Entführung des Prinzenpaares - Drauf und dran
Erlan hörte dem Greifenfurter aufmerksam zu...
"Mir scheint es ist besser, wenn sich ein Koscher hier umhört. Bei euch Greifenfurtern hört man gleich den Akzent, und kennen tut mich hier garantiert niemand."
So sattelte er ab und begab sich zu einer Hütte. Als er sicher war, dass die anderen von der Tür aus nicht gesehen worden waren klopfte er vorsichtig an der Tür an.
"Dieser Erlan," dachte sich Urion, "ohne abzuwarten ging er einfach drauf los, hoffentlich ging das gut."
"Nun Wehrmeister, das WER wäre wohl geregelt, wünschen wir ihm Phexens Gunst. Am Besten wir verschwinden in der Kate und ruhen uns aus. Ich schlage vor, bis Erlan wiederkommt können zwei schon mal ein Schläfchen riskieren, während einer Wache hält und auf Bibernell aufpasst. Wollt ihr und Anselm zuerst? Ich schaue mir derweil auch noch den Gardisten an. Dann kann auch dieser ein wenig ruhen."
Urion nahm seine leine Satteltasche mit den Phiolen und Tiegeln und begab sich ins Haus, wo ihn eine wohlige Wärme umfing und ihm der Geruch eines prasselnden Feuers in die Nase stieg.
"Na ja, wenn Ihr meint, dass sich dies so lange hinzieht, Urion, will ich dem gerne nachkommen und einen Moment ausruhen“, sagte Anselm.
„Ich bin mal gespannt, was nun hier in dem Weiler herauskommt. Hat jemand von Euch auf Spuren geachtet und wenn ja, gab es solche, die Euch beunruhigen?"
Thorben sah dem Sindelsaumer verdutzt nach. Eigentlich wollte er erstmal alle in der Hütte sammeln und die Leute ein wenig ruhen und sich stärken lassen. Er hatte nicht gedacht, dass gerade Erlan so voreilig handeln würde, daher war er dermaßen überrascht, dass er nur noch laut hätte rufen oder hinter Erlan her rennen müssen, beides verwarf er sofort als zu auffällig.
"Führen wir die Tiere hinter der Hütte so gut es geht außer Sicht. Eigentlich hätten wir sie außerhalb lassen sollen, wer nimmt einem Krambold und drei Handwerkern schon Pferde ab?" sagte er leicht missmutig zum Reiffenberger.
"Ich glaube, hier zollen wir unser Müdigkeit Tribut", fügte er hinzu.
"Den Prinzen und den Cantzler informieren wir, wenn sie hier eingetroffen sind. Bis dahin sollten wir die Lage der Burg oder ihren Namen in Erfahrung gebracht haben. Ich glaube nicht, dass wir hier schon nah genug sind, um die Hütte als Basis gegen die Burg zu verwenden.
Ich glaube, dass wenn die anderen erst hier sind, die Leute hier uns gerne helfen, denn immerhin reitet der Baron von Geistmark mit uns, und der ist im ganzen Wengenholm bekannt und, so wie ich es erlebt habe, beliebt."
Nachdem die Pferde leidlich versteckt und so gut es ging versorgt waren gingen Thorben und Urion ins Haus, um zu sehen, ob sich schon wer um Essen und warme Getränke gekümmert hatte. Allerdings kam Thorben nicht dazu danach zu fragen, denn der Sekretär fesselte seine Aufmerksamkeit. Schnell schritt er hinüber und begann ihn zu durchsuchen.
Wie es schien, war er leergeräumt worden - so wie die gesamte Hütte einen leeren Eindruck machte. Die Wursthaken waren leer, ebenso der Topfhaken über dem Feuer. Den Umrissen und Schleifspuren auf dem Boden nach, standen hier vor kurzen noch mehrere Kisten und mindestens ein Fass an den Wänden. Auch im Sekretär fand Thorben nur eine zerbrochene Schreibfeder und einen Fleck aus einfachem Siegelwachs - in einer Schublade jedoch fand er, lieblos und halb zerknüllt am hinteren Ende, einen Brief. Es war offenbar ein Antwortschreiben - es trug das Zeichen der Gilde der Fuhrleute, den Fuchs auf dem Wagenrad:
"An Bibernell Liebanger, Hannos Hof, Baronie Geistmark
Werte Bibernell Liebanger, mit bedauern vernahmen wir von Eurem bitteren Schicksal. Genugtuung erfüllt uns einzig die Botschaft, dass die Räuberbande, die Euch dies angetan hat, mittlerweile aufgeknüpft wurde. Leider wurde jedoch Eure geraubte Habe nicht bei ihnen gefunden, so dass es ebenso verloren bleibt, wie Eure Sprache.
Zu Eurem Anliegen: Wie ihr wisst sind in diesen schweren Tagen die Almosenkassen unserer Gilde nicht gut gefüllt. Zudem seid Ihr mit 33 Götterläufen noch jung an Jahren und habt selbst erst wenig in unsere Kassen einzahlen können. Dennoch hat der Gildenrat einmütig beschlossen Eure Eingabe mit einer Leibrente von monatlich 19 Silbertalern (in Worten: neunzehn) zu bedenken. Zum Zweiten des Mondes abzuholen am Gildenhaus zu Angbar. Wir bitten um Pünktlichkeit. Eure Mitgliedschaft im Kreis der Fuhrleute ist hiermit abgegolten, es wird kein Beitrag mehr erhoben.
Wir wünschen Euch, auch wenn Ihr nun andere Wege als die unseren gehen müsst, der Götter Glück, Phex voran!
Odoardo Markwardt, Obmann der Gilde der Fuhrleute von Angbar"
Es dauerte einen Moment, ehe man schlurfende Schritte hörte. Ein etwas zerwühlt wirkender, grobschlächtiger Mann öffnete die Tür, er schnürte ein Stück Seil als Gürtel um seine Hose, die er offenbar gerade erst angezogen hatte. Nun glotzte er Erlan an, der im Holzfällerkostüm vor der Tür stand und brummte missmutig: "Wer bist Du, was willst Du?!"
Erlan musterte den Mann und sprach ihn dann mit dem schweren Zungenschlag eines einfachen Koschers an.
"Die Zwölfe zum Gruße! Ich bin mit ein paar Freunden auf dem Weg Richtung Rondrasdank und wollte mich nur erkundigen, ob es auf dem Weg, oder in der Gegend irgendwelche Gefahren gibt. Bei uns unten in Bärenklamm hört man immer so viel über Räuber in der Gegend."
Der Mann musterte Erlan ebenfalls, kratzte sich erst den haarigen Bauch, dann den haarlosen Hinterkopf. Halb gähnend gab er schließlich in seinen Bart murmelnd zu verstehen:
"Ja, ja, Räuber gibt es immer wieder mal - erst vor einem Jahr hat man die fahrende Krämerin von unserem Ort überfallen, beraubt und übel zugerichtet. Besser man verlässt seine Heimat erst gar nicht. Viel schlimmer sind aber die vielen Gespenster und rastlosen Geister in der Harschenheide. Nehmt euch nur in Acht!"
"Nein werter Anselm, keine Spuren, leider keine Spuren. Aber ich wollte uns erstmal einen schnellen Eintopf zubereiten. Ihr könnt ausruhen oder Euch um den Fürstlichen Hellebardier kümmern. Ich bin sicher, ihr könnt schon jetzt etwas für ihn tun. Wenn der Prinz kommt, hat er sicher auch die Geweihte der Peraine dabei. Bedient Euch ruhig aus meiner Satteltasche", sagte Urion und wandte sich der Vorratsnische zu. Auch sie war leer.
Bibernell sah das und führte ihn zu ihrem Wagen. Dort hatte sie offenbar ihren Proviant verstaut. Aus einem Sack nahm er ein paar Rüben und einige Zwiebeln. Außerdem noch etwas Rauchspeck. Daneben stand ein Fass mit Wasser.
Während Urion sich um die Zutaten kümmerte, nahm Bibernell einen Beutel an sich - der Rittmeister reagierte schnell und nahm ihr den Beutel vorsichtshalber ab. Doch darin waren lediglich einige unbeschriebene Bögen Büttenpapier und einige Briefe. Kein Hinweis auf einen Anschlag. Er gab den Beutel zurück zu Bibernell, die ihn ob des Misstrauens mürrisch an sich nahm. Dann kehrten beide in die Hütte zurück.
Urion nahm einen Kupfertopf und hing ihn an einen Haken über dem Feuer und füllte ihn mit Wasser. Dann bereitete er die Zutaten zu und fügte sie nacheinander in das kochende Wasser. Leider gab es hier keine Kräuter, aber ein wenig Salz hatte er noch gefunden. Es sollte also für ein Süppchen reichen, das nach dem anstrengenden Ritt und Marsch durch die winterliche Landschaft des Kosch die Lebensgeister wieder wecken würde. Er wandte sich an Bibernell und zog seinen Geldbeutel.
"Hier, werte Bibernell, egal was noch passiert, wir haben Euer Gastrecht so forsch in Anspruch genommen. Nehmt dies als kleine Entschädigung."
Er drückte Ihr drei Silbertaler in die Hand und wandte sich wieder zum dampfenden Kochtopf und schmeckte ab.
"Nun! Nicht gewürzt, aber heiß!"
"Gut, Freund Urion, dann werde ich einmal nach ihm sehen, bevor ich mir selbst ein wenig Ruhe gönne."
Anselm nahm einen festen Verband aus des Rittmeisters Tasche, da er sich entsann, dass der Hellebardier sich am Fuß verletzt hatte. Der dickliche, kleinere Mann hatte sich in eine Ecke des Hauses gesetzt und stand - für ihn sicherlich schnell - für Anselm grottenlangsam auf und schonte dabei eindeutig seinen Fuß.
"Zieht den Stiefel aus, dann wollen wir mal sehen, ob der Fuß nicht wieder so gerichtet werden kann, dass er kein Hindernis zum schnellen Marsch darstellt!"
"Sofort Herr", erwiderte der Angesprochene und ehe er sich versah, hatte er einen eng ansitzenden Stützverband, der ihm das Marschieren etwas erleichtern würde. Als Urion sah, dass Anselm den Hellebardier versorgt hatte brachte er den beiden je eine Schale heißer Suppe.
"Hier, aber Vorsicht; sie ist schlecht gewürzt, aber dafür umso heißer!"
Zum Wehrmeister gewandt fragte er: "Ihr auch, Hammerschlag?" und deutetet auf die Schalen. Während er auf die Antwort wartete, tat er Bibernell und sich selbst etw<s auf.
Erlan nickte dem Mann freundlich zu.
"Jaja, schlimme Zeiten sind das. Aber hier sind in den letzten Tagen keine merkwürdigen Gestalten durchgekommen?"
"Ach, so merkwürdige Gestalten kommen hier immer wieder mal durch. Am Besten ist man dran, wenn man sie wenig beachtet."
Dabei musterte der Mann Erlan von oben bis unten und grinste schräg, so dass seine gelben Zähne zum Vorschein kamen. Schließlich schloss er die Tür.
"Gut dann möchte ich euch nicht weiter aufhalten. Habt Dank für eure Auskünfte."
Als sich Erlan auf den Rückweg zu Bibernells Hütte machte, rann ihm ein Schauer den Rücken herunter. Vor lauter Müdigkeit hatte er sich verhalten wie ein Idiot. Als er durch die Tür in die Hütte trat murmelte er "Verzeiht, vor lauter Müdigkeit habe ich unvorsichtig gehandelt." Als er die Suppe sah, hellte sich sein Gesicht auf. Mit einem Handgriff löste er einen kleinen Beutel von seinem Gürtel und warf ihn dem Kochmeister zu.
"Hier, das ist meine Gewürzmischung, damit könnt ihr die Suppe ein wenig aufpeppen. Die Hütte sieht ja trostlos aus."
Nun wandte er sich an Bibernell.
"Sagt, ist hier nichts, weil ihr so arm seid?"
Als sie heftig nickte, machte Erlan ein trauriges Gesicht. Wenn sie ihre Strafe erhalten hatte, würde er der armen Frau ein wenig helfen, dachte er bei sich. Dann löffelte er schnell seine Suppe aus und rollte sich in seiner Decke auf dem Boden zusammen.
"Weckt mich bitte, wenn ich mit der Wache dran bin", sagte er noch kurz in die Runde und schlief dann sofort ein. Der lange Schlafentzug und die andauernde Reise hatten an seinen Kräften gerzerrt.