Von Fehden auf Koscher Art
◅ | Rosenduft und Elbenbausch |
|
Zwiste & Abneigungen der jüngeren Vergangenheit | ▻ |
Von Fehden auf Koscher Art
Vom Streite beinahe um des Streites willen, wie ihn die Almadaner pflegen, war man im braven Koscherland noch niemals angetan. Gewiß, die Umtriebe der Verschwörerbarone oder jüngst der Answinisten sind nicht vergessen und wurden auch so manches mal mit Schwert und Axt blutig ausgetragen. Für gewöhnlich sind regelrechte Fehden jedoch eine Seltenheit: Am ehesten findet man solche Händel noch unter den verhältnismäßig wohlgestellten Baronen, Junkern und Rittern auf den Gütern rund um den Angbarer See bis hinab nach Ferdok. Doch wenn diese untereinander oder mit ihren Luringer oder Ragather Nachbarn in Streit verfallen, dann nach ritterlich garetischer Art und nicht nach heißblütiger — und blutiger — der südlichen Nachbarn. Oder sie tun es ganz auf koscher Art, von der noch zu lesen sein wird.
Denn in den friedliebenden Höhen des Kosch gehören blutige Fehden eigentlich seit der Kaiserlosen Zeit einer Vergangenheit an, die man sich hauptsächlich in spannenden Geschichten bei Pfeife und Bier erzählt. Selbst der aufständische Baronssohn Ulfing von Jergenquell, der durch allerlei Überfälle seit dem ruhmlosen Ende seines Vaters bekannt wurde, scheint sich derweil in Wälder des Nordens zurückgezogen zu haben.
Natürlich geschieht es auch hier hin und wieder, daß Streit vom Zaune bricht, wie etwa bei den Wirtshauskeilereien unter den rauflustigen Bergbewohnern der Grafschaft Wengenholm, die jedoch meist mit blauen Augen und gemeinsam genossenen kühlem Bier enden.
Auch im Adel mag es Zwistigkeiten geben, wie zwischen der Junkerin von Munkelstein, und dem kauzigen Ritter Falk, dem vorherigen Besitzer ihrer Wacht am Großen Fluß. Seit Jahren belagert Herr Falk die kleine Feste Munkelstein — von einem eilig zusammen gezimmerten Holzturm aus. Mittlerweile hat es sich der alte Ritter im Belagerungsturm derart gemütlich gemacht, daß er den eigentlichen Grund der Belagerung, die Rückeroberung seiner alten Wohnstatt, vergessen hat.
Als weiteres gutes Beispiel einer koscher Adelsfehde sei die des ehrgeizigen Junkers Relf von Angenbrück und der streitbaren ritterlichen Schwestern Dania und Vieska von Angenfurten genannt. Seit langer Zeit schon liegen sich die beiden Lehen am Oberlauf der Ange gegenüber, und jeder Bauer der Umgebung kennt die zwei trutzigen Türme, die sich an Süd- und Nordufer gegenüberstehen. Über Jahre hinweg war es die gemeinsame Aufgabe, den Reisenden eine sichere Querung der Furt zu sichern. Als jedoch kürzlich des Junkers Werben um die Hand von Vieska brüsk abgewiesen wurde, war es mit der Eintracht vorbei. Der junge Relf schmiedete den kühnen Plan eine Brücke unweit der Furt errichten zu lassen, deren Zoll er alleine für sich beanspruchen würde.
Den Schwestern wurde bald klar, daß ihre durch eisiges und reißendes Wasser schwer zu überschreitende Furt, von deren Zins sie lebten, schon bald niemand mehr nutzen würde, wenn tatsächlich in der Nähe ein bequem zu benutzender Steg entstünde. In der Nacht vor der Einweihung der neuen hölzernen Angenbrücke aber — sie war bereits festlich mit Blumen und Girlanden geschmückt — schienen offenbar Biber die Pfeiler durchgenagt zu haben, so daß man am Morgen danach nurmehr Trümmer und spitz aus dem Fluß ragende Stümpfe vorfand… Pech für den Junker, so will man meinen, wollte nicht so mancher im Mondlicht die Schemen zweier weiblicher Gestalten gesehen haben, die aus Kisten Tiere ins Wasser ließen.
Bald darauf sollen die gesamten Biervorräte der Angenfurtener Schwestern auf unerklärliche Weise über Nacht verdorben sein — seltsamerweise just am Tag, nachdem ein Braumeister aus Junker Relfs Weiler Angenbrück ein neues Faß in ihren Lagerkeller gebracht hatte. So erzählt man sich mittlerweile fast monatlich eine neue Geschichte über die Streiche dieser drei koscher Niederadeligen, von verdrehten Wegweisern, zugenagelten Toren oder Steine legenden Hühnern. Angeblich sollen bisweilen nicht nur die Dörfler, sondern auch auswärtige Abenteurer in die neckischen Listigkeiten verwickelt worden sein, so daß jeder Reisende vor der Überquerung der Angenfurt gewarnt sei.
Unter den Zwergen des Fürstentums Kosch mag es ebenso selten Streitigkeiten geben, wenn aber einmal Zwietracht herrscht, dauert diese nicht selten Generationen an. Schon vor Jahrhunderten etwa brach zwischen den Sippen der Spuckwansts und der Widerbuschs eine Auseinandersetzung über das Weiderecht an den fruchtbaren Hängen des Hadertales aus.
Die Widerbuschs nahmen für sich in Anspruch, das Tal entdeckt zu haben, die Spuckwansts jedoch waren die ersten, welche ihre Ziegen auf die dortigen Wiesen trieben. Schon bald mündete der Zwist in eine wilde Keilerei, an deren Ende derart viele Angoschim mit blutigen Nasen und Knochenbrüchen das Bett hüten mußten, daß die fürstliche Grenzgrevin in das Tal kam und den Streit mit einem weisen Urteil schlichtete: Fortan sollten die beiden Sippen in jedem achten Jahr in einem Wettstreit entscheiden, wer das Weiderecht für die nächsten Götterläufe innehaben würde.
Über die Art des Wettstreites dürften die Inhaber des Weiderechtes frei bestimmen, jedoch unter der Bedingung, daß es gerecht und unblutig zugehe. Seither sind schon viele Wettkämpfe im Hadertal geführt worden, in unzähligen Varianten. Man erzählt sich von legendären Ochsenrennen, Felsweitwürfen oder Wettessen. Inzwischen kommen sogar Zuschauer von weither, um dieses Duell mitzuverfolgen, das schon lange von einer blutigen Fehde unter Erzfeinden zum geselligen Wettstreit unter befreundeten Sippen wurde, denen es ein Vergnügen ist, immer neue Herausforderungen zu erfinden. Schon jetzt fiebern die Koscher dem bald erneut stattfindenden Zusammentreffen entgegen, sind gespannt, auf welche Weise sich die beiden Sippen diesmal messen wollen, und ob wieder jeweils einen Auswärtigen anheuern, wie vor acht Jahren, als ein weithin gerühmter Zwergenkrieger ein Bierfaß als erster leerte und den Spuckwansts den Sieg sicherte.