Liebe geht durch den Magen - Die Präsentation

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Felsenried, 1035
“Ach du dicke...”, murmelte Roban. Immer, wenn gelost wurde, zog er garantiert den Kürzesten. Aber sei es drum, das Unvermeidliche wäre ohnehin nur hinausgezögert worden. Was man hochtrabend als “Roterzer Beerengipfel” bezeichnen wollte, würde wohl eher ein “Moorbrücker Reinfall” werden. Die Sahne war erst gar nicht steif geworden, jetzt war sie vermutlich fest genug, um Scheiben damit einzuwerfen. Irgendwo darin war noch ein Sammelsurium verschiedener Beeren, aber die würde man bei der Menge Schnaps, die er zur Hälfte in die Torte, zur anderen Hälfte in sich selbst geschüttet hatte, wohl nicht bemerken.
Seine “Geheimwaffe”, ein fürchterlich scharfes Kräutersalz, hatte er mit Rücksicht auf den Magen des Fürsten wohlweislich in der Tasche behalten. Bei dem Mist, den er zusammen gerührt hatte, war er ohnehin raus aus der Geschichte.
Als er das, was er in zwei Stunden fabriziert hatte, vor dem Schiedsgericht abstellte, schien Filbus seine Worte, dass jetzt nicht mehr getan werden durfte, zu bereuen. Vermutlich wäre er nicht abgeneigt gewesen, hätte Roban angekündigt, seine “Torte” in den Schweinetrog zu entsorgen, anstatt jetzt den Fürsten damit zu behelligen. “Einige Worte, Herr Grobhand”, lächelte Fürst Blasius aber milde, als Roban sich schweigend wieder verkrümeln wollte. “Das Fräulein Anglinde möchte schließlich wissen, wer ihr diese recht...ungewöhnliche Speise vorsetzt.”
“Roban Grobhand von Koschtal”, presste der Ritter hervor. “Und ein paar Worte...”
Sein Blick irrte in das Publikum. Vater stand der Schweiß auf der Stirn. Die Niederlage seines Sohnes war so sicher wie der Tod eines Walfängers inmitten eines Haufens tobsüchtiger Thorwaler. Jetzt konnte er nichts mehr versauen – er konnte sich nur noch treu bleiben.
Er holte tief Luft.
“Ich bin kein Koch und kein Zuckerbäcker, Junkerin”, begann er dann mit fester Stimme. “Ich bin ein kleiner, unbedeutender Ritter, und kann mit dem Schwert wahrlich mehr anfangen als mich dem Kochlöffel. Die einzige Tugend, die ich Euch heute bieten kann, ist eine gute koscher Tugend: die Ehrlichkeit!
Bis vor kurzem kannte ich nicht mal Euren Namen, und gefreit hätte ich Euch auch nicht. Obwohl Ihr es bestimmt wert seid...”
Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen – und das Klatschen einer Hand an die Stirn schlecht überhören. Doch Fürst Blasius lächelte immer noch. Höflich, oder doch wirklich angetan von seinen Worten.
“Also bin ich ehrlich zu Euch: ich bin hier, weil meine Familie das wollte. Als guter Sohn koscher Adliger folgte ich den Worten meines Vaters, wie es der Brauch verlangt. Ich kann nicht kochen, und ich kann nicht backen, und Eurer Schönheit ist ein ruppiger Gesell wie ich nicht wert. Ich kann Euch weder ein angemessenes Heim bieten, keine vernünftigen Manieren, keine Reichtümer, nicht mal einen großen Namen. Nur ehrlich, das wollte ich wenigstens sein!”
“Eine ungewöhnliche Rede, aber sie passt zu dieser...Torte, falls es eine sein soll”, urteilte Kantzler Nirwulf, und vermutlich schauderte ihn bei dem Gedanken, das Ungetüm aus Sahne, Beeren und Alkohol auch noch kosten zu müssen.

„Hoch verehrtes Fräulein Anglinde, geschätzte Schiedsrichter. Ich möchte Euch dieses Dreierlei an Tartes anempfehlen. Die erste ist mit Flussbarsch und Golddistel. Die zweite enthält Kaninchenfleisch, dazu Birnenstückchen und Apfelbrand. Die dritte hat eine Füllung aus Erd-, Blau- und Himbeeren. Diese Zutaten stammen aus allen Teilen der Grafschaft Ferdok: aus den Wäldern und den Flüssen, von den Bergwiesen, den Obsthainen und den Feldern, die die fleißigen Bewohner dieses Landes hegen und pflegen. Auch wenn die Pflicht mich an den Hof des Grafen vom See gerufen hat und die Ehre mich dort halten wird, so hoffe ich, dass diese Backwaren der Ernsthaftigkeit meines Anliegens und meiner Verehrung den Ausdruck verleihen, den ich in Worten nicht auszudrücken vermag.“ sprach Etilian von Lindholz-Hohenried nachdem er der Aufforderung, vorzutreten, gefolgt war.
Es waren Worte an denen er lange gefeilt hatte. Er hatte sie niedergeschrieben, umgestellt, durchgestrichen, verflucht, gelobt und wieder verworfen. Am Ende hatte er das, was ihm geblieben war, zusammengetragen und auswendig gelernt. Vermutlich hätten sie sogar gehörigen Eindruck gemacht, wenn er sie nicht vor lauter Aufregung in einemwahnsinnigen Tempo, unterbrochen nur von gelegentlichem Luftholen, heruntergerattert hätte. Jetzt, da er sich die Zeit nahm, die Situation in Augenschein zu nehmen, kam er darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass es wohl von Vorteil gewesen wäre, wenn er dem – zugegebenermaßen – faszinierenden Muster aus Klecksen und Mehl auf den Bodenplatten während der Rede etwas weniger Aufmerksamkeit gezollt hätte.
Wie konnte eine so ungefährliche Situation ihn so überfordern? Er hatte Wunden auf dem Schlachtfeld geflickt. Er hatte Heil- und Fiebertränke gebraut, während Wesen, die ihr eigenes Leben bereits ausgehaucht hatten und um so mehr danach gierten, es anderen zu entreißen, irgendwo in der Nacht jenseits des Lagers durch das Tannicht schlichen.
Unglücklich über sich selbst hob er kurz den Blick, nur um ihn dann in einer Verbeugung erneut zu senken und zurück in die Reihe zu treten.

Mit festem Blick und klarer Stimme hob nun Boronar vom Kargen Land zum Reden an, darauf bedacht, lieber etwas langsamer und dafür deutlicher zu sprechen. Seine Ansprache würde ohnehin kurz genug sein. Nachdem er die Anwesenden standesgemäß begrüßt hatte und ein paar einleitende Floskeln darüber verloren hatte, dass es eine wahrhaft koscher sei, auf diese Art einen Bräutigam zu finden, und dass es eine besondere Ehre darstelle, zu den Teilnehmern zu gehören, kam er gleich zur Sache. "Die Kreation, die ich Euch präsentiere, mag nichts das Edelste und Ausgefallenste sein, das jemals Euren Gaumen entzückt hat. Sie zeigt jedoch sehr gut, woher ich komme und ob sich das mit einer holden Dame aus Stanniz verträgt, so dass sie ihre Aufgabe, meine Eignung als Bräutigam zu prüfen, wohl erfüllen mag. Diese Torte hat als Basis einen einfachen hellen Teig. Jedoch wurde als Verfeinerung ein wenig von dem Apfelwein aus Tallon beigegeben, der weit über die Grenzen der Baronie hinaus berühmt ist. Im Inneren der Torte habe ich Marzipan verwendet, das mit dem Apfelaroma harmoniert. Wie unschwer zu erkennen ist, besteht die Garnierung aus Brombeeren. Es handelt sich dabei um eine Ernte aus der Umgebung von Skretin, die diese wackeren Hügelzwerge" - er deutete mit einer ausholenden Geste auf Hagebar, Garescha und Olbyn - "geerntet haben. Mit jenen Angroschim ist meine Familie freundschaftlich verbunden. Als kleine Variation habe ich ferner Walderdbeeren hinzugegeben. Sie wurden von meiner Verwalterin Muroscha Apfelbach und mir höchstpersönlich in den Wäldern rund um das Junkergut Mistelstein gesammelt. Ob diese Kombination aus Stannizer, Metenarer und Sindelsaumer Zutaten am Ende den größten Anklang finden wird, vermag ich nicht zu sagen, denn das zu beurteilen obliegt den Schiedsrichtern. In jedem Fall ist es ein Werk, das ich als Mensch zwar mit eigenen Händen vollbracht habe, dies jedoch nicht ohne die Unterstützung der Zwerge geschafft hätte - mit anderen Worten: wahrhaft koscher!" Bei diesen Worten weichte ein Lächeln Boronars Züge auf, welche sonst oft sehr ernst waren, und mit einer galanten Verbeugung beendete er seine Rede. Er war sich tatsächlich alles andere als siegessicher, aber er hatte sich wacker geschlagen. Die drei Zwerge sahen sich kurz an und nickten sich dann zufrieden zu. Gut gewählte Wort, und dem Duft der Torte nach zu urteilen war es keine schlechte Leistung für einen Kurzlebigen!

„Mit ganz so vielen Zutaten wie meine werten Bäckerkollegen kann ich nicht dienen.“ Rainfried blickte mehr als nur anerkennend auf die Tartes und Kuchen, die bereits auf der großen Tafel angerichtet waren, während seine Worte der zukünftigen Braut und den Richtern galten. „Und auch nicht alles davon konnte ich alleine aus der Umgebung bekommen. Wobei es sicherlich eines Versuches wert wäre, ob Benbukkel auf torfigem Boden gedeiht.“
Der Grimsauer atmete einmal tief durch und drückte den Rücken gerade.
„Doch alles, was euch, werte Anglinde, in Zukunft erwarten kann, ist Teil der Apfelweißweintorte, die ich euch hiermit antragen will. Mehl und Grieß, die das Fundament sicherstellen, kommen von eigenem Getreide, das sorgfältig verlesen und gemahlen wurde, damit keine Unreinheit den Genuss verderben konnte. Die Äpfel, Sinnbild für das Koscher Volk, wurden von der Familie Faßbrandt in wenigen Jahren den Moorlanden abgerungen. Der Honig, der die nötige Süße in das Leben bringt, stammt aus den Bienenstöcken der Familie Immenstein. Die Zwillinge der Familie, die vor kurzem das Licht der Welt erblickt haben, mögen Zeugnis sein für die Ehrlichkeit und Wirksamkeit dieser Süße.“
Ein schelmisches Lächeln stahl sich auf Rainfrieds Gesicht.
„Der Wein, so ihr es wünscht, das Feuer der Zukunft, ist hingegen aus den Landen unserer Almadaner Nachbarn, und somit der Teil, der von mir kommt.“ Rainfried hob das Weinglas in seiner Hand.
„Und zu guter Letzt der Benbukkel. Möge er sicherstellen, so ich euer Herz und diesen Wettbewerb gewinnen kann, dass in unserer Verbindung immer der Zauber des Besonderen verbleiben möge.“
Mit einer vollendeten Verneigung beendete Rainfried seine kurze Rede, und trat wieder zurück an seinen Tisch, die Worte der verbleibenden Kontrahenten erwartend. Seine Augen blickten jedoch die ganze Zeit weiter auf das Antlitz von Anglinde von Mackenstein und insgeheim dachte er sich in seinem vom Wein befeuerten Überschwang, dass diese Frau es wahrlich wert wäre, geraubt zu werden.

Trest von Vardock war als nächster an der Reihe doch weder sein Werk noch seine Rede schienen Anglinde besonders zu beeindrucken. Wilbur von Nadoret traf derweil mit seiner exquisiten Torte den Geschmack der Richter. Ruhig und selbstbewusst sprach er über seinen eigenen Taten und Fähigkeiten und sprach dann lange und ausgiebig über die Familie Mackenstein ohne dabei zu vergessen Anglinde für ihre Charakterstärken zu preisen. Hier hatte sich jemand weitreichend informiert wie auch die anderen Teilnehmer anerkennend feststellen mussten.
Edelfried von Butterbös konnte dieser Vorlage nicht so recht folgen. Auch er sprach über Heerfahrten und Turniererfolge, doch als letzter in der Reihe der Bewerber konnte er keine neuen Akzente setzen. Nach und nach traten so die Teilnehmer einer nach dem anderen vor die Richter und bei einem jeden nahmen sich die der Fürst und seine beiden Getreuen die Zeit die Kuchen ausgiebig zu kosten. So geizten sie auch nicht mit freundlichen Worten für die acht Teilnehmer und hörten ihnen ausgiebig bei ihren Vorstellungsreden zu. Als nun auch das letzte Stück Kuchen verspeist war erhob sich Fürst Blasius von seinem Stuhl und sprach: „Ihr alle habt euer bestes getan. Wir haben eure Worte angehört, euren Kuchen gegessen und werden uns nun zurückziehen um uns zu beraten und die Berichte unserer Garde-Greven anzuhören. Ihr mögt euch daher nun zurückziehen und ausruhen, bis zum Abendmahl gerufen wird. Dort werden wir dann unsere Entscheidung bekannt geben.“
Als er seine Rede beendet hatte erhoben sich auch Cantzler und Säckelmeister und folgten dem Fürsten aus dem Saal, ebenso wie acht Garde-Greven die die Teilnehmer über die letzten Wochen begleitet hatten.