Der Horasvertrag - Gespräch unter Adligen

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Texte der Hauptreihe:
2. Per 1040 BF
Gespräch unter Adligen
Gespräch unter Adligen


Kapitel 2

Gespräch unter Adligen

Thalessia, 2. Peraine 1040

Auf Schloss Thalessia herrschte reges Treiben. Fürst Blasius vom Eberstamm hatte zum Beginn des Perainemondes zu einem Hoftag geladen. Erst begingen die versammelten Großen des Kosch gemeinsam das Saatfest, am nächsten Tag stand die Ernennung einer Reihe neuer Würdenträger an - nicht zuletzt die Erhebung zweier neuer Barone, Baduar Ibram von Eichstein in Rohalssteg und Nale von Boltansroden in der wieder errichteten Baronie Greifenpass. Am Abend nach dieser Belehnung traf man sich im Hof des Schlosses zu einem festlichen Buffet, in dem ungezwungen allerhand geplaudert werden konnte - neben den Ereignissen des Winters, den Hoffnungen fürs kommende Jahr und der Qualität der gereichten Speisen insbesondere über die Auswahl, die der Fürst für die diversen Ämter getroffen hatte.

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Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm drehte sich um, als ihn jemand von hinten anrempelte, und sah sich plötzlich dem ebenso überraschten Voltan von Falkenhag gegenüber. «Verzeihung!», murmelten beide zugleich, dann trat ein Moment peinlicher Stille ein. Kordan griff nach dem nächsten Gesprächsthema, das ihm einfiel: «Was denkt eigentlich der Fürst über die Verhandlungen mit dem Horasreich, die jetzt anstehen?»
«Das ist eine sehr gute Frage», entgegnete Voltan. «Ihr habt völlig, recht, lieber Geistmark.» 
«Ich habe recht?»
«Der Fürst könnte dringend Rat in dieser Sache brauchen. Von seinen getreusten Vasallen. Da stehen unsere neuen Barone, Rohalssteg und Greifenpass. Besprecht Euch doch mit ihnen.» Er winkte die beiden herbei. «Und nehmt Meister Brumil dort dazu, die Sicht eines Angroscho ist immer wertvoll. Und Ihr, meine Lieben, möchtet Ihr Euch vielleicht auch zu dieser Runde gesellen?», wandte er sich an eine weitere Gruppe Adliger in der Nähe.
Baduar stand gemeinsam mit seiner Frau Aldare, seiner Base Nale von Boltansroden und deren Begleiter zusammen im Burghof, die vier schienen sich angeregt zu unterhalten. „...zumindest eine Befestigung oder ähnliches. Man weiß schließlich nie, was die Hinterkoscher so vorhaben und wann sie wieder gedenken, den Greifenpass … zu sichern“ sagte Baduar gerade, als er den Falkenhager sah, der zu ihnen herüber sah und eifrig winkte. Es schien, als ob der Falkenhager in eine Unterhaltung mit dem Geistmärker Baron führte. An den Gedanken, den Falkenhager jetzt am Fürstenhof zu sehen, musste sich Baduar erst noch gewöhnen und für einen kurzen Augenblick dachte er daran, wie es jetzt wohl mit Graf Wilbur weiterginge, nachdem der Falkenhager jetzt hier seinen Plänen und Ideen nachging. Er nickte ihm zu als Zeichen, das er ihn gesehen hatte und wandte sich an die anderen Drei in der Runde: „Es scheint, als ob der Falkenhager mit uns sprechen möchte, was er wohl im Sinne hat? Und das ist doch dein Lehnsherr, zumindest der deines Junkergutes, liebe Base. Tun wir dem Falkenhager den Gefallen und gesellen uns zu den beiden?“, fragte er in die Runde.

Nale, die dem Anlass entsprechend ein neues Wollkleid in kräftigem Rot trug, war gerade aber mit ihren Gedanken woanders. Wieder einmal war ihr Blick zu ihrem Begleiter hinübergeglitten – dem Ehrwürden Rondradan „Zweiflamm“ vom Rhodenstein. Ein verzückter Ausdruck legte sich über ihr Gesicht und ließ ihre blauen Augen noch mehr erstrahlen als es die Ereignisse zuvor getan hatten.
„Ja“, sagte die Baronin vom Greifenpass, machte jedoch keine Anstalten sich in Bewegung zu setzen. Dann blickte sie schlussendlich doch zu ihrem Gesprächspartner auf: „Entschuldige Baduar, ich habe Dir gerade nicht ganz folgen können, die Ereignisse überfordern mich...“
Als Baduar die verliebten Blicke merkte, die zwischen dem Rondrianer und seiner Base wechselten, verdrehte er genervt die Augen und seufzte kurz. Dann wandte er sich seiner Frau zu: „Sollen wir die beiden Turteltauben alleine lassen oder nehmen wir sie lieber mit? Nicht, dass sie noch Blödsinn anstellen…“ Dann wandte er sich wieder an seine Base: „Der Falkenhager scheint uns sprechen zu wollen und ich bin neugierig, was er von uns möchte. Lass uns rüber gehen.“ Mit diesen Worten ging er zusammen mit den anderen dreien herüber zum Falkenhager und dem Geistmärker. „Den Zwölfen zum Gruße, die hohen Herren“ Er nickte kurz grüßend den beiden zu und stellte kurz sowohl seine Frau als auch den Rondrageweihten an der Seite seiner Base vor, dann wandte er sich direkt an den Falkenhager: „Ich bin neugierig: was können wir für Euch tun?“
„Für das Fürstentum, lieber Baron, für das Fürstentum“, entgegnete der Magier. „Der Herr von Sighelms Halm sprach mich eben darauf an, dass der Vertrag mit dem Horasreich – Ihr wisst, die Kaiserin will einen neuen schließen – dass der Vertrag mit dem Horasreich auch für den Kosch ernste Folgen haben könnte. Der Fürst mag in Kürze weisen Rat seiner Lehnsleute in dieser Sache brauchen, und so habe ich mir kurz entschlossen erlaubt, einige seiner besten Männer und Frauen hier zu versammeln. Einen Moment!“
Der Magus verschwand kurz hinter einer Gruppe von Höflingen und kehrte kurzerhand mit zwei Zwergen in weiten, grünen Lodengewändern zu der Gruppe zurück. Brumil und dessen Sohn Brom. Der Eine, schon etwas älter und grau, über und über beladen mit Mappen und Papierrollen. Der Andere noch jünger und ziemlich dick. Er hatte sich einen Teller mit allerlei Mehlspeisen und Gebäck vollgeladen. Beide machten ob der vielen Anwesenden am Hoftag einen leicht desorientierten Eindruck.
Voltan: „Darf ich vorstellen; Die beiden fürstlichen Greven Meister Brumil – Experte der Juristerei – und Herr Brom, Sekretär der fürstlichen Kanzlei.
Die Herrn und Damen Barone brauchen wohl nicht vorgestellt zu werden.“ Brumil und Brom nickten.
„Ihr hattet doch vorhin einen interessanten Einfall zu Ysilia Meister Brumil. Warum erzählt ihr ihn nicht den Herrschaften davon? Ich selbst habe nun allerdings leider ein dringendes Wort mit der Frau vom Pfade zu wechseln“, fügte er an und schritt eilend in Richtung der Hofgeweihten, die in der Tat mit strenger Miene in seine Richtung schaute.
Brumil legte sein Gepäck auf einen nahe stehenden Sessel ab, dann wandte er sich dem versammelten Hochadel zu und nickte grüßend: „Garoschem“ … Brumil strich sich durch den Bart und suchte nach Worten: „Necesse est Yol-Ghurmakem esse delende quam primum …“
Brumil stockte „… esse delende? …“ Brumil überlegte „… das müsste eigentlich … Accusativus cum infinitum … folglich esse delendam! … Ja meine Herrschaften – so lautet der Wortlaut der Forderung der Ingerimmkirche!“
Brumil nickte zufrieden.
„… quam primum … also hoscho reworim, wie der Zwerg sagen würde.“
Brumil nahm sich ein Schaumröllchen von Broms Teller und biss herzhaft hinein. Dann blickte er auf seine Taschenuhr und meinte: „Oh schon so spät – Entschuldigt mich!“
Mit diesen Worten verbäugte er sich leicht, suchte seine Sachen zusammen und ging Richtung Kaminzimmer davon.

Kordan von Sighelms Halm kratzte sich am Kinn. „Ein kurzer und merkwürdiger Auftritt ... Offenbar ging es darum, dass die Kirche des Ingerimm von Kaiserin und Horas einen Feldzug zur Befreiung Ysilias fordert, obwohl ich kaum ein Wort verstanden habe.Sicher wisst Ihr auch davon? Mich interessiert besonders, was jene denken, die in Mendena waren!“
Baduar schaute dem neuen Richtgreven etwas irritiert hinterher, bevor er sich wieder dem Geistmärker zuwandte: „Ja, ich habe davon gehört. Wenn ich mich nicht irre, dann weiß die Kirche Ingerimms auch viele Angehörige der Zwergenvölker hinter sich. Nachdem wir gerade erst einen Heerzug hinter uns haben, hält sich die Begeisterung wohl bei vielen in Grenzen – auch wenn das Ansinnen an sich überaus göttergefällig ist. Von daher findet Ihr mich in einem Zwiespalt. Ein Heerzug gegen dieses Sinnbild der feindlichen Herrschaft ist sinnvoll und zweifelsohne notwendig, wenn wir die schwarzen Lande komplett zurückerobern wollen. Doch der Gegner scheut sich nicht, mit allen Mitteln zu kämpfen, das haben wir erneut auf dem Haffaxfeldzug gemerkt. Dazu kommt, dass ich persönlich denke, dass wir, bevor wir neue Feldzüge ins Leben rufen, dafür sorgen müssen, dass wir nicht nur die Gegner besiegen, sondern auch das Land und die Leute wieder zurück holen in den Arm des Reiches und den Schoß der zwölfgöttlichen Kirchen. Da steht uns noch einiges an Arbeit bevor, wir brauchen Zeit. Wie seht Ihr das denn?“ fragte er interessiert zurück und wandte sich dabei sowohl an den Geistmärker als auch an seine Base.

„So ehrbar die Sache auch sein mag – ich werde die nächste Zeit nur ungern zu einem weiteren Heerzug aufbrechen. Die Schrecken des letzten sind noch nicht vergessen, die Wunden noch nicht verheilt, die Lücken, die die Gefallenen in unseren Reihen hinterließen noch nicht gefüllt und wie sinnvoll, weiße und klug ist es, mit einem geschwächten Heer in den Krieg zu ziehen?“, fragte sie in die Runde, doch noch ehe jemand antworten konnte, fügte sie hinzu: „Natürlich zöge ich mit, wenn es dazu käme, wenn beschlossen werden sollte, das man ziehen muss, aber ich täte es mit einem mulmigen Gefühl, gerade jetzt, wo ich so viel zu ordnen habe...“ Sie warf einen flüchtigen Blick zu dem Rhodensteiner hinüber – sie hatte mehr zu ordnen als ihre Baronie, viel mehr und gerade dieses mehr bereitet ihr irgendwie am meisten Sorgen. „Ich halte das Bestreben der Traviakirche auch im Horasreich den Traviabund unter den Adeligen zur Regel zu machen, für sehr unterstützenswert, abgesehen davon gehört die Scheidung natürlich verboten!“, in manchen Dingen war Nale sehr konservativ, „Ich meine, wie kann man einem anderen, am besten einem geliebten Menschen, Liebe und Treue versprechen und dann sein Versprechen nicht nur brechen, sondern auch den anderen von sich weisen! Das kann doch nun wirklich keiner wollen! Nicht wahr?“

Im Kaminzimmer
In diesem Augenblick schob Brumil mit dem Ellenbogen die Tür zur Kaminstube auf und zwängte sich hinein. Mit der Präzision zwergischer Fingerfertigkeit hielt er in der einen Hand ein angebissenes Schaumröllchen und seine Taschenuhr. In der Anderen eine, vor Papier überquellende Ledermappe. Unter den Achseln hatte er noch einige Rollen Pergament eingeklemmt.
Mit einem Blick auf seine Uhr murmelte er „verzeiht meine Verspätung“. Erst jetzt hob er seinen Blick und schaute in die fragenden Gesichter der Anwesenden. Brumil stutzte. Nirwulf seufzte und schüttelte leicht den Kopf: „Herr Wackerstock, eure Uhr scheint wieder einmal falsch zu gehen. Die Greven werden später gehört.“ Nirwulf deutete Brumil, mit einem auf einer Dessertgabel aufgespießtem Stück Torte Richtung Tür. Brumil blickte kurz zwischen Uhr und den Anwesenden hin und her, bevor er sich murmelnd mit den Worten „Ka roboschan hortiman Angroschim“ aus dem Kaminzimmer zurückzog.
Der Fürst seufzte, die Praiotin blicktel, durch das unerwartete Intermezzo irritiert, zwischen den Anwesenden hin und her.

Zurück unter den Adeligen
Brumil kehrte unterdessen mit leicht irritiertem Ausdruck zur der kleinen Gruppe zurück. Er lauscht Nale andächtig, während er sein Schaumröllchen weiter verspeiste: „Ja – Was ich vorher eigentlich noch sagen wollte … Ich denke, dass eine befriedigende Lösung zwischen den Interessen der Ingerimmkirche auf der einen Seite, und den kriegsgebeutelten Landsleuten auf der anderen Seite, ein Kompromiss wäre.
Ein guter Kompromiss läge meines Erachtens darin, vorbereitende Maßnahmen zu treffen. Zum Beispiel im Anwerben und Ausbilden kleiner Einheiten aus 3 bis 6 erfahrenen Kämpfern, Spionen … vielleicht auch Magiern, die tief ins Feindesland eindringen und dort Ziele in Form von wichtigen Personen, Institutionen oder Artefakten identifizieren und gegeben Falls ausschalten.
Mit den gewonnen Informationen kann ein Kriegszug gegen Yol-Ghurmak optimal und effizient vorbereitet werden.
So hätte man sowohl konkrete Vorbereitungsmaßnahmen für den von der Ingerimmkirche gewünschten Kriegszug, als auch eine Schonfrist für das Heeresaufgebot. – Soviel dazu!“
Brumil nickte zufrieden. Dann räusperte er sich und blickte zu Nale:
„Zur Forderung der Traviakirche, Frau von Boltansroden, muss man sagen, dass diese keineswegs den Traviabund unter den Adeligen zur Regel machen will – Das ist er nämlich bereits – Sie wollen alle anderen Formen der Eheschließung schlicht und einfach verunmöglichen!
Es geht der Traviakirch um nichts anderes, als um die Beschneidung der Rechte des Adelsstandes. Und das halte ich für unrechtmäßig.“


Baduar hörte den Worten des Richtgreven interessiert und aufmerksam zu, bei dessen Interpretation der Forderungen der Traviakirche zeigte sich jedoch zunehmend Irritation in seiner Mimik. „Werter Richtgreve, Eure Auslegung kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wie kommt Ihr darauf, dass die Traviakirche alle anderen Formen der Eheschließung unmöglich machen will? Schon heute ist es doch so, dass es jedem freien Brautpaar und auch den Adeligen obliegt, zu wählen unter welches Gottes Zeichen man sich verbinden möchte. Und gerade in unserem Stand ist es den Göttern sei Dank schon lange Tradition und gute Sitte, dass die Erbfolge und die Legitimation der Nachkommen durch einen – teils auch zusätzlichen - Bund unter dem Segen der Travia legitimiert wird. So ist es schon seit langen Zeiten und genau diese gesegnete Legitimation der Nachfolge möchte die Traviakirche nun endlich auch dem Horasreich angedeihen lassen. Das hat meines Empfindens nach nichts mit der Beschneidung der Rechte des Adels zu tun wenn man endlich für traviagefällige Verhältnisse sorgt.“ erwiderte er immer noch etwas irritiert.

Brumil zog die Augenbrauen zusammen und bedachte Baduar mit einem konzentrierten Blick. Nach einigen Augenblicken entspannte sich seine Mimik. Mit den Resten des Schaumröllchens tippte er wie mit einem Zeigestock in Baduars Richtung:
„Da fällt mir ein alter Fall ein;
Ein Mann reichte Beschwerde über einen Händler ein. Dieser habe ihm einen Kupferkessel viel zu teuer verkauft, denn er habe später am gleichen Tage, einen gleichen viel günstiger gesehen. – Der Vorwurf des Wuchers stand im Raum.
Bei der Befragung des Händlers berief sich dieser auf den phexgefälligen Handel.
Der Käufer jedoch berief sich auf den ingerimmgefälligen iustum pretium, den gerechten Preis.
Eine schwierige Sache. Beide Parteien beriefen sich auf zentrale kirchliche Dogmen die sich diametral entgegenstehen.
Der phexgefällige Handel bezieht sich auf das Geschick der Verhandlungspartner.
Der ingerimmgefällige gerechte Preis bezieht sich auf den inneren Wert des Handwerkstücks, der durch die geleistete Arbeit des Handwerkers entsteht.
Egal, welcher Partei ich Recht gebe, ich widerspreche zu Gleich der Lehre einer der zwölfgöttlichen Kirchen. – So mein anfänglicher Gedanke.
Dann vielen mir die Worte des weisen Rohal ein, mit welchen er einst seine Reichsreformen begründete:
Jedes Recht das moralisch angemessen ist, muss dazu dienen, die Ansprüche der Schwachen gegenüber den Starken zu schützen.“
Brumil brummte nachdenklich, als ergründe er die Bedeutung der Worte. Nach einiger Zeit fuhr er fort:
„Das moralische Recht steht über dem Recht des Stärkeren. – So wird dieser Ausspruch Rohals für gewöhnlich gedeutet.
Das geschriebene Recht ist dazu da, dem scheinbar natüüürlichen Recht“ – Brumil zog die letzten Worte lang – „dem Recht des Stärkeren, entgegen zu wirken. Denn die Starken brauchen keinen Kodex. Sie hätten die Macht sich zu nehmen, was sie wollen.“
Brumil räusperte sich ehe er fortfuhr: „Herr von Eichstein, ihr seid ein traviafrommer Mann. Das ist euren Worten zu entnehmen. Es ist euch von Herzen vergönnt, wenn ihr euch freiwillig den Doktrinen der Traviakirche unterwerft.
Ihr dürft darüber hinaus aber nicht vergessen, dass es andere, nicht traviagefällige Lebensformen und Ehebünde gibt, die unter dem Schutz eines anderen der göttlichen Geschwister stehen.
Wenn ihr nun einen juristischen Legitimationszwang jeder Eheform durch einen Traviasegen fordert, verunmöglicht ihr zugleich Formen der Ehe, die keinen Traviasegen erhalten würden.
Kein Traviasegen, keine Rechtmäßige Ehe, keine legitime Nachfolge – Das Bedeutet in den meisten Fällen einer Hochzeit zwischen Adeligen, keine Ehe.
Und zu Gleich stellt diese Forderung natürlich eine Einschränkung der Rechte derjenigen dar, die diesem Recht unterliegen würden.
Des Weiteren muss man zwischen Gewohnheitsrecht und positivem Recht unterscheiden.
Zum Beispiel ist ein Traviasegen in unseren Landen üblich, jedoch für eine Legitimation nicht zwingend notwendig. – Oder denkt ihr, dass man Graf Growin, sollte er dereinst den Bund aus Feuer und Erz eingehen, eine Legitimation seiner Nachfolge verwehren würde?
Das Punctum saliens ist hierbei, dass traviagefällige Verhältnisse nicht in Rechtscodices gegossen werden sollten, sondern dass das Recht die Ansprüche der schwachen Minderheit, die göttergläubig aber eben nicht traviagefällig lebt, schützt.
Für die Durchsetzung ihrer Glaubenslehre, sollte eine Kirche auf die Kraft ihrer Botschaft vertrauen, nicht auf Rechtsansprüche.“
Brumil schob sich das letzte Stückchen Schaumröllchen in den Mund und brummte zufrieden. Während er sich einige Brösel aus dem Bart klopfte merkte er noch an: „Stellt euch nur vor, das rondragefällige Duell wäre zwingend vorgesehene Rechtspraxis… Oder erinnert euch an die dunklen Zeiten der Priesterkaiser, die – den Göttern sein Dank – durch Rohal ein baldiges Ende fand.
Ihr solltet die Situation nicht nur aus der Sicht des Traviagläubigen betrachten, sondern auch die Glaubensgrundlagen der anderen Kirchen berücksichtigen. Nicht alle teilen die Meinung der Traviakirche, in den Fragen was eine gute Ehe ausmacht.“


„Nur weil man einen Traviabund geschlossen hat, heißt das keineswegs, dass man nicht auch einen anderen Bund zusätzlich schließen könnte – so weit mir bekannt ist, schließt sich das nicht aus. Man könnte also die Gebote der heiligen Mutter und… ähm… ja, auch durchaus die der…“ Warum nur lag ihr die Sturmherrin auf den Lippen? „… die der… ja, der schönen Göttin einhalten, ohne die jeweils anderen zu verletzten. Alles durchaus möglich. Es geht also nicht darum, irgendein Recht zu beschneiden, schon gar nicht das Recht, dass ein jeder jene Gottheit wählen kann, die ihm am meisten zusagt – sollen sich doch ein jeder unter den Schutz der Gottheit stellen, die ihm besonders nahe steht. Wobei es hier geht ist – so wie ihr es sagtet – das Recht derer zu schützen, die schwächer sind und das sind jene, die sich nicht selbst schützen können – unsere Untertanen – und das ist unser aller Pflicht! Denn, stellt euch einmal vor, was alles geschehen kann, wenn die Nachfolge eines Adeligen – meist eines höherstehenden – nicht klar geregelt ist. Der Kampf um das Erbe hat schon ganz andere in Krieg, Verderben und Tod gestürzt, ist es daher also nicht unsere Pflicht alles erdenkliche zu tun um so etwas zu verhindern?“ Fragend schaute sie in die Runde. „Ich will auf Eure gut gewählte Geschichte um den Kupferkessel zurückkommen, aber eine andere erzählen: Es war einmal ein Emir, ein Mann von edler Abstammung und hervorragendem Aussehen, kaum verwunderlich also, dass er eitel und eingebildet war. Und als es ums Heiraten ging, da war ihm keine Frau gut genug: Die eine hatte zu wenig Vermögen, die Abstammung der nächsten war ihm nicht edel genug, wieder eine andere brachte nicht genug Besitz in die Ehe, die nächste hatte eine krumme Nase, zu dunkles oder zu helles Haar, zu dunkle oder zu helle Augen, zu dunkle oder zu helle Haut, sie war zu groß oder zu klein, zu dick oder zu dünn, zu ungebildet oder zu gebildet, zu… So verging Götterlauf um Götterlauf und schlussendlich kam jener Augenblick, da der Emir alt und schwach geworden auf seinem Lager darniederlag und auf das verlöschen seines Lebens wartete, seine Nichten und Neffen nicht etwa an seiner Seite waren, sondern sich die Köpfe darüber einschlugen, wer denn nun dem geliebten Oheim nachfolgen möge...“
Sie holte Atem. „Man kann sein ganzes Leben lang auf das beste Angebot warten – sei es eine Frau oder aber ein Kupferkessel oder etwas anderes – doch wenn man immer nur wartet und wartet und wartet, wartet man vergebens und vergisst darüber, was wirklich wichtig ist...“ Die Liebe, fügte Nale in Gedanken hinzu.

Brumil verfiel wieder in Denkerpose mit zusammengezogenen Augenbrauen und begleitete Nales Ausführungen mit zustimmenden und ablehnenden brummen.
Während er lauschte, ließ er seine Hand über ein bereitgestelltes Tablett mit Mehlspeisen gleiten und griff, nach mehreren Augenblicken des Zögerns, schließlich entschlossen nach einer Schnitte Apfeltorte: „Ganz so ist das nicht euer Hochwohlgeboren. Wusstet ihr, dass es unter Erzzwergen üblich ist, dass eine Angroschna nicht nur einen Zwerg erwählt, sondern gleich alle Zwillingsbrüder mitheiratet?“ Brumil biss genüsslich in das Gebäck und schaute Nale fragend an, während er den ersten Bissen kaute:
„Eine solche Hochzeit erhält keinen Traviasegen, da sie nicht traviagefällig ist. Ebenso ist es bei einer Hochzeit im Zeichen der Rahja, die keine Monogamie vorschreibt – nicht traviagefällig. Auch Hochzeiten unter Gleichgeschlechtlichen erhalten keinen Traviasegen.
Geschiedene die wieder heiraten wollen – kein Traviasegen. Und diese Liste ließe sich noch fortführen.
Der Emir in eurer Geschichte hätte sich auch nicht die Mühe machen brauchen, die einzig wahre Frau zu suchen. Unter Tulamiden ist es die Polygamie üblich. Er hätte sie alle heiraten können. Ich brauche euch nicht zu sagen, dass auch das nicht traviagefällig ist.
Alle diese Formen der Eheschließungen wären plötzlich null und nichtig, wenn ein Traviasegen für eine anerkannte Ehe gesetzlich vorgeschrieben wäre. – Für was heiraten, wenn die Ehe dann nicht als solche anerkannt wird?
Und warum denkt ihr, dass nur ein erzwungener Traviasegen für eine geregelte Erbfolge sorgen kann?
Erbfolgen können erwiesener Maßen auch ohne Travia juristisch festgelegt werden.“

Nale lächelte. Geschichten hatten ihre Tücken, das wusste sie wohl, und oftmals konnten sie anders verstanden werden, als sie eigentlich gemeint waren, aber was machte das denn schon? Eine Geschichte war genau das – ein Geschichte, welche Lehren man daraus zog, waren jedem selbst überlassen.
„In der Tat, er hätte sie alle haben können – aber sie waren ihm alle nicht gut genug, keine einzige von ihnen. Außerdem ist Tulamide nicht gleich Tulamide!“, gab sie zu bedenken, „Wie lautet Euer Vorschlag die Erbfolge juristisch zu sichern? Ist es nicht sinnvoll das mit dem Segen der Götter zu machen? Schließlich sind die ein unglaublich wichtiger Teil unseres Lebens! Warum sie also nicht miteinbeziehen? Ach ja, wie habt Ihr in der Sache mit dem Kupferkessel eigentlich entschieden?“

Brumil zwirbelte sich nachdenklich eine Bartlocke um den Finger: „Hm … wenn ich mich recht erinnere habe ich dem Händler recht gegeben.
Wie gesagt Hochwohlgeboren, es war ein schwieriger Fall. Beide beriefen sich ja auf göttliche Lehren, die einander zuwiderliefen und beide hatten Recht.
Ich erkundigte mich im Dorf nach dem Käufer und nach dem Verkäufer um mir ein Bild der Beiden machen zu können. Dabei stellte sich heraus, dass der Käufer zwar Redlich war, jedoch auch als jähzornig und aufbrausend galt. Der Händler war dafür bekannt teuer, aber verlässlich zu sein.
Und Verlässlichkeit hat schließlich auch ihren Wert.“
Brumil strich sich den Bart wieder glatt und brummte:
„Mein Vorschlag in Sachen der Erbfolge war so gemeint, dass zur Feststellung des Erbes Verträge angefertigt werden können, wenn die Form der Eheschließung keine Klarheit der Nachfolge bewirken kann. Das ist vor allem bei Rahjabünden der Fall.
Eheschließungen sind ja, soweit mir bekannt, immer mit dem Segen eines oder einer der Zwölfe legitimiert. – Sie sind und bleiben daher Teil unseres Lebens.
Gerade bei Rahjabünden, wo eine Blutsnachfolge im Mannesstamm quasi irrelevant ist, kann ein zusätzlicher Vertrag über die Regelung der Erbfolge Rechtssicherheit bewirken.
Der Vorteil eines Vertrages gegenüber eines zusätzlichen Traviasegens ist ja, dass ein Vertrag nicht wertend ist und Eheschließungen auch außerhalb der Moralvorstellungen der Traviakirche zulässt.
Göttergefällig sind solche Ehen ja allemal – wenn auch nicht Traviagefällig.
Verträge – ganz allgemein – sind auch für die Kirchen der Zwölfe nichts Neues. Die Praioskirche, aber auch die Phexkirche sind dafür bekannt durch ihren Segen Verträge mit göttlicher Legitimation auszustatten.“


„Nun“, erwiderte Nale, , „Ein durchaus... interessanter Vorschlag, das muss man Euch zugestehen.“ Damit war das Thema für Nale beendet.
„Aber da Ihr nun gerade anwesend seid, werter Richtgreve, was sagt Ihr, der sich mit Recht und Gesetz auskennt, wie wohl sonst nur äußerst wenige, eigentlich zu den nicht eingehaltenen Versprechungen und den nicht in voller Höhe entrichteten Zahlungen des Horasreiches, welche im Vertrag von Weidleth festgehalten wurden? Handelt es sich hierbei um eine rechtmäßige Forderung? Und kann das Mittelreich demzufolge mit Kompensation rechnen?“