Von kurzen Bärten und langen Reden

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Ausgabe Nummer 30 - Efferd 1024 BF

Von kurzen Bärten und langen Reden

Skandalöser Baihîr zu Bredenhag

ABAGUND, GFT. BREDENHAG/KGR. ALBERNIA. Edle aus allen Raulschen Landen hatte die albernische Königin Invher Ni Bennain auf ihr Schloß Abagund geladen, wo eine denkwürdige Wahl stattfinden sollte. Doch ging es dabei nicht etwa um den Hut eines Stadtvogtes wie im altehrwürdigen Angbar, sondern um den Kronreif der Bredenhager Grafen selbst! In Lande Bredenhag haust nämlich die Fee Farindel, und diese hat, bei Praios! durch alte Verträge das Recht, das herrschende Grafenhaus abzusetzen, wenn es ihr in den Sinn kommt. Und ebendies war nun geschehen, weil man sich, wie es heißt, an ein paar Eichen in ihrem Zauberwalde vergriffen hatte.

Unser guter Herr Fürst vernahm’s mit Staunen; daß sei fürwahr ein Grund, ein fürderes Mal in den Außerkosch zu reisen, zumal sein lieber Sohn Prinz Edelbrecht zum Efferdtempel von Havena wallfahren wollte, um dort dem Gott für seine Heilung zu danken (von welcher der Kosch-Kurier #29 berichtete).

Im Gefolge der Eberstammer befanden sich neben dem würdigen Grafen Growin von Ferdok und Cantzler Duridan von Sighelms Halm noch eine Anzahl bekannter Ritter und Barone, so daß die koscher Stimmen nicht ohne Gewicht bei der Wahl sein würden. Denn nicht nur die Bredenhager Edlen, sondern alle Gäste, die „im Herzen Albernier“ waren, durften an der Kür teilnehmen. Nun, man war und blieb zwar Koscher, doch hatten sich die Recken ja immerhin um das Land der Bennains verdient gemacht, als sie auf der Reise eine Bande Flußpiraten im Lehen des Barons Durin Arodon ihrer gerechten Strafe zuführten. Das mochte genügen.

So kam es, daß den Tag über bis zum abendlichen Rat Seine Durchlaucht die einzelnen Bewerber um den Grafenstuhl zu einer Unterredung lud, um ihr Sinnen und Können zu prüfen. Es wäre weitschweifig, all die Namen und Reden hier anzuführen, doch erwogen Fürst, Cantzler und Barone sehr gründlich, wer für Bredenhag, Albernia und das Reich der Beste sei. Dazu wandten sie auch eine gute koscher Sitte an: das Bartmessen. Denn so machen’s die weisen Angroschim, daß sie an der Länge des Bartes die Altehrwürdigkeit eines Väterchens erkennen; und nicht anders wollten’s die Menschen halten. Nun zeigte sich aber bald, daß die Bärte der angehenden Grafen allesamt recht kurz, nur wenige Halbfinger lang waren. Die Baronin von Hohelucht gar hatte nicht einen Stoppel auf Kinn und Wangen! Doch wie sagte Herr Blasius so trefflich wie tröstend: „Der Bart ist nicht die einzige Tugend, das wissen wir wohl. Aber schade ist’s doch, Hochgeboren, daß Ihr keinen habt!“

Gegen Abend fand man sich dann in der bunt geschmückten Ritterhalle ein, um einen neuen Herrn in Bredenhag zu kiesen. Da ward’s auf einmal duster, und unter geheimnisvollen Blitzen trat eine Holde in den Kreis: Farindel war’s persönlich, die der Wahl beiwohnen wollte und neben den albernischen Majestäten Platz nahm. So manche Störung ereignete sich noch, bevor man endlich zum Eigentlichen schreiten konnte, und es würde viele Seiten füllen, wollten wir hier von allem getreulich Bericht erstatten: wie etwa eine aufgebrachte Horde Thorwaler vor den König trat, um Hilfe gegen die Horasier zu fordern; wie Frau Isora von Elenvina nach zehn Jahren Verbannung zurückkehrte und bittere Vorwürfe gegen Prinz Romin erhob, der ja gegen seine Mutterstadt Kuslik zu Felde gezogen war. Und vieles mehr.

Dann endlich konnten die Bewerber um den Grafenthron ihre Reden halten, und es wurden viele Worte gemacht. Ach Praios, was hörte man da von Herrschaft und Recht, Treue und Pflicht, Können und Wollen. Manches gefiel, anderes nicht, die Stimmung schwankte bald hierhin, bald dorthin. Als aber der Herr Menno Stepahan von Albentrutz, den viele gern unterstützt hätten, im letzten Augenblicke seine Kandidatur zurückzog, da wurden plötzlich Stimmen laut, die von Bestechung sprachen. Andere argwöhnten, man hätte dem braven Ritter Grifo von Streitzig auf magische Weise den Elan geraubt.

Ein Fehdehandschuh flog, der Gast- und Landfriede wankte, der Reicherzkanzler Hartuwal vom Großen Fluß donnerte dazwischen, Tumult entstand. Travia! die guten Sitten vergaß man vollends und beschimpfte einander wie die Bierkutscher. Da aber standen die wackern Koscher wie ein Mann auf und verließen in stummem Protest den Saal. Sie kehrten erst wieder, als die Wahl entschieden war, und zwar zugunsten von Jast Irian Vogt Crumold — einem wohlberedten und tüchtigem Manne wohl, doch war es eben jener, der die einstige Thronräuberin Isora von Elenvina aus liebfeldischer Verbannung zurück nach Albernia geführt hatte. Der Favorit des Königshauses aber, Hofmarschall Ulfwin Ni Llud, hatte kaum eine Stimme der alten Geschlechter bekommen. Denn man muß wissen, daß es in Albernia den alteingesessenen und den neuen Adel gibt (dessen Ahnen vor wenigen Jahrhunderten noch im Thorwalschen lebten), zu welchem auch die Bennains zählen; und beide Gruppen scheinen sich nicht grün zu sein.

Glücklicherweise aber warfen die Staatsgeschäfte keine Schatten mehr über das anschließende Fest, bei dem man sich an Bier, Gesang und Tanz erfreute. Heldenlieder und Volksweisen hallten durch den Saal, und zu später Nachtstunde schickte Frau Farindel eine holde Tänzerin aus ihrem Reich, welche die Augen und Herzen aller Anwesenden bezauberte.

Karolus Linneger, getreulich nach Berichten solcher, die dabei waren.