Der Edle von Hjaldorn

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Der Edle von Hjaldorn

"Euer Hochgeboren hatten nach mir geschickt?" "Tretet näher!" Kaum hatte er diese Worte vernommen, ging Ritter Boromil Greifbert von Bärenstieg mit weiten, schnellen Schritten bis vor die Tafel, an der sein Herr im Schein einiger Kerzenleuchter saß. In seiner Gesellschaft befand sich eine hübsche Dame mittleren Alters. In ihr erkannte Boromil eine Baronin aus dem südlichen Kosch, die mit dem Baron in Freundschaft verbunden war.

"Euer Hochgeboren", grüßte er die Baronin, die die etwas zu heftige und mechanisch anmutende Verbeugung mit einem Lächeln quittierte. "Seid gegrüßt, junger Ritter!", antwortete sie ihm.

Der Baron begann ohne Umschweife. "Ich habe Euch rufen lassen, um Euch mitzuteilen, dass ich Euch mit sofortiger Wirkung von Eurer Treuepflicht entbinde." Boromil verzog keine Miene ob dieser Ankündigung. Seine Erziehung gebot ihm absolute Reglosigkeit selbst bei solch gravierenden Nachrichten. Der Baron musterte seinen Ritter einige Momente lang und reagierte mit einem Lächeln auf die Disziplin seines Getreuen.

"Nun denn, Ihr steht gerade wie eine Kerze, doch im Innern fragt Ihr Euch sicherlich, was mich zu diesem Schritt bewogen hat." "Euer Hochgeboren handeln ohne Zweifel praiosgefällig. Es steht mir nicht zu, Eure Motive zu hinterfragen." "Jajaja", winkte der Baron mit einer lässigen Handbewegung ab, "ich sehe schon, Ihr gebt Euch keine Blöße, das ist gut so. Dann will ich direkt zur Sache kommen.

Unlängst stattete ich unserem allseits geschätzten Grafen Growin einen Besuch ab. Er bat mich um Rat bei einer schon lange offenstehenden Angelegenheit." Mit diesen Worten drehte er den Kopf nach rechts und zeigte mit einer Geste auf seine Freundin. "Wie Ihr wisst, liegt Burg Hjaldorn auf dem Gebiet der Baronin. Doch der Edle Gorn Ruhmhold von Hjaldorn kann schon seit einiger Zeit seinen Pflichten nicht mehr selbst nachkommen, zu sehr plagen ihn Krankheit und Alter. Sein Sohn gilt seit Jahren als verschollen."

Boromil erinnerte sich. Als die Orks ins Svellttal einfielen, war der junge Edle von Hjaldorn gegen den Willen seines Vaters dem Aufruf des Barons von Meresfeld gefolgt und mit einer Schar Ritter über den Finsterkamm gezogen. Die Unternehmung hatte unter keinem guten Stern gestanden. Kein Wunder, dachte Boromil, da Baron von Meresfeld nicht den Entschluss seines Lehnsherrn abgewartet hatte, sondern auf eigene Faust vorgestürmt war. Rondrianische Tapferkeit war nicht von Erfolg gekrönt, wenn sie nicht von praiosfürchtiger Ordnung geführt wurde.

Die Ritterschar hatte mehr Kämpfe gegen Orks ausgefochten, als ihr lieb sein konnten. Ernüchtert und mit der Erkenntnis, dass der Orkenbrut mit einem unbedachten und unkoordinierten Vorstoß nicht beizukommen war, waren die Überlebenden schließlich in den Kosch zurückgekehrt.

Der Edle von Hjaldorn hingegen war im Norden geblieben, um weiter gegen Orks und Räuber zu kämpfen. Als letztes hatte ihn eine Söldnerin namens Korima von Attica im Rorwhed gesehen, doch in erbarmungswürdigem Zustand: Mit einem Umhang aus Fellen über seinem Wams bekleidet, einen abgebrochenen Zweihänder sowie einen Kurzbogen in den Händen, das Haar und der Bart wild gewachsen, hatte er mehr Ähnlichkeit mit einem Wegelagerer denn mit einem Adligen besessen. Von da an verlor sich von ihm jede Spur.

"Da bei seiner letzten Sichtung sowohl Aussehen als auch Verhalten auf einen besorgniserregenden Geisteszustand hindeuteten", fuhr der Baron fort, "müssen wir davon ausgehen, dass er entweder inzwischen in der Wildnis umgekommen oder völlig geistig umnachtet ist. Selbst wenn er noch am Leben und wohlauf ist, stellt seine Abwesenheit über derart viele Jahre eine sträfliche Vernachlässigung seiner Familie, seiner Heimat und damit auch seiner Lehenspflicht dar. Wir handeln daher keineswegs voreilig, wie mir der Graf versicherte, wenn wir uns nach einem geeigneten Verweser für Burg Hjaldorn und das dazugehörige Umland umsehen."

"Und hier kommt Ihr ins Spiel", ergänzte nun die Baronin. "Ihr seid doch mit Gorn Ruhmhold entfernt verwandt, richtig?"

"Ja, sicher", antwortete Boromil unverzüglich. Dennoch schaute er beide fragend an. Worauf wollten sie hinaus?

"Nun, wie die Götter es so wollen. Gerade noch hatte der Graf meinem Vorschlag zugestimmt, Euch als Verwalter einzusetzen, da bringt mir die Baronin die traurige Kunde, dass Gorn Ruhmhold von Hjaldorn vor einigen Nächten verstorben ist."

Nun gab sich Boromil keine Mühe, seine Gefühle zu verstecken. Mit betroffenem Gesicht zeichnete er mit seinen Händen ein Boronrad. Seine Augen begannen leicht im Licht der Fackeln zu glänzen und sein Blick wirkte plötzlich etwas abwesend. "Möge Boron seiner Seele gnädig sein."

Er hatte Gorn als liebenswerten älteren Herrn in Erinnerung, ein Mann von hochgewachsener und kräftiger Statur. Dann jedoch war er krank geworden. Boromil erinnerte sich an den bitteren Anblick, den sein Verwandter beim letzten Wiedersehen geboten hatte, von der Last des Alters und der Krankheit gezeichnet.

Der Baron setzte nach einer kurzen Pause wieder an. "Der Verblichene hatte keine weiteren Kinder und von irgendwelchen Nachkommen seines Sohnes ist uns auch nichts bekannt. Die direkte Linie ist daher mit seinem Tod erloschen."

"Ich muss das Lehen neu vergeben", erklärte die Baronin, "und ein Nachfolger, der mit dem Verstorbenen in verwandtschaftlichem Verhältnis steht, kann von Vorteil sein. Ihr wisst ja, die einfachen Leute sind ihren Herrschaftsfamilien treu ergeben. Es wäre leichter, das Land wieder auf Vordermann zu bringen."

"Als Zweitgeborener werdet Ihr von Eurem Vater nichts erben", fügte der Baron hinzu. "Ihr wart bisher Titularadel. Doch durch diese Fügung der Götter ändert sich das jetzt. Ihr werdet der Baronin morgen den Treueeid schwören und seid dann der neue Edle von Hjaldorn."

"Danke", hauchte Boromil mit belegter Stimme und verbeugte sich vor beiden.

"Gut so", sprach der Baron lächelnd. "Ihr könnt Euch nun zurückziehen. Ruht Euch aus und bereitet Euch auf die morgige Zeremonie vor."

"Ja, Euer Hochgeboren", sagte der Ritter abschließend mit einer Verneigung, machte dann auf dem Absatz kehrt und marschierte geschwind aus dem Raum.

Der beiden anderen blieben zurück und nippten an ihren Weinkelchen.

"Nun, meine Teuerste, was sagt Ihr?"

"Fürwahr, er macht einen tugendhaften und treuherzigen Eindruck. Entweder er ist tatsächlich der aufrichtige Mensch, der er zu sein scheint, oder der abgefeimteste Intrigant, der mir je über den Weg gelaufen ist."

"Ersteres, so will ich meinen! Wenn er den untadeligen Ritter nur zum Schein spielen würde, hätte er nicht so viele Jahre an meinem Hof dienen können, ohne sich in eine Intrige zu verwickeln, von der ich erfahren hätte."

"Da ist etwas dran. Es war eine gute Idee des Grafen, Euch nach einem geeigneten Kandidaten zu fragen."

"Nun ja, diese Geradlinigkeit hat auch ihre Nachteile. Für höfische Ränke ist er nicht zu gebrauchen."

"Das muss er auch nicht. Hjaldorn ist nicht Gareth."

"Das sicher nicht!"

"Vor allem benötige ich einen guten Organisator, der aus Land und Leuten das beste macht."

"Da bin ich zuversichtlich! Seine Fähigkeiten sind weniger auf kämpferischem als vielmehr geistigem Gebiet zu finden."

"Dann zum Wohl."

"Zum Wohl!"

Irdischer Hinweis: Dies ist der allererste Text von Kunar, der 2009 als Bewerbung für die Lehensvergabe 1032 BF entstanden ist. Man sieht, wie wenig es braucht, um den Einstieg ins Briefspiel zu schaffen: Die Details sind entweder aus dem Kosch-Wiki übernommen, passen aber nicht, oder stammen aus dem Computerspiel Sternenschweif. Das diene als Ansporn für Neuspieler-Kandidaten - die Schwelle ist viel niedriger als man denkt!