Die steinernen Ahnen

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Ausgabe Nummer 72 - Efferd 1045 BF

Die steinernen Ahnen

Von einem alten Bestattungsritus der Angroschim

Aus Dankbarkeit nach den Grunsbirner Geschehnissen auf dem Zwölfergang (der KOSCH-KURIER berichtete in Ausgabe 68) hatten die Geweihten Marbolieb Tempeltreu und Xuronim Sohn des Xerosch ein Buch über Heiligtümer im Kosch angekündigt. Es soll den Titel „Schweigendes Feuer – Pilgerwege des Angrosch und des Boron durch den Kosch“ tragen. Dem KOSCH-KURIER liegen bereits Auszüge vor, die wir der geneigten Leserschaft vorstellen möchten. Im vorliegenden Teil geht es im Arbacher Land zu den steinernen Ahnen.

„Heute zieht es Marbolieb und mich in meine Heimat ins Arbacher Land. Der schwierige Aufstieg im verschneiten Bärenfang sorgt dafür, dass wir erst am späten Nachmittag und ziemlich durchgefroren unser Ziel erreichen.

Mit dem Blick auf den Blutigen Arbach, der uns im Sonnenuntergang wieder einmal – und immer wieder – Ehrfurcht vor den Wundern Angroschs einflößt, öffnen sich die Tore Xagihra-Pfortes. Begrüßt werden wir von meinem Freund und Glaubensbruder Oschtror Sohn des Ongrax, der hier lebt und dessen Arbeit der Grund ist, bei einem angroschgefälligen Pilgergang unbedingt das hiesige Heiligtum zu besuchen. Doch bevor wir hinabsteigen, werden wir herzlich bewirtet und verbringen den Abend mit dem Erzählen von Neuigkeiten. Erst am nächsten Morgen verlassen wir die Tempel- und Wohnebene, um die unteren Ebenen zu besichtigen.

Xagihra-Pforte wurde gerade erst vor hundert Jahren – ich war damals ein junger Angroscho - von erzzwergischen Sippen übernommen, die die alte hügelzwergische Siedlung nach mehreren Jahrhunderten wieder bewohnbar machten. Noch immer sind Teile der Stadt nur spärlich bewohnt oder sogar komplett unbenutzt. Auch Marbolieb erkennt sofort, dass die Stadt einst deutlich belebter war.

In der untersten Ebene angekommen, finden wir schließlich eine Halle, an deren metallenem Tor „Ewige Esse“ steht. Dahinter befindet sich jedoch kein Feuerschacht, wie man gemeinhin vermuten würde. Stattdessen sieht man sich, wenn man das Tor durchschritten hat, in einer großen Halle fast dreißig Statuen gegenüber, die größtenteils alte Angroschim darstellen. Bei genauerer Betrachtung kann man jedoch erkennen, dass es sich nicht um aus dem Stein gemeißelte Figuren handelt, sondern vielmehr um zu Stein gewordene Zwerge!

Auf diese Weise wurden die ehemaligen Bewohner auf dem Weg in Angroschs ewige Esse präpariert. Wie diese Form der Bestattung genau vor sich ging und wer diese Kunst beherrschte, weiß heute niemand mehr. Und selbst Marbolieb kennt diesen Ritus nicht, obwohl sie stundenlang über die verschiedensten Bestattungsformen referieren kann. Aber vielleicht wird dieses Rätsel einst gelöst werden; denn in den angrenzenden Handwerkshallen fand man Aufzeichnungen von allerlei mineralischen und mykologischen Experimenten, und fast so lange wie Xagihra-Pforte wieder bewohnt ist, arbeiten der Angroschgeweihte Oschtror Sohn des Ongrax, die Mykologin Angralga Tochter der Augrata und die Prospektorin Elmescha Tochter der Elzula an der Entschlüsselung dieser Kunst.

Die steinernen Ahnen in Xagihra-Pforte sind weder ein bedeutendes noch ein bekanntes Heiligtum. Auch erscheint es zunächst fremd, die Ahnen nicht in einem Feuerschacht zu bestatten. Doch steht man ihnen Aug in Aug gegenüber, spürt man unweigerlich Angroschs Hauch der Ewigkeit.“