Verstoßen und enterbt

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Ausgabe Nummer 58 - Notausgabe - 1035-1038 BF

Verstoßen und enterbt

Freibauer vermacht sein Vermögen dem Dreischwesternorden

GÔRMEL. Vater und Mutter soll man ehren und ihnen nur Gutes tun oder wünschen, denn ihnen danken wir das Leben und noch manches mehr.

Diese gute Lehre der Traviakirche ist weit verbreitet, doch nicht überall fällt sie auf fruchtbaren Boden. Dies zeigte sich jüngst im Gôrmeler Land: Als nämlich der reiche Freibauer Ettel Lobesam des Nachts noch einmal in die Küche ging, um sich an einem Schluck warmer Honigmilch zu laben (denn sein Hals war böse entzündet), da musste er, in der Diele angekommen, durch Zufall mitanhören, wie seine drei Kinder sich schon zu des Vaters Lebzeiten um ihr Erbe stritten.

Und da er von Kindesliebe und Dankbarkeit in ihren Reden keine Spur erkennen konnte, entschloss sich Bauer Ettel noch in jener Nacht zu einem gewagten Schritt: Er enterbte „das undankbare Pack“, wie er sich ausdrückte, und übereignete Haus und Hof dem Dreischwesternorden unter der Bedingung, bis zu seinem (hoffentlich noch fernen) Tode von den Ordensleuten Kost, Logis, Kleidung und Pflege zu empfangen. So hoffe er, da er ja Witwer sei und auf seine Kinder nicht rechnen könne, noch einen angenehmen Lebensabend zu verbringen und gleichzeitig mit seiner Spende an die Guten Göttinnen etwas für sein Seelenheil getan zu haben.

Die drei Enterbten erhoben Klage, doch es nützte ihnen nichts. Der älteste Sohn schrieb sich daraufhin bei den Bergschützen ein, der zweite verdingte sich als Knecht bei einem Nachbarn — die Tochter aber zog hinaus in die weite Welt, um als Glücksritterin... nun ja...

Karolus Linneger