Ein Apfelbaum zwischen zwei Gräbern

Aus KoschWiki
Version vom 15. Oktober 2023, 10:19 Uhr von Kunar (D | B) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{Briefspielindex |Titel=Ein Apfelbaum zwischen zwei Gräbern |Reihe=Kosch-Kurier 39 |Teil=4 |Datum=3.1028 |Zeit= |Autor={{Briefspieler|Benutzer:Wolfhardt|}} |…“)
(Unterschiede) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschiede) | Nächstjüngere Version → (Unterschiede)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier36-.gif

Ausgabe Nummer 39 - Efferd 1028 BF

Ein Apfelbaum zwischen zwei Gräbern

Vom schweren Leid des Schetzenecker Grafenhauses

KOSCHTAL. Wie in Angbar, Fürstenhort und vielen andern Orten, so sieht man auch in Koschtal schwarzen Trauerflor. Verwelkt ist der Blütenschmuck der frohen Feste, die man noch vor kurzem hier zu Ehren der Komtess Iralda und ihres Ehegatten Throndwig feierte. Die hellen Lieder sind dem dumpfen Schweigen des Boronangers gewichen, und das Glück des Hauses Bodrin liegt in Scherben.

Wie der Herr Blasius den Prinzen Idamil, so musste auch Graf Helkor seinen eignen Sohn zu Grabe tragen. Der junge Herr Beregon hatte wie so viele andere Recken wacker in der Schlacht von Angbar gestritten und so manchen Schurken zu Boron geschickt. Als der Sieg bereits errungen war und man die letzten Plünderer auf freiem Feld verfolgte, da traf den kühnen Grafensohn ein Pfeil, von tückischer Mörderhand geschossen, in die ungeschützte Kehle. Jede Hilfe kam zu spät, noch auf dem Pferderücken hauchte der Herr Beregon sein Leben aus, ohne auch nur ein paar letzte Worte, einen letzten Gruß gesprochen zu haben.

Als die Getreuen den Leichnam auf schwarz verhängtem Wagen nach der Feste Scharfzahn vor den Grafen brachten, da sprach Herr Helkor nichts, sondern stand nur schweigend vor der Leiche seines Sohnes. Mochte die beiden zu Lebzeiten nur wenig verbunden haben — umso größer und tiefer scheint nun die Trauer des Vaters zu sein. Mit eigenen Händen, so wurde uns berichtet, habe der edle Graf auf dem Koschtaler Boronanger das Grab ausgehoben, auf seinen eigenen Schultern (mit Hilfe der treuesten Vasallen) habe er Herrn Beregons Sarg getragen. Seither hat man den früher schon verschlossenen und schwiegsamen Grafen kaum mehr zu Gesicht bekommen, außer wenn er spät noch auf den Zinnen steht und in den Abend starrt...

Doch scheint das Maß des Leids den Göttern noch nicht voll genug gewesen: Denn auch Herr Throndwig, der edle Gatte der Komtess Iralda, war in der Schlacht von Angbar auf den Tod verwundet worden. Als er und Junker Nottel vom See versuchten, den Enkelsohn des Fürsten aus der brennenden Thalessia zu retten, war der fürchterliche Alagrimm auf sie herniedergefahren und hatte ihr kleines Boot in Flammen aufgehen lassen. Wie durch ein Wunder war Herr Throndwig mit dem Leben davongekommen — doch um welchen Preis: Furchtbare, unendlich schmerzhafte Verbrennungen entstellten seinen ganzen Leib.

Unbeschreiblich war das Leid und das Entsetzen der Komtess Iralda — bis Frau Marbo eine gnädige Ohnmacht über sie legte, aus der sie erst nach zwei Tagen erwachte. Viele fürchteten nicht minder um ihr Leben (oder ihren Geist) als um das Herrn Throndwigs. Als die Komtess wieder erwachte, war sie jedoch vollkommen ruhig. Sie selbst wolle ihren Gatten pflegen mit all ihrer Liebe, sagte sie. Und wirklich saß sie fortan Stunde um Stunde an dem Lager des Kranken, pflegte und umsorgte ihn oder betete zur Guten Göttin Peraine, sie möge ihren Gatten wieder genesen lassen. Zahlreiche Medici, Wundheiler, Kräuterfrauen, auch Angehörige der magischen Zunft, ließ sie kommen, um Rat oder Heilmittel von ihnen zu bekommen. Doch keiner vermochte zu helfen, zu schwer waren die Verbrennungen; nur aufschieben und verlängern konnte man die Leiden des edlen Recken, der nur selten aus seinen Fieberträumen erwachte.

Wie viele Gottesdienste wurden in den Tempeln ringsumher abgehalten, wie viele Fürbitten stiegen auf nach Alveran zur Guten Frau Peraine, zur Ewigjungen Tsa, zu allen Heiligen und Nothelfern! In ihrer Verzweiflung gelobte die Komtess sogar, sich zur Priesterin Peraines weihen zu lassen, wenn die Herrin nur ein Wunder vollbringen würde.

Doch vergebens: In der Nacht vom letzten Praios auf den ersten Rondra, als nicht nur Uthars Pforte, sondern auch die Tore zu der Halle der Helden weit offen standen, rief die Himmlische Leuin Herrn Throndwig zu sich. Ein letztes Mal, so wurde uns berichtet, habe er die Augen aufgeschlagen. Wenigstens der Abschied war den beiden Liebenden vergönnt, und so erfuhr der Sterbende noch, dass die Komtess von Tsa gesegnet ist: Sein Kind trägt sie unter dem Herzen, seinen Erben. Glücklich lächelnd über diese Nachricht entschlief er nach lang währendem Leiden in den Armen der treuesten und warmherzigsten Frau, die es im Schetzenecker Lande je gegeben hat. Neben seinem Schwager Beregon wurde er beigesetzt, und Frau Iralda pflanzte zwischen den beiden Gräbern einen Apfelbaum, wobei sie sprach: „Seine Früchte soll mein Kind einst pflücken und dabei seines heldenhaften Vaters gedenken, den es nie gesehen hat.“

Karolus Linneger, nach Berichten aus Koschtal