Auersbrücker Fehde - Mathilds Ermittlungsarbeiten
◅ | Ein Toter, ein Salm und ein heiserer Graf |
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Hoffnung für ein gefallenes Haus | ▻ |
Lager vor Burg Bärenstieg, Firun 1047 BF
„Mein Herr, Graf Jallik,“ verkündete Mathild mit ernster Miene und legte ihrem Lehensherr einige Dokumente auf den Schreibtisch, „mein Abschlussbericht zum Mord an dem Auersbrücker Krumbold Auersheimer.“ Irritiert blickte der so Angesprochene auf die Vielzahl an Blättern und dann wieder zu der schlanken Frau mit den beiden Zöpfen aus seiner Grafenschar. Nach dem erwähnten Mord hatte er sie damit beauftragt, Nachforschungen anzustellen, doch damit hatte er wahrlich nicht gerechnet. „Erstens, danke dafür, Mathild, aber das werde ich auf keinen Fall alles lesen, und zweitens, seit wann kannst du denn bitte schreiben?“ Die Frau lächelte verschmitzt angesichts seines Gesichtsausdrucks und meinte: „Kann ich nicht, ich hab einen Schreiber in Beschlag genommen, damit er dies für Euch zusammenschreibt. Ihr hättet den armen Mann jammern und fluchen hören sollen.“ Über das ernste Gesicht des Grafen huschte ein knappes Lächeln und genau darauf hatte Mathild gehofft. Hier galt es anzusetzen. „Zusammengefasst ist das Ergebnis, wie Ihr auch schon vermutet habt, dass die Mörder aktuell wohl nicht gefunden werden können.“ Das Lächeln verschwand aus den Zügen des Grafen. „Das habe ich befürchtet. Jetzt habe ich eine äußerst zornige Sendschaft, deren Sprecherin meine bereits arg geschundenen Nerven noch weiter strapazieren wird. Aber du sagtest die Mörder, bist du dir auch sicher, dass es sich nicht doch nur um einen einfachen Überfall handelt, der schrecklich schief gegangen ist? Schließlich war das Opfer doch ausgeraubt worden.“
Mathild lehnte sich zurück und begann aus ihrem Gedächtnis alles zu erklären. „Die geleerte Geldkatze halte ich nur für einen Trick der Mörder, um abzulenken. Worauf basiert meine Annahme? Erstens der Salm, dieses Zeichen ist zu eindeutig und würde wohl nicht von einem einfachen Räuber verwendet werden. Da wollte jemand wohl eine Warnung hinterlassen. Zweitens wurde das Opfer zwar augenscheinlich ausgeraubt, aber nur sehr schlampig. So hatte der gute Krumbold noch ein recht ansehnliches Amulett um den Hals und ein kleines Versteck für Münzen in seinem rechten Stiefel. Geübte Räuber wissen so etwas. Des Weiteren, warum sollte man ihn nicht von Kopf bis Fuß ausplündern, wenn man ihn schon umgebracht hatte. Seine Stiefel alleine würden schon einen guten Preis geben.“
Der Graf setzte sein Kinn auf seine beiden Hände und meinte: „Vielleicht wurde er überrascht und musste verschwinden?“ Die Spurenleserin schüttelte den Kopf. „Wenn dem so wäre, hätte sicher jemand etwas gesehen oder gehört. Aber ich konnte von niemanden dazu etwas in Erfahrung bringen. Und ich hab viele Leute befragt.“ Der Wengenholmer nickte und meinte: „Gut, was ist mit der Mordwaffe?“ In einer schnellen Bewegung griff Mathild in ihren Gürtel und brachte ein längliches Messer zum Vorschein. „Ich habe einige Tage danach gesucht und nur dank den Spürhunden konnte ich es finden. Man hatte es im Wald entsorgt, aber den Geruch von Krumbolds Blut konnte man nicht mehr ganz loswerden.“ Erfreut griff der Graf danach und besah sich das Mordwerkzeug genau. Dann meinte er aber enttäuscht: „Das ist ja nur ein gewöhnliches Fleischermesser. Und drauf geschrieben steht auch nichts.“ Mathild nickte. „Absolut zutreffend. Mir hätte es auch besser gefallen, wenn „Eigentum von Charissia von Salmingen“ darauf gestanden wäre, aber so einfach wollten es die Mörder auch nicht machen. Das hier ist ein Messer, wie man es von jedem Krambold bekommt. So hätte ich auch meine Mordwaffe besorgt, am besten auf einem belebten Markt, und nach dem ersten Einsatz sofort wieder entsorgt.“ Graf Jallik betrachtete das Messer angewidert und legte es anschließend weg.
„Also hier auch keine Spur. Nun aber verrate mir, wie du darauf kommst, dass es mehrere Mörder waren. Hast du mit deinen scharfen Augen Spuren am Tatort gefunden?“ Die Fährtenleserin verzog das Gesicht und meinte: „So zertrampelt, wie dort alles war, hätte wohl jeder Fußabdrücke gefunden, doch von wem die alle sind, mag nur Praios selbst erkennen.“ Dann blickte sie ihrem Herrn wieder in die Augen und meinte: „Nein, ich bin darauf gekommen, weil ich die Wunden des Toten untersucht habe.“ Graf Jalliks Augen wurden größer. „Das müsst ihr erklären.“ Die Frau mit den beiden Zöpfen strich sich verlegen durchs Haar. „Ehrlicherweise hatte ich Hilfe. Der Feldscher der Sindelsaumer ist mir zur Hand gegangen. Seine Untersuchung hat ergeben, dass die ersten Stichwunden an dem Toten nicht gleich tödlich waren und sie wurden nur mit einer Hand ausgeführt. Das deckt sich mit dem kurzen Griff des Messers und der Tiefe der Verletzungen.“ Graf Jallik hob eine Augenbraue, unterbrach aber die Erläuterungen seiner Gefolgsfrau nicht. „Laut dem Feldscher wurde der arme Kerl förmlich abgeschlachtet. Die Treffer befanden sich im Magen, der Niere, der Leber und der Lunge. Alles Verletzungen, die unweigerlich zum Tod führen, welcher aber nicht sofort eintritt. Es galt wohl, den armen Kerl möglichst lange leiden zu lassen.“ Der Wengenholmer schüttelte etwas geschockt den Kopf und meinte: „Aber was lässt dich nun denken, dass es mehrere waren?“ Mathild legte nun ihren Zeigefinger aufs Kinn. „Nehmen wir einmal an, ich hätte ein Messer wie dieses bei mir und möchte Euch ermorden. Wo würde ich hinstechen, damit es keinen Lärm gibt und Euer Tod sicher ist?“ „In den Hals“, meinte der Graf tonlos und die Fährtenleserin nickte „Eine Stelle, wo sich keine einzige Stichwunde fand, aber Hautabschürfungen. Ich gehe davon aus, dass der Mörder sein Werk nur so ausgiebig vollbringen konnte, weil ein oder mehrere Personen den armen Krumbold festgehalten haben. Der Mann war schließlich ein erfahrener Kämpfer, dass ihn eine einzelne Person so in Schach halten kann, wage ich doch zu bezweifeln. Außerdem, wenn man mir ein Messer so in die Därme rammt, dann würde ich schreien wie am Spieß. Aber das konnte er wohl nicht ...“ „... weil ihm jemand Drittes den Mund zugehalten hat“, vollendete der Graf tonlos.
Der Graf von Wengenholm tippte nun mit seinen Fingern auf die dicke Tischplatte. „Das gefällt mir immer weniger, Mathild. Hast du denn etwas zu dieser Frau herausgefunden, mit der das Opfer zuletzt gesehen wurde?“ Die so Angesprochene zuckte nur mit den Schultern. „Ich hab die Leute befragt, vor allem die, welche meinten, den Auersheimer zuletzt gesehen zu haben. Aber die Beschreibungen sind äußerst wage. Eher klein, schlank, schwarze Haare, gutaussehend. Wenn ich das herunterbreche, haben wir allein in diesem Lager wohl mehr als 50 potentielle Verdächtige. Und wenn diese verdächtige Frau da wirklich mit drin hängt, ist sie wohl schon über alle Berge, oder zumindest würde ich das so machen.“
„Und weitere Anhaltspunkte?“, erkundigte sich der Herr des nördlichen Kosch bei seiner Gefolgsfrau. „Der gute Krumbold war nicht sonderlich beliebt, also gibt es da keinen Mangel. Untergebene, die er arg geschunden hat, die Alttreuen, die sich rächen wollten, vor allem natürlich das Haus Salmingen. Aber eine direkte Verbindung kann ich da fast nicht herstellen. Es gäbe da natürlich Hochwohlgeboren Hagen von Salmingen-Sturmfels, den neuen Vorsteher des Orkenwehrtempels der Rondra. Allerdings fällt es mir schwer zu glauben, dass ein Rondra-Geweihter zu solch einem Verbrechen in der Lage wäre.“
Graf Jallik durchdachte das Gesprochene nochmal und stöhnte dann erschöpft. „Also ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass der gute Hagen hier seine Hand im Spiel hat. Die Wehrmeisterin lobt seine rondrianischen Tugenden in den höchsten Tönen. So jemand würde niemanden hinterrücks meucheln oder einen solchen Auftrag erteilen. Bei den restlichen Familienmitgliedern der Salminger bin ich mir zwar nicht ganz so sicher. Aber wir haben nichts gegen diese in der Hand. Nur Vermutungen und einen Salm im Mund des Opfers. Das reicht nicht, um sie richtig zu befragen. Die Familie und wahrscheinlich auch deren Lehensherr, Graf Growin, würden mir die Niederhöllen heiß machen, wenn wir sie offiziell dazu befragen und so in die Nähe von Verdächtigen rücken. Vor allem, wenn sich dann der Verdacht als gegenstandslos erweist. Außerdem, vielleicht handelt es sich bei dem Salm nur um eine falsche Fährte?“ Mathild zuckte mit den Achseln, senkte ihren Blick und meinte: „Das ist auch meine Einschätzung. Ich würde den Auersbrückern sagen, dass wir alles daran setzen, diese Frau aufzuspüren, mit der Krumbold zuletzt gesehen wurde. Ich kann mich dann im Lager weiter umhören und auch die Personen befragen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der beschriebenen Dame haben, alles natürlich inoffiziell.“ Der Graf verschränkte seine Arme und meinte: „Dies wird den Auersbrückern wohl nicht genügen, aber es hilft leider nichts. Ich rede mit ihnen. Vielleicht stört dieser Verlust die gute Daria nicht so sehr, wie sie nach außen allen weis machen will. Lassen wir mal etwas Wasser den Großen Fluss herunter gehen. Ich gebe derweil dem Rest meines Gefolges den Auftrag, die Augen und Ohren aufzusperren, ob es in nächster Zeit jemanden gibt, der im Lager mit Geld um sich wirft oder plötzlich zu Reichtum gekommen ist. Falls ja, könnte dies ein Verdächtiger mehr sein, der nun sein Blutgeld kassiert hat.“ Mathild legte zustimmend die Faust auf die Brust und meinte: „Sehr wohl. Ich werde sehen, was ich noch herausfinden kann, und Euch dann gleich informieren, mein Herr.“ Dann wollte sie schon den Raum verlassen, doch der Graf hielt sie noch kurz zurück und meinte: „Gut gemacht, Mathild. Ich danke dir.“ Er hob den abgelegten Bericht hoch. „Auch hierfür.“ Die Fährtensucherin lächelte nun wieder und mit einer halbwegs eleganten Verbeugung verließ sie den Raum.