Rahjagefällige Harmonie

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Ausgabe Nummer 75 - Rahja 1045 BF

Rahjagefällige Harmonie

Versöhnliches Lebensende eines Geweihten

CELLASTEIN, Rahja 1045 BF. Das diesjährige Seefest hat den Anwesenden in Erinnerung gerufen, dass Rahja mitnichten nur für Rausch und Leidenschaft steht. Auch Harmonie stellt einen wichtigen Aspekt in der Kirche der schönen Göttin dar!

Nachdem letztes Jahr zum ersten Mal Silvana da Galba Geweihte des Seefestes wurde, weil der übliche Kandidat Debrek vom Bach krank geworden war (der KOSCH-KURIER berichtete in Ausgabe 71), machte die Dienerin der Rahja ihr Versprechen wahr und kam nach einem Jahr zurück in den Kosch. Doch auch der Garether Geweihte hatte seine Anwesenheit angekündigt, mehr noch: Er bat alle Rahjageweihten der Provinz darum, dem diesjährigen Seefest beizuwohnen, denn für dieses Mal versprach er etwas ganz Besonderes. Dies sorgte im Vorfeld des Festes bereits für viele Gespräche: Gäbe es Zwist in der Kirche um den Titel des oder der Seegeweihten? Was solle denn dieses Jahr Außergewöhnliches passieren? Schließlich galt die Art des traditionellen Geweihten als altbacken und gerade das vergangene Fest ohne ihn war endlich wieder Aufsehen erregend gewesen. Ob es nun die Spannung oder Freundlichkeit war: Die Diener der Schönen Göttin im Kosch kamen tatsächlich alle der Aufforderung nach, auch wenn das angesichts ihrer geringen Zahl nicht besonders schwierig war.

Als sich Debrek vom Bach der versammelten Menge zeigte, ging ein Raunen durch die Menge: Abgemagert und ausgezehrt wirkte der Mann, wie ein Schatten seiner selbst. Doch in seinen Augen lag ein Glanz, und mit freundlichem Lächeln drehte er sich zu seiner Begleiterin, unter deren Arm er sich eingehakt hatte, so als schien ihm das Gehen schwer zu fallen. Die Zuschauer begannen zu flüstern. Einige erkannten die Dame mit dem rotblonden Haar und den grünen Augen als Brinessa Rahjalieb, die 1030 BF Seegeweihte gewesen war und sich um das Weiterbestehen des Fürstenhauses verdient gemacht hatte. Doch war sie seinerzeit eine schöne junge Frau gewesen, so war sie nun eine Dame, deren Eleganz und Ausstrahlung weiter gereift waren.

Debrek vom Bach bat mit einer Geste die anderen anwesenden Rahjadiener zu sich: Madalein, die Almadanerin aus Grimsaus Ehr, Charine die Rubinrote, die dem einzigen dauerhaft besetzten Koscher Tempel in Rakulbruck vorsteht, den Laienbruder Therunbold von Cellastein – und Silvana da Galba, seine mutmaßliche Konkurrentin. Die Menge verstummte, ohne dass er sie darum bitten musste. Alles wartete gespannt darauf, was nun passieren würde.

Nach einigen freundlichen Begrüßungsworten kam der Garether schnell zum Thema: „Ihr lieben Koscher, es gibt nicht viele von Rahjas Dienern in Eurer Heimat. Doch wie beim Wein kommt es nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität, und alle hier sind würdig, das Wort der Göttin zu verkünden und ihren Geist vorzuleben. Es ist mir wichtig, das einmal gesagt zu haben, und es wird noch wichtiger werden, wenn ich schon bald nicht mehr bin.“ Nun wurde sein Gesicht sehr traurig. „Ja, ich habe erfahren, dass ich nicht mehr viel Zeit auf Dere habe, und man sieht es mir wohl an. Ich habe in den vergangenen Monden so manches Mal mit meinem Schicksal gehadert. Aber das Wissen, dass meine Tage gezählt sind, hat auch sein Gutes: Ich werde nicht plötzlich aus dem Leben gerissen, sondern bekomme von den Zwölfen die Gelegenheit, meine Dinge zu ordnen, und das möchte ich ganz besonders gerne im Sinne Rahjas tun.“

Wieder lächelnd fuhr er fort: „Ich habe über all die Jahre gelernt, dass die meisten von Euch Koschern für gewöhnlich nicht viel von Rausch und Leidenschaft halten – von Bier und der Hingabe zu gutem Essen einmal abgesehen.“ Hier musste die Menge trotz der ernsten Neuigkeiten kurz lachen. „Obwohl wir sterblichen Diener Rahjas angehalten sind, diese Aspekte unserer Göttin zu predigen und vorzuleben, so wissen wir auch, dass wir neue Wege aufzeigen können, aber niemanden zwingen dürfen, sie zu gehen. Doch eines ist Rahja ebenso wichtig wie Rausch und Leidenschaft: Harmonie. Darum ist es im Kosch gut bestellt, sogar besser als anderswo. Wo könnte man Freundschaft und gutes Beisammensein schöner erleben als hier am Angbarer See, wo die Hügelzwerge wohnen?“ Ein Seufzer ging durch die Reihen der Zuschauer.

„Ich möchte heute ein wenig zur Harmonie beitragen. Liebe Silvana, Du hast gezeigt, wie man dieselbe Tradition auf ganz andere Art und Weise ausleben kann, und so habe ich auf meine alten Tage noch etwas gelernt. Ich glaube, es wird dem Seefest gut tun, wenn sich in den folgenden Jahren verschiedene Geweihte einbringen können. Vielleicht können auch andere von Dir lernen, wenn Du erneut das Fest ausrichtest! Brinessa, Du hast mich freundlicherweise auf meiner Reise aus Gareth begleitet. Möchtest Du womöglich einmal wieder Seegeweihte sein? Und wer weiß, was die Geweihten für Ideen haben, die im Kosch leben? Ihr alle seid es wert, Seefestgeweihte zu sein!“

Nun strahlte Debrek vom Bach übers ganze Gesicht. „Doch nun genug der langen Reden! Wir sind hier, um zu feiern! Dankt Silvana da Galba, die sich um so vieles rund ums Fest gekümmert hat und mir dennoch die Ehre überließ, ein letztes Mal Seefestgeweihter zu sein! Ihr lieben Koscher, lasst uns noch einmal in Freude und Harmonie beisammen sein!“

Die versammelten Geweihten fassten sich bei der Hand und sprachen einen Segen über das Fest. Es wurde eine rauschende Feier – so erfolgreich, dass der getreue Chronist sich schwer tut, alle Einzelheiten zu schildern. Doch bleiben einige prägende Erinnerungen: Wie die Rahjageweihten mit Tränen in den Augen und gleichzeitig fröhlich mit Debrek vom Bach sprachen, wie überhaupt dieses Mal weiter mehr als sonst miteinander geredet wurde, wie die ganze Nacht hindurch auch am Ufer getanzt, gesungen und gelacht wurde.

Debrek vom Bach spürte wohl, dass seine Zeit ablief. Er verblieb nach einer letzten Kahnfahrt auf Cellastein und starb, noch bevor der Mond vorbei war. Seinem letzten Wunsch entsprechend wurde er auf der Insel beigesetzt und ein Rosenstrauch auf seinem Grab gepflanzt. Als eine letzte Geste der Ehrerbietung wurde der neu wachsende Strauch von einigen Tränen der verbliebenden Geweihten bewässert.

Gobrom Findling