Auersbrücker Fehde - Die Überquerung der Ange

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Die Überquerung der Ange

ANGENBRÜCK, Abend des 09. Boron 1047 BF.

„Er ist schon viel zu lange weg.“, flüsterte Helmgar Balkenschleifer nervös in die tiefe Schwärze der Nacht. Sein Schwiegervater Rodhelm, dem diese Nachricht galt, sah auf das lange Seil, welches sich ihr Schwimmer um den Bauch gebunden hatte. Keine ruckartigen Bewegungen oder ähnliches zeigte ihm an, dass etwas nicht stimmte, und so legte er nur den Zeigefinger auf seine Lippen. Um ihn herum kauerten die Männer der Hartsteiger Miliz im Unterholz und warteten angespannt. Wegen der Finsternis konnte man kaum die Hand vor Augen sehen, doch ihre Befehle waren klar gewesen. „Kein Licht und möglichst wenig Lärm machen.“

Ihre Aufgabe war so gewagt wie schwierig. Es galt, unbemerkt von den Männern des Schwurbunds die Ange zu überqueren und am anderen Flussufer einen Brückenkopf zu errichten, damit das restliche Heer ebenfalls übersetzen konnte. Dazu mussten sie jedoch erst einmal einen geeigneten Platz finden, um zügig das hohe Flussufer hinter sich lassen und eine Schlachtreihe bilden zu können. Außerdem durften die Schwurbündler sie nicht bemerken, denn sonst würde diese Überquerung zu einem Himmelfahrtskommando werden. Um den Übergang zu erzwingen und den Brückenkopf zu halten, hatte Junker Hakan von Nadoret einen Teil der erfahrensten Truppen und deren Befehlshaber hierfür abgestellt.

Neben einigen Veteranen der Nadoreter Spießknechte unter Befehl ihrer Leutnantin Belomila Damotil lagen auch noch die besten Männer von Metzel vom Grauen Schild, Emer Angunde von Bodrin-Hardenfels und Polter von Pirkensee verborgen im Unterholz. Diese Kämpfer waren alle so schlachterprobt, dass niemand unnötige Laute von sich gab und ruhig abwarten konnten sie auch alle.

Darstellung der Flussüberquerung bei der Auersbrücker Fehde. © Rigolosch

Helmgar betrachtete ihr nahes Lager. Klar erkannte er die hohen Feuer und die davon erhellten Zelte. Laute Musik wurde gespielt und die Geräusche des Lagers hallten sogar bis zu ihnen herüber. Hauptmann Hakan hatte wohl Befehl gegeben, viel Lärm zu machen und die Aufständischen so abzulenken. Plötzlich gab es im Wasser ein Geräusch und wie aus dem nichts tauchte Ansfold Flachsbauer auf. Die hellen Augen des Mannes waren wie zwei Silberstücke in der Finsternis. Nackt, wie ein Säugling nach der Geburt, trat der hagere Mann ans Ufer des Flusses. „Und?“, erkundigte sich Rodhelm leise bei ihm. „Hab am anderen Ufer eine Stelle gefunden, die halbwegs ebenerdig ist und an der man gut an Land gehen kann. Das Seil habe ich an einem nahen Baum festgemacht. Spannt es und dann solltet ihr mit den Flößen gut übersetzen können.“ Alle der Anwesenden waren erleichtert darüber, dass ihre Mission soweit gut anlief. Die Hartsteiger aber waren froh, dass ihrem Mitstreiter Ansfold nichts fehlte. Er war schließlich nicht mehr der Jüngste, aber als es darum ging, wer den Fluss durchschwimmen sollte, hatte er sich sofort gemeldet. Er, der viele Jahre seines Lebens zuerst an des Ufern der Ange und dann am Murlosee verbracht hatte, war schließlich mit dem Wasser besser vertraut als viele andere. Und obwohl er dafür vor allem von den Angroschim merkwürdig angeschaut wurde, hatte er seine Begeisterung für Efferds Gaben und das Schwimmen nie verloren.

Polter von Pirkensee war nun ganz in seinem Element. Er wollte die Ehre haben, als erster der Alttreuen überzusetzen. Zusammen mit einigen seiner Veteranen bestieg der ehemalige Befehlshaber der Hügelländer Spießgesellen rasch das erste Floß und legte bald ab. Vorsichtig bewegten sie sich über das dunkle Wasser. Fast alle der Männer hatten einfache Holzlatten als Paddel, mit denen sie so leise wie möglich versuchten zu rudern. Immer wieder hörte man das Plätschern des Wassers, wenn die Behelfspaddel erneut vorsichtig ins den Fluss eindrangen. Viele der Anwesenden versuchten sogar, ihren Atem möglichst ruhig von sich zu geben. Polter stand ganz vorne auf dem Floß, das Seil gepackt und orientierte sich mit dessen Hilfe ans andere Ufer. Die Hartsteiger und die Männer aus Bodrin hatten derweil alle ihre Armbrüste gespannt, um ihren Kameraden zu Not Feuerschutz geben zu können.

Doch keine verräterische Gestalt und kein Schein einer Fackel war am anderen Ufer zu erkennen. Nur einmal rief eine Eule, wodurch alle kurz erschraken. Doch das Tier flog bald wieder weiter. Als die Pirkenseer schließlich übergesetzt hatten, schwenkten sie als Signal zweimal am Seil und dann machten sich die Nadoreter auf den Weg, gefolgt von den Streitern Metzels und Emers. Als die Hartsteiger an der Reihe waren, begann es langsam zu dämmern. „Ansfold, du hast für das Übersetzen von unseren Leuten das Kommando.“, meinte Rodhelm und klopfte dem Schwimmer freundlich auf die Schulter. „Und was machst du derweil?“, erkundigte sich Helmgar. Der Hartsteiger Ritter grinste breit und meinte „Ich werde dem restlichen Lager ausrichten, dass die Zeit nun reif ist.“