Berichte von der Keilerkompanie - Das Willkommensfest

Harzklamm, Albumin, Rondra 1048
Die Kompanie erreichte Harzklamm in den letzten Stunden des Tages. Der Wehrturm, der nun ihre neue Heimat sein sollte, ragte düster über einige Bauernkaten auf, die sich an seine Mauern duckten. Ein kalter Wind trug den Geruch von Holzrauch und altem Stroh heran. Vor den Hütten hatten sich die Bewohner versammelt – Männer mit wettergegerbten Gesichtern, Frauen mit misstrauischen Blicken, Kinder, die sich hinter den Röcken ihrer Mütter versteckten. Doch als Erlan vom Eberstamm, der Erbprinz des Kosch, mit Hauptmann Viburn von Rohenforsten an der Spitze ritt, neigten sich die Dorfbewohner ehrerbietig.
Trotz der bescheidenen Mittel hatte der alte Kastellan ein kleines Fest vorbereitet. Eine dürre, zähe Ziege drehte sich am Spieß, einige Fässer Dünnbier waren aufgestellt, Brot und gekochtes Kraut stand auf den Tischen. Ein paar Musiker spielten auf, doch die Feier wirkte so ausgemergelt wie die Landschaft. Viburn nahm es mit Fassung, lobte die Gastfreundschaft und ließ die Kompanie antreten, um die Befehle für den Abend zu verkünden.
Da ertönte plötzlich das schrille Quieken eines Schweines, gefolgt von wütendem Geschrei. Eine der Dorfältesten, eine hagere Frau mit verkniffenem Mund, schrie auf: „Das Vieh! Mein bestes Vieh!“
Zwischen zwei Hütten standen einige Soldaten, und mittendrin ein grobschlächtiger Kerl mit vernarbtem Gesicht und irrem Blick. Gero Eisenbrecht, ein Kriegsveteran des Kaiserlichen Heeres, hatte ein Schwein am Hinterlauf gepackt und hielt ein Messer in der anderen Hand. Sein Blick war unstet, sein Kopf rot vor Zorn. „Habt ihr je Hunger gehabt, ihr Lausebengel? Richtigen Hunger?“, knurrte er. „Das hier ist ein Fest, oder? Also gibt's Fleisch!“
Die Bauern rückten besorgt näher, doch niemand wagte es, sich einzumischen. Ein paar der jüngeren Soldaten lachten verhalten.
Gero hielt das Schwein, dass wie wild kreischte, noch immer am Bein gepackt, sein Messer zuckte in der anderen Hand. Sein Blick irrte zwischen den Bauern umher, als suchte er einen Grund, um loszuschlagen. „Ihr versteht das nicht“, knurrte er. „Ich habe in Wintern gekämpft, in denen wir Leder kochen mussten, um etwas im Magen zu haben. Und ihr lasst hier ein Fest steigen und behaltet das beste Fleisch zurück!“
Die Bauern sagten nichts, doch ihre Gesichter waren finster. Einer der jungen Soldaten kicherte nervös. Da trat Viburn vor:
„Leg das Messer weg, Eisenbrecht.“ Der Soldat war ihm in den letzten Tagen bereits durch sein aggressives Verhalten aufgefallen. Nun war für den Hauptmann die Zeit gekommen, disziplinäre Maßnahmen zu ergreifen.
Einen Moment lang regte sich nichts. Dann lockerte sich Geros Griff, und das Schwein stolperte laut quiekend davon, in die Dunkelheit der Nacht. Doch Geros Finger krampften sich noch um das Messer, als ob er es nicht hergeben wollte.
Viburns Stimme schnitt durch die kalte Luft wie eine Klinge. „Hier frisst man nicht einfach, was man greifen kann. Und du wirst lernen, dass man sich nicht nimmt, was anderen gehört.“
Gero atmete schwer durch die Nase aus. Sein Blick war trotzig, doch er schwieg.
Viburn musterte ihn einen Moment, dann wandte er sich an zwei Soldaten. „Steckt ihn in den Zwinger. Und morgen früh will ich ihn im Morgengrauen antreten sehen – mit denen, die sonst keiner haben will.“
Die Soldaten traten vor, packten Gero an den Armen. Er spannte sich an, als würde er sich wehren, dann lachte er laut:
„Der Zwinger, ja?“, brüllte er, als sie ihn abführten. „Hätte schlimmer kommen können.“
Viburn sah ihm nach und schüttelte kaum merklich den Kopf. Dann wandte er sich an die Bauern. „Das Vieh gehört euch. Und was hier geschehen ist, wird nicht wieder vorkommen.“
Die Stille hielt einen Moment an, dann nickte der alte Kastellan. „Gut.“
Die Feier wurde fortgesetzt, doch die Unbeschwertheit war dahin.