Berichte von der Keilerkompanie - Ein geheimes Treffen

◅ | Das Willkommensfest |
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Die Entscheidung des Fürstensohnes | ▻ |
Haunerhof, Auersbrück, Rondra 1048
Es war ein angenehmer Sommerabend. Ardan von Bärenstieg blickte den Pfad entlang, der zum Haunerhof führte. Dort wurden langsam aber sicher einige Reiter und Fußsoldaten sichtbar. Das war sicherlich Eberhard von Vardock mit seinen Söldnern. Der Söldnerführer hatte dem Borrewaldbund eine Nachricht zukommen lassen und um ein Treffen gebeten. Ardan war äußerst misstrauisch gewesen und hatte sogleich einen Hinterhalt vermutet, aber Eberhelm und Ferk hatten vor Jahren mit Eberhard in der Schlacht auf dem Schönbunder Grün gekämpft und hatten Ardan versichert, dass man Eberhard zumindest soweit trauen könnte, um sich mit ihm zu treffen. Sie hatten dennoch einige Vorkehrungen getroffen. Alphak, Kundro und Morena hatten sich im nahen Borrewald versteckt und würden die Söldner aus dem Hinterhalt niederschießen, wenn diese schlechte Absichten haben sollten.
Ferk hatte den Haunerhof als Treffpunkt ausgesucht, hatte ihm der Bauer Bolzer Straunhaun doch schon des Öfteren Vorräte verkauft, ohne dabei irgendwelche Fragen zu stellen, so waren sie auf den Hof am Rand des Borrewalds als Treffpunkt verfallen. Sie hatten sich mit Eberhard geeinigt, jeweils zu sechst zu erscheinen, und zumindest daran hatten sich beide Seiten gehalten, wenn man von Alphaks versteckter Truppe einmal absah. Drei der Söldner standen draußen vor dem Hofeingang Wache, der Rest war wohl schon drinnen. Ardan gab den drei Mitstreitern des Bundes ein Zeichen und sie stellten sich an die andere Seite der Tür. „Seid wachsam“, meinte Ferk noch, dann betraten er und die beiden anderen Ritter das Gebäude.
Die Verhandlungen fanden in der guten Stube des Bauern statt. Nach einer vorsichtigen Begrüßung gab es ein paar Krüge Rübfolder Rauchbier und Eberhard kam auf den eigentlichen Grund des Treffens zu sprechen. „Wie ihr wisst, stehe ich derzeit im Dienst des Prinzen Erlan. Der junge Prinz hat hochfliegende Ziele und will auch euren Bund ausmerzen.“ Eberhard legte eine kurze Pause ein. „Ihm ist sicherlich nicht bewusst, dass er es hier durchaus mit ehrenhaften Rittern zu tun hat und nicht mit einer gemeinem Räuberbande. Wie dem auch sei. Mir und meinen Leuten ist nicht daran gelegen, einen blutigen Bruderkrieg auszufechten, daher möchte ich einen Waffenstillstand vorschlagen. Ihr geht uns aus dem Weg und wir stellen uns bei der Jagd nach dem Borrewaldbund nicht besonders geschickt an.“
„Also eine Art heimlicher Waffenstillstand?“, fragte Eberhelm von Treublatt. Eberhard nickte. Die drei vogelfreien Ritter wechselten kurz Blicke, dann schlug Ferk von Alrichsbaum ein und die anderen beiden Ritter folgten seinem Beispiel. Diese Abmachung hatte für beide Seiten eigentlich nur Vorteile. „Mehr Bier, wir haben etwas zu feiern“, rief Ferk und die Ritter stießen an. Der Bauer Bolzer trat ein, statt eines Bierkruges schob er aber eine junge Magd und einen jungen Burschen vor sich her. „Wenn die hohen Herrschaften feiern möchten, habe ich hier noch etwas. Gegen eine kleine Aufwandsentschädigung, versteht sich.“ Dabei tätschelte der Bauer den Hintern des jungen Knechts und stieß die Magd nach vorne. Eberhard zog sie sogleich an sich heran und platzierte sie unsanft auf seinem Schoß. Die junge Frau stieß einen kleinen Schrei aus, aber ein Blick ihres Bauern genügte, um sie verstummen zu lassen.
Ardan war mehr und mehr Blut ins Gesicht geschossen, je länger er dem Geschehen zusah. Dieser bemitleidenswerte Jüngling war wohl im selben Alter wie seine beiden Söhne. „Hier vergeht sich niemand an irgendwem“, rief er erhitzt. „Ach komm, jetzt stell dich nicht so an. Oder sind dir mit deiner Frau auch die Eier verloren gegangen?“, entgegnete Eberhard und zog die verängstigte Magd näher an sich heran. „Da ist schon genug für uns alle da“, verkündete er anzüglich und griff der Magd in den Schritt.
Anstatt ihm zu antworten, zog Ardan seine Axt aus seinem Gurt und schlug sie Eberhard mit voller Wucht in den Hals. Der Söldnerführer hatte keine Zeit zu reagieren und war sofort tot. Blut spritzte in einem Schwall aus seinem Hals, während er gurgelnd zu Boden ging. „VERRAT!“, rief jemand und der Ruf wurde sogleich von beiden Seiten aufgenommen.
Neben dem sterbenden Eberhard sprang einer seiner Söldner auf und griff nach seinem Schwert. Ardan schwang seine Axt nach ihm, der Mann versuchte ihm auszuweichen, was ihm auch fast gelang, dennoch bohrte sich die Axt in die Schulter des Mannes. Er schrie und bevor er noch weiter reagieren konnte, hatte Ardan ihm die Axt aus der Schulter gerissen und seitlich in den Kopf gehauen. Hastig blickte er sich um. Eine Söldnerin bedrängte Ferk. Ardan zögerte keinen Augenblick und schlug der Frau die Axt von hinten in den Kopf. Der Schlag war nicht tödlich, aber Ferk stach ihr nun von vorne in den Bauch. In der Stube des Bauern waren alle Söldner tot. Ardan und die übrigen Ritter rannten nach draußen, doch dort war bereits alles vorbei. Die Vardocker waren von Pfeilen und Bolzen niedergestreckt worden. Morena, Alphak, Kundro und ihre Leute kamen aus ihren Verstecken hervor und gingen unter den toten und sterbenden Söldnern umher und machten denen den Garaus, die noch atmeten.
Ardan ging zurück in den Innenraum. Von dem Bauern war weit und breit nichts zu sehen. Wenn er nicht ganz närrisch war, hatte er sich aus dem Staub gemacht. Der Jüngling und die junge Magd saßen noch da. Die junge Frau war mit ordentlich Blut bespritzt, aber es schien nicht ihr eigenes zu sein. „Seid ihr verletzt?“, erkundigte sich Ardan. Die beiden verneinten. Sie standen ganz offensichtlich unter Schock. „Wie heißt ihr?“, fragte Ardan. „Ich bin Alrik Wackernagel und das ist Vieska Firninger“, erklärte Alrik stockend. „Wir sind beide Waisen. Der Bauer hier hat uns aufgenommen, aber er hat uns nie gut behandelt. Oft gab es Schläge und manchmal auch mehr.“ Alrik verstummte. „Ich bin Ardan von Bärenstieg. Wie du sicher weißt, ist der Borrewaldbund ein Bund von Vogelfreien, aber nur weil wir vogelfrei sind, sind wir noch lange nicht ehrlos. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch uns gerne anschließen, wenn nicht, würde ich euch aber dringend empfehlen, von hier zu verschwinden, bevor die anderen Vardocker nach ihrem Hauptmann suchen.“
Bald darauf zogen die Streiter des Borrewaldbundes von dannen. Die toten Söldner hatten sie ausgeplündert und fein säuberlich an der Wand des Heuschobers aufgereiht. Darüber hatte jemand folgenden Schriftzug gemalt: „Ehrlose Schänder vom Borrewaldbund gerichtet!“ Den Hof hatten sie ebenfalls geplündert, aber nicht in Brand gesteckt, um die Vardocker nicht früher als nötig zu alarmieren. Alrik und Vieska hatten nicht lange überlegt und sich bereits dem Bund angeschlossen, und so zog die gesamte Gruppe in der Abenddämmerung in den Wald, um Abstand vor möglichen Verfolgern zu gewinnen.