Der 100jährige Eintopf

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Ausgabe Nummer 19 - Praios 1021 BF

Schänken des Kosch: Der 100jährige Eintopf

Diesmal kehren wir ins „Gasthaus zum Roten Ochsen“ in Rottan ein.

Versetzen wir uns nun in einen hungrigen Wandersmann, der auf der Ferdoker Landstraße durch die Stadtmark gen Süden reist. Voraus, vom Lichte des sich senkenden Auge Praios’ beschienen, liegt das Dorf Rottan. Kaum passiert der Reisende die ersten Gehöfte des Ortes, da mischt sich ein schwer zu deutendes Aroma unter die Düfte von den Feldherrenhügel der Hähne und den Bädern des Borstenviehs.

Einige Schritt weiter unspielt ein Lächeln des Wandersmanns Gesicht, als er diesen Geruch als den Duft von herzhaft Gekochtem und Gesottenem identifiziert. Vom knurrenden Magen befohlen die Nase in den von südwest her kommenden Wind gehalten, beschleunigen sich seine Schritte geringfügig, bis er in der Mitte des Ortes ein dunkles Fachwerkhaus mit rauchendem Schlot erblickt und dieses als die Quelle jener Gerüche ausmacht. Noch bevor er sich zu dem alten rustikalen Fachwerkhaus mit den braun-schwarzen, manchmal mannsdicken Eichenbalken und den dunkelockernen Ziegeln umwendet, erblickt er aus den Augenwinkeln den kleinen Perainetempel des Ortes. Der Gedanke an die Götter ist aber bereits verschwunden, als er die große, aus roter Buche geschnitzte Tür zur Wirtsstube öffnet.

Nunmehr wird der vorher leichte Duft überwältigend und beinahe greifbar; es mischen sich darin Speck und Rüben, Knoblauch und Koschapfel, Kohl, Zwiebel und Basilikum und noch vielerlei Geschmäckern mehr. Kaum bemerkt der Hungrige die vielen Gäste, die sich über das Dutzend schwerer Eichentische verteilen und bewegt sich geradewegs auf den gegenüberliegenden Raum zu. Nachdem ein paar Rücken nach vorne gedrängt, einige Arme beiseite gestoßen wurden, stößt der leere Magen unvermittelt an die Kante des Schanktisches. Eine unbestimmte Anzahl zeitloser Augenblicke später dringt eine Stimme in des Reisenden Bewußtsein, die ihn seine Umgebung wieder klarer erblicken läßt.

„Womit kann ich Euch dienen, Herr?“ fragt ihn eine kleinen, üppig gerundete weiblichen Gestalt. „Habt ihr etwas zu essen?“ hört sich der Wandersmann antworten, sich innerlich für seine überaus scharfsinnige Frage und die krächzende Stimme scheltend.

Bald darauf nimmt er auf einer der massigen Bänke, die bestimmt das Gewicht eines Koscher Bauern aufwiegen mögen, Platz und betrachtet einige kurze Atemzüge voller Andacht den große dampfende Holznapf, wohlgefüllt mit einer dampfenden, vielfarbigen Masse, einem kleinen Sproß des nun wohlbekannten Geruchs. Bald gesellt sich noch ein großer Krug hellen Bieres zu der Schüssel und mit Wohlgefallen beginnt der Ausgehungerte seinen Magen wieder aufzufüllen.

Schon manches einfache Mahl hat der Reisende auf seinen Wanderungen verzehrt, doch schien ihm gerade dieses bemerkenswert und außergeaußergewöhnlich. So erfuhr er denn von der Geschichte dieses 100jährigen Eintopfs: Es war die Ur-Urgroßmutter Julla des jetzigen Wirtes Koljarn Lansenhaun, eine überaus faule Frau, aber formidable Köchin, die einst beschloß, das Essen für den gesamten Haushalt stets bereit in ihrem großen Kessel zu halten, den sie nicht mehr vom Feuer zu nehmen brauchte. Stattdessen gab sie nur immer neue Zutaten hinzu, um den Kessel jeweils wieder aufzufüllen.

Auch nach dem Tod Jullas behielt die Familie diese Tradition bei und es heißt, bis zu heutigen Tage sei das Feuer unter dem Kessel niemals verloschen und der alte Kessel nicht einmal in den schweren Jahren der Erbfolgekriege und dem strengen Winter 8 Reto.

Der Topf und das Feuer wurden sogar schon von Geweihten des Ingerimm aufgesucht und gesegnet. Allein die Rezeptur des Inhalts schwankt von Woche zu Woche, von Jahreszeit zu Jahreszeit, doch stets hat der Geschmack eine ganz eigene Note.

Schon mancher hat versucht das Gericht zu kopieren, doch ist sein Rezept ein strenges Geheimnis, weitergegeben von Generation zu Generation.

Was die Menge des Essens anbelangt, so ist Wirt Koljarn nicht zimperlich und ein jeder kann sich seine Schale von den fünf Schankmägden sooft mit dem 100jährigen nachfüllen lassen, wie er mag, sei er Mensch, Zwerg, Elf oder gar Troll. Der Preis beträgt stets 5 Heller, jedoch beinhaltet dies nur einen Krug Ferdoker Bieres.

Wird der Mann nun nach dem üppigen Mahle müde, so kann ein eine Kammer unter dem hohen Giebeldach mieten, oder dort eines der zwölf Lager im großen Schlaßsaal beziehen. Die Betten in den fünf Zimmern sind sauber und sehr geräumig, daher plagen dem Wirt keinerlei Gewissensbisse, auch zwei oder drei Personen, oder gar bis zu fünf Angroschim auf einmal in den Betten unterzubringen, wobei selbstredend ein jeder den vollen Preis zu zahlen hat.

Auch kann der Schlafsaal um gut und gerne 10 weitere Liegestätten aufgefüllt werden und gibt es tatsächlich noch mehr Gäste, so mögen diese für wenige Kreuzer beim Vieh im geräumigen Stall nächtigen.

Erfüllt sind die Schlafräume nächtens zumeist vom zweiten Duft des Eintopfes, doch gilt es im Roten Ochsen keineswegs als Schande, sich der in den Gedärmen rumorenden Luft zu entledigen oder geräuschvoll aufzustoßen.

Auf dem direkt unterhalb des Giebels eingezogenen zweiten Boden, heißt es, verwahre der Wirt so mancherlei Gerümpel, von geldlosen Gästen in Zahlung genommen.

Verlassen wir aber nun den vor kurzen noch hungrigen Reisenden und wünschen ihm eine geruhsame Nacht. Travia zum Segen! und auf bald, Wandersmann, in einer anderen Schänke des Kosch!