Traumgesichter von Gefahr

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Ausgabe Nummer 35 - 1027 BF

Traumgesichter von Gefahr

Düstere Ahnungen eines Wengenholmers

Es war Mitte Boron in der Greifenfurter Mark. Das Wetter hatte sich verschlechtert, dicke graue Wolken verdeckten die Praiosscheibe, und bald würde der erste Schnee fallen. Es war ein stiller Abend, denn Ruhe war wieder eingekehrt, sah man von den Kriegsvorbereitungen ab. Die Hochzeit des koscher Prinzen und der Greifin, wie sie im Volksmund genannt wurde, lag bereits einige Wochen in der Vergangenheit. Die meisten der Teilnehmer des Brautzuges waren wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Nur der Prinz war zurückgeblieben und mit ihm einige seiner Getreuen, die den Greifenfurtern ihre Hilfe zugesagt hatten gegen den Ork. Denn so mancher Koscher wollte beweisen, daß es den Märkern nicht zum Nachteil gereichen sollte, daß die Markgräfin sich für Edelbrecht enschieden hatte. So hatte eigentlich auch Wolfhart Leon Sigiswart von Aarenfels entschieden. Als einer der Falkenritter sah er sich zudem immer noch dem Prinzen besonders verbunden.

Umso zwiespältiger waren nun die Gefühle, die ihn bewegten, als er den Prinzen in seinem Gemach aufsuchte. Auf der einen Seite eben dieser Treueeid, den er geschworen hatte, seinem Prinzen und den Greifenfurtern beizustehen. Nunja, und natürlich auch noch der eigene Ehrgeiz, den Märkern selbst, allen voran der Dergelsteinerin, zu beweisen, aus welchem Stein Koscher geschnitten waren. Doch dann waren da diese Bilder...

Nacht für Nacht waren sie nun wiedergekehrt, bis der wengenholmer Ritter sich kaum noch zur Ruhe begab und erst spät nachts die Müdigkeit ihn übermannte und erneut dieselben Bilder ihn aus dem Schlaf aufschrecken ließen. Und dann war da noch die Angst. Nicht allein die Angst darum, daß das was er sah, wahr sein könnte. Nein, es war die Angst um den Menschen, der ihm mehr als alles andere bedeutete... Und dies alles, die Träume, die Angst um seine Geliebte und der Kampf, den er in seinem Inneren ausfocht, hatte sein Gesicht gezeichnet. Dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet und insgesamt wirkte er gebeugt und erschöpft.

Gelacht hatte er schon seit Tagen nicht und seinen Gefährten wich er absichtlich aus, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden. So bot der sonst stattliche Ritter also eine erbärmliche Erscheinung, als er vorsichtig an die Tür des prinzlichen Gemachs klopfte und dann nach einer Aufforderung aus dem Inneren des Raumes eintrat. Bevor er es sich anders überlegen konnte, begann er die Worte, die er sich auf dem Weg zurecht gelegt hatte, vorzutragen: „Mein Prinz, ich weiß, daß ich euch meinen Schwertarm versprochen habe für den Kampf gegen die Schwarzpelze an der Seite Eurer holden Angetrauten. Allein, und es fällt mir nicht leicht dies zu tun, ich bitte euch darum, mir diese Pflicht für eine Weile zu erlassen.“

Betreten senkte der Ritter den Blick, um seinem Prinzen und Freund nicht in die Augen sehen zu müssen, fuhr dann aber fort. „Seit etlichen Tagen nun schon sendet mir Bishdariel Wahrträume. Doch nichts Schönes ist‘s, was er mir offenbart. Ich sehe die Leiber der Gefallenen, doch weder in borongefälliger Ruhe, noch liegen sie auf dem Schlachtfeld … nein, sie wanken vorwärts als lebende Tote … untot und unaufhaltsam … geifernd nach den Lebenden, denn diese haben, was sie schon lange verloren... und viele der Ihren sind es, die sich in schrecklicher Prozession aneinanderreihen. Dutzende, Hunderte, Tausende!“

Der Recke schloß kurz die Augen, riß diese aber sogleich schreckgeweitet wieder auf, als hätte er in die Niederhöllen geblickt: „Nichts und niemand kann sie aufhalten, kein Ritter, kein Magier...nicht einmal die festen Mauern bieten Schutz...Welle um Welle brandet heran... der Schildwall wankt, der Schwertarm wird lahm, doch nicht so die Kraft der Niederhöllen. Nein, stets wanken sie vorwärts bis auch der letzte Funken Hoffnung erloschen, der letzte Verteidiger gefallen, das Licht der Lebenden verblasst...“

Wolfhart von Aarenfels war auf die Knie gesunken, schwer atmend hockte er auf dem steinernen Boden der Kammer, seine Stirn war naß vom Schweiß und er schien kaum etwas von seiner Umgebung wahrzunehmen.

Aus dem Traumgesicht seines Gefolgsmannes sprach die Wahrheit, dessen war sich Herr Edelbrecht gewiß. Der Prinz stand aufrecht, bemüht, nicht zu schwanken eingedenk der Ahnen, derer ein Eberstamm sich würdig zu erweisen hatte — amazonengleich: Lorinai! Alphak, glücklos doch ungebeugt! Wagemutig: Ontho mit dem leeren Säckel! Der mächtige Kriegsmann Halmdahl! Und schließlich: der Heilige Baduar, Rauls Waffenbruder und Erster Ritter! Beruhigt legte er dem Ritter die Hand auf die Schulter: „Auf, Wolfhart! Auch ich kann nicht vergessen, wie wir gemeinsam nach der Walstatt am Nebelstein ritten, wo im letzten Kriege so viele brave Reichsleute von den Orks erschlagen wurden. Aber verzagen wollen wir, wenn wir alt und grau wie Schetzenecker Basalt sind! Seht, was ich hier in meiner Hand halte: Botschaft aus Garrensandder Orden Golgaris will Wacht halten wider Ghule und Grabräuber über den Leibern der Gefallenen. Das ist frohe Kunde!“

Die Walstatt am Nebelstein — das war aber auch jener Ort, wo des Prinzen Vater vom Pferd gehauen ward, nachdem 42 seiner 50 Ritter gefällt waren, und bei den Orken in Gefangeschaft geriet. Doch davon schwieg der Prinz, obzwar er sich dessen nun öfter als früher erinnerte.