Der beste Kuchen aller Zeiten?
Der beste Kuchen aller Zeiten?
Ein altes Rezept wird neu probiert
SINDELSAUM, Peraine 1045 BF. In der Backstube des Meisters Murosch Siebenrüb hatte sich an einem schönen Frühlingsabend eine kleine Runde erlesener Gaumen versammelt, um einen Kirschkuchen zu verkosten, der nach dem gleichen Rezept entstanden war wie jenes legendäre Backwerk, an dem Fürst Alphak im Jahre 912 BF fast erstickt wäre. Dieser Kuchen sei nämlich so gut gewesen, dass ihn der Fürst mit großem Genuss und noch größeren Bissen vertilgt habe. So jedenfalls berichteten es einige Hügelzwerge der Baronie, die sich noch an das Ereignis erinnern konnten.
In einem Gespräch mit dem gelehrten Alt-Baron Madrax Sternhagel hatte Meister Murosch durch Zufall herausgefunden, dass das Rezept für den besagten Kuchen im Tempelarchiv zu Salmingen zu finden sei. Darum hatte sich der getreue Dorfweibel und Freund der kulinarischen Künste, Gamsbart Wangenmoos, anlässlich der diesjährigen Hesindefestspiele nach Salmingen begeben, um dort eine Kopie des Rezeptes anfertigen zu lassen. Die Schwiegertochter des Barons, die gescheite Perainhild von Leihenhof, gab freilich zu bedenken, dass Fürst Alphak nicht gerade als größter Feinschmecker aller Zeiten galt und die Sache der Mühe womöglich nicht lohne, aber Meister Murosch war von seinem Vorhaben nicht abzubringen.
Darum kehren wir nun zu diesem Abend zurück, an dem sich eine illustre Runde in Meister Muroschs Backstube versammelt hatte: Da waren der Baron und seine Schwiegertochter, die es sich trotz ihrer Vorbehalte nicht nehmen lassen wollte, den Kuchen zu probieren; hinzu kamen noch Gamsbart Wangenmoos, der das Rezept eigens aus Salmingen gebracht hatte, sowie der einäugige Bannerträger der Baronie, Barthalm von Rohenforsten. Dieser gilt zwar nicht als talentiert, was die Herstellung von Backwerk angeht, aber er verfügt durchaus über einen feinen Gaumen. Den Abschluss bildete der Autor dieser Worte, welcher eher zufällig vor Ort war.
Der Moment war also nun gekommen, als Meister Murosch den dampfenden Kuchen auf den Tisch stellte. Die Runde versank in nahezu heilige Stille, als das Backwerk angeschnitten wurde. Bedächtig kaute jeder der Anwesenden seinen ersten Bissen, und anerkennendes Nicken machte sich breit. Ob es nun der beste Kuchen überhaupt sei, darauf wollte sich niemand festlegen, aber dass er ganz ausgezeichnet schmeckte, darin waren sich alle einig. Und da man ihn langsam und bedächtig aß, kam es auch nicht zu einer Wiederholung des Unglücks, das dem Fürsten seinerzeit zugestoßen war.
Am nächsten Tag traf ich Meister Murosch noch einmal, als ich ein frisches Brot bei ihm erstand. Drei kleine Kinder machten sich gerade über die Reste des Kuchens her. Es waren die Enkel des Barons, die weniger zurückhaltend waren als die Erwachsenen am Abend zuvor. Der kleine Helmbrecht und seine Schwester Thalessia bezeichneten (mit vollem Mund) den Kirschkuchen als „den besten aller Zeiten“. Nur der dreijährige Foldan wollte nicht davon kosten, weil er Pflaumen viel lieber mag als Kirschen.
Meister Murosch berichtete mir, dass auch der Keksbold in seinem Keller den Kuchen als ausgezeichnet befunden hatte; darum werde er fortan das Backwerk in sein Angebot aufnehmen, vermutlich unter dem Namen „Alphaker Kirsch“.