Kein Platz an der Sonne

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Ausgabe Nummer 57 - Sonderausgabe 1036 BF

Kein Platz an der Sonne

Burg Halmwacht in der Geistmark

An kalten Tagen liegt das Bett der Ange in der Geistmark unter Nebel verborgen. Einzig die Zinne eines schlanken, runden Turms ragt aus dem Grau hervor. Dies ist der Bergfried von Burg Halmwacht, dem Stammsitz der Familie von Sighelms Halm, seit jeher Barone der Geistmark. Eine zwar wehrhafte, doch enge und karge Feste auf einem Felsen im Moor – nicht das, was man von einem einst einflussreichen Geschlecht erwarten würde?

Halmwacht war nicht immer die Residenz der Sighelms Halm. Ursprünglich saß die Familie auf einer Burg namens Sighelms Wacht am Angenknie, wo heute die Sendschaft Rondrasdank liegt. Die Anlage wird in der Familienchronik als beeindruckend und prächtig beschrieben. Doch erhalten ist von ihr nichts. Zur Zeit der Priesterkaiser – die rondratreuen Sighelms Halm waren dezimiert und aus dem Lande vertrieben worden – brannte sie bis auf die Grundmauern nieder, mitsamt dem Vogt der Kirche des Lichts, der über die Baronie herrschte. Als die Familie unter der Regierung Rohals des Weisen zurückkehrte, baute sie Sighelms Wacht nicht wieder auf, sondern bezog Halmwacht, damals nur ein alter Wachtturm mit Mauerring. Ein kleiner Palas wurde hinzugefügt, doch dabei blieb es dann auch: Barone, die mehr Bequemlichkeit oder Luxus wünschten, residierten lieber auf ihrem Eigengutshof in Bauersglück oder gleich in einem Stadthaus in Angbar.

So zeigt sich die Burg außen weitgehend schmucklos. Zu nennen sind nur die heute kopflose Statue eines sitzenden Kaisers (vermutlich Sighelm) in einer Nische am Bergfried und ein Relief der gnädigen Marbo über dem Eingang des Palas. Symbole der Boronkirche finden sich auch im Innern zahlreich, denn mancher Baron fürchtete, nach seinem Ableben könnte er die Reihen der Gespenster verstärken, die dem Land seinen Namen geben, und hoffte durch ein frommes Ausgestalten seiner Wohnstatt diesem Schicksal zu entgehen. Der heutige Lehnsmann Kordan von Sighelms Halm zeigte bisher wenig Neigung zum Kult des Raben. Statt dessen ließ er an den Palas einen kleinen Efferdschrein anbauen, nachdem er und zahlreiche weitere Edle aus einer Flut des Grossen Flusses gerettet worden waren. Auffällig ist zudem ein hoher hölzerner Schrein, mit Zeichen von Rondra und Ingerimm verziert, in dem sich eine hölzerne Leiter befindet.

Zuletzt sei das oberste Turmzimmer erwähnt. Traditionell ist es die Wohnung des Hofmagiers (meist war dies ein arkan begabter Angehöriger der Familie). Es enthält ein im Boden eingelegtes Hexagramm sowie einen abtrennbaren Alkoven für alchemistische Experimente. Da aber dem heutigen Hofmagus große Höhen nicht behagen und er sich lieber im Gästezimmer des Palas einquartierte, werden nun umgekehrt Gäste des Hauses in diesem doch etwas unheimlichen Raum einquartiert. Immerhin, so wird ihnen beschieden, haben sie dort die beste Chance, das Licht des Herrn Praios zu sehen.

Derwart Gernwein