Volk erstaunlich ruhig blieb. Die meisten Drifter schienen sich in ihre Häuser zurückgezogen haben, fast so, als hätten sie den Befehl dazu bekommen. Vielleicht wollte Gascha nicht das Blut von Zivilisten durch sinnlose Halte- und Angriffsbefehle vergossen sehen. Etwas, was durchaus auch in Hakans Interesse war, schließlich hatte er per Todesstrafe das Plündern und Brandschatzen verboten.

Ein lang gezogener Hornstoß riss Hakan aus seinen Gedanken, dem gleich zwei kurze folgten. Hakans Mundwinkel hoben sich etwas und Emer Angunde, die Schwester des Pfalzgrafen von Bodrin-Hardenfels meinte freudig: „Das Signal der Reiter. Sie haben das Bragahner Tor genommen.“ Hakan nickte zufrieden: „Die Familie Neisbeck hat ihr Wort gehalten.“ Der Verrat war zwar nicht billig, aber das Gold doch wert, dachte er.


Zur gleichen Zeit derweil etwas außerhalb in den Randbezirken der Stadt Drift


Erfreut trieb Rodhelm von Hartsteig sein Schlachtross durch das geöffnete Stadttor. Hakan hatte ihnen gesagt, dass seine Agenten innerhalb der Mauern ihnen helfen würden und diese hatten offensichtlich Wort gehalten. Gisbrun von Treublatt wechselte gerade einige Worte mit seinem Gefolgsmann Sephiran von Püscheln und meinte dann mit kräftiger Stimme, „In Ordnung, Alttreue, wir haben alles besprochen. Ich führe den kleineren Trupp zum Hafen, um mich mit Canzler Hakans Truppe zu vereinen. Der andere, größere Trupp reitet unter dem Kommando von Ritter Sephiran zum Sitz der Drifter Zwergenbaronin, um sie festzusetzen! Ihre Ergreifung ist überaus wichtig und wem es gelingt, der wird ein üppiges Kopfgeld erhalten!“

Rodhelm betrachtete die Männer und Frauen an Sephirans Seite und runzelte die Stirn über diese zwielichtigen Gestalten. Doch er schwieg und schlug mit seinem Trupp den Weg Richtung Hafen ein. Ihre Pferde trampelten durch die menschenleeren Straßen von Drift und Rodhelm sah sich erstaunt um. „So wenig Widerstand…“ meinte er verwirrt. „Gut für uns, wenn sich die Drifter nicht wehren.“ meinte die Ritterin von Steinkopf siegesgewiss. Ihr Ritt zum Hafen verlief ohne Widerstand. Dort trafen sie auf Hakan und seine Männer, die gerade ein größeres Gebäude berannten. Gisbrun wollte eben absteigen, als plötzlich ein gewaltiger Lärm auffuhr – das Kreischen von Metall, das panische Wiehern der Pferde und, dazwischen das wilde Gebell zahlreicher Hunde. „Was im Namen der Zwölf war denn das?“, entfuhr es Ritterin von Steinkopf fassungslos, nachdem es wieder ruhiger geworden war. Doch der Rest konnte sich darauf auch keinen Reim machen, daher meinte der Nadoreter nur: „Von Hartsteig, vom Grauen Schild, seht nach und berichtet!“ Die beiden Ritter salutierten zackig, wendeten ihre Pferde und galoppierten in Richtung Zentrum.

Rodhelm hatte ein schlechtes Gefühl – der Weg führte direkt zur Hopfenburg, dem Sitz der zwergischen Baronin. Was sie dort sahen, ließ beiden Männern den Atem stocken: Der Pfad war überzogen von Blut, toten Pferden und Reitern. „Melde dem Kanzler, dass wir hier ein Problem haben“, sagte Rodhelm knapp. „Er soll mit so vielen Männern wie möglich kommen.“ Metzel nickte und ritt zurück, während Rodhelm vorsichtig weiterritt. Bald begann sein Pferd zu scheuen; er band es an und zog Schwert und Schild. Überall lagen verstümmelte Leiber, Blut sickerte die Gasse entlang, und aus den geöffneten Eingeweiden der Pferde stieg warmer Dampf. Der Schnee am Wegesrand war rosig getränkt, und irgendwo scharrte ein verwundetes Tier verzweifelt mit den Hufen, ehe es still wurde. Dann hörte Rodhelm ein Stöhnen. Er fuhr herum, eilte hin und erkannte unter dem Leib eines gefallenen Schlachtrosses das Gesicht Sephiran von Püschelns. „Die Zwergin … sie hat uns erwartet“, keuchte der Ritter. „Die Zwinger – so viele Hunde. Sie haben die Pferde zerfetzt … dann brach sie mit ihren Leuten durch. Wir konnten nichts tun.“ Blut trat ihm aus dem Mund. „Werde ich sterben?“ Rodhelm sah kurz auf die zertrümmerte Hüfte, den fahlen Blick – und nickte. „Was für ein schlechter Scherz“, murmelte Sephiran. „Wir wollten ihr einen Hinterhalt legen – und sie hat uns überrascht.“ Nach einer Pause, kaum hörbar: „Glaubt Ihr, dass der Götterfürst jede Seele retten kann?“ „Wenn Ihr bereut – ja“, erwiderte Rodhelm leise. „Dann hört meine Beichte, von Hartsteig …“ Er begann er mit schwächer werdenden Stimme zu beichten, während sich Rodhelms Augen immer mehr weiteten, fassungslos, was ihm gerade enthüllt wurde.

Schließlich fand die vorrückende Truppe der Alttreuen den Hartsteiger Ritter, wie er gerade Sephirans leblose Augen schloss. „Was im Namen der guten Götter ist denn hier passiert?“ fragte ihn der Nadoreter entsetzt. Rodhelm erhob sich und meinte: „Das ist schwer in Worte zu fassen. Aber ich will es euch so gut wie möglich darlegen.“ Dann berichtete er dem Canzler von Nadoret, was er von Sephiran erfahren hatte und Hakans Augen wurden immer schmaler, je mehr er hörte. Als der Hartsteiger geendet hatte, fluchte der Junker von Durstein wütend. „Diese heimtückische Ratte, sie hat also Vorbereitungen treffen können und ist dann aus der Stadt geflohen. Das muss jetzt ein Ende finden! Wo kann sie hin sein?“, fauchte er in die Runde. Alle sahen sich unruhig gegenseitig an, doch erst sagte niemand ein Wort. Dann trat jedoch Ritterin Emer, die Schwester des Pfalzgrafen nach vorne und meinte vorsichtig: „Da bietet sich wohl nur das Schloss Mirkagarten, südlich der Stadt auf dem Schlossberg an. Es ist von hier aus recht schnell zu erreichen und bietet Platz für viele Bewaffnete. Das dürfte sich aber auch als ziemlich harte Nuss erweisen, denn das Schloss kann gut befestigt werden. Hakans finsterer Blick sprach Bände, doch nun gab es an der unglücklichen Situation nicht mehr viel zu ändern. „Wir marschieren zu diesem Schloss und belagern es noch heute!“, verkündete der Nadoreter. „Aber die Stadt …“ begann Gisbrun, doch Hakan schnitt ihm energisch das Wort ab. „Ist für uns wertlos, solange wir nicht die Baronin in unserer Gewalt haben. Ich werde mich nicht wiederholen. Abmarsch nach Mikagarten, sofort!“ Der Treublatter stutze, salutierte dann aber gehorsam. Die Truppe begann sich erneut zu formieren und dann marschierte man geschlossen in Richtung des Schlossberges, die zahlreichen Banner im Wind wehend.

In Rodhelms Kopf wirbelten unzählige Gedanken, gehetzt von den letzten Worten Sephirans, die wie ein schwerer Schatten auf ihm lasteten. Er musste sich sofort mit Junker Gisbrun beraten – doch das war nur ungestört möglich. In diesem Moment traten einige Männer auf ihn zu. Ihre Blicke waren ernst, die Haltung angespannt. „Euer Wohlgeboren, wir sind Gefolgsmänner von Ritter Sephiran von Püscheln. Ihr wart an seiner Seite, als er starb?“ Rodhelm musterte ihre Gesichter, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Vorsicht war jetzt wichtig. „Das war ich“, sagte er schließlich. „Sephiran hat mir aufgetragen, euch seinen letzten Befehl zu überbringen. Doch das werde ich erst in Anwesenheit von Junker Gisbrun tun. Ihr müsst euch noch gedulden.“ Die Männer flüsterten kurz miteinander, und Rodhelm spürte das Gewicht der Verantwortung wie einen eisernen Ring um seine Brust. Sephiran hatte ihn um einen letzten Gefallen gebeten – einen Gefallen, den er dem Sterbenden nicht verweigern konnte. Aber die Aufgabe war schwer, vielleicht zu schwer. Gedanken daran würde er sich jedoch erst erlauben, wenn diese Fehde ein Ende gefunden hatte. „Eines nach dem anderen“, dachte sich der Ritter vom Hartsteiger Thal, während er gemeinsam mit dem Heer ritt. Die Trommeln gaben einen strammen, unerbittlichen Takt vor – und mit jedem Schlag pochte auch Rodhelms Herz schneller.