Aufruhr auf Burg Salmingen

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Ausgabe Nummer 40 - Ingerimm 1028 BF

Von edelsten Geschlechtern: Aufruhr auf Burg Salmingen

Der Einzug des neuen Barons zu Dunkelforst

SALMINGEN, BARONIE DUNKELFORST. Großes Unheil war in den letzten zehn Götterläufen über das einst große und mächtige Haus von Salmingen gekommen: Die Baronin von Dunkelforst und Baronet Sindar fanden bei der Invasion Borbarads in Tobrien den Tod, Erbbaronet Anghard war in der Dritten Dämonenschlacht gefallen, Seine Hochgeboren Gundulf von Salmingen schließlich starb in den Trümmern der Neuen Residenz zu Gareth. Als ob dies nicht der Schicksalsschläge genug wären, beging die schöne Charissia, älteste Schwester Gundulfs, schlimmsten Verrat und stürzte den ganzen Kosch in tiefstes Unglück.

Doch es gibt einen Lichtblick für die Baronie: Hagen von Sturmfels m.H., Ritter zu Rabenstein, der neue Baron von Dunkelforst. Hagen ist ein Neffe Gundulfs, dessen jüngere Schwester Frylinde mit dem nordmärkischen Baron und Reichskammerrichter Bernhelm Sigismund von Sturmfels m.H. verheiratet ist. Der Anspruch des erst 21jährigen Hagen von Sturmfels war vom Koscher Fürsten wie vom Ferdoker Grafen anerkannt worden, nachdem seine Mutter zu seinen Gunsten auf die Baronie verzichtet hatte.

Es war am späten Nachmittag eines eisigen Tsatages, als Hagen im Hauptort seines Lehens, der Stadt Salmingen, eintraf. Die Firunskälte sorgte dafür, dass kaum ein Bürger auf den Straßen war, als der in Pelz und dicke Wolle gekleidete Baron mit seinem kleinen, ebenso vermummten Gefolge in der für ihre hesindianischen Mysterienspiele berühmten Stadt am Rande des unheimlichen Dunkelwaldes eintraf. Ohne Umschweife ritt der junge Baron hinauf auf Burg Salmingen, die über der Stadt und dem Dunkelwald thront. Der Kämmerer von Burg Salmingen hieß den neuen Baron ebenso überrascht wie erfreut willkommen und befahl umgehend, Bier und Speisen herbeischaffen zu lassen. Burschen wurden ausgeschickt, um die Geweihten, Zunftvertreter und Kaufleute der Stadt Salmingen auf die Burg zu rufen, um ihrem neuen Herrn die Aufwartung zu machen. Auch wurden Berittene ausgesandt, um die Dunkelforster Ritter, deren Güter größtenteils um den Hauptort verteilt liegen, zu ihrem neuen Baron zu befehlen.

Binnen weniger Stunden fanden sich mehrere Dutzend Würdenträger der Baronie auf Burg Salmingen ein. Und während die halben Säue gebraten wurden und das Ferdoker reichlich floss, leisteten die Adligen Hagen von Sturmfels Treueide, während ihm seine Untertanen huldigten. Ganz nach Koscher Art gingen die Förmlichkeiten bald in eine große Feier über. Spätestens dann herrschte große Erleichterung, denn es war nun offensichtlich, dass in Hagen von Sturmfels nicht etwa sein gestrenges nordmärkisches Blut vorherrschte, sondern das fröhliche Koscher Erbe die Oberhand hatte.

Die Feierlichkeiten waren ausgelassen, und alle Anwesenden lauschten gespannt Seiner Hochgeboren Hagen von Sturmfels, als dieser von den Heldentaten seiner jungen Jahre berichtete. Er erzählte von der Belagerung der Burg Tannwacht im Eisenwald, wo er höchstselbst dem horasischen Edelmann Basileos von Grötz-Windehag-Garlischgrötz das Schwert an die Kehle setzte, und im Anschluss den Ritterschlag von Seiner Hochgeboren Lucrann von Rabenstein empfing. Oder er berichtete von der Schlacht von Crumolds Auen, bei der er die Isenhager Ritterschaft gegen die albernischen Berittenen zum Sieg führte. Als der junge Baron geendet hatte, spielte ein Barde das Crumoldlied, das von ebendieser glorreichen Schlacht Jast Gorsams vom Großen Fluss handelt — und in dem auch vom tapferen Kampf Hagens gegen die die Weißen Löwen des albernischen Hauses Stepahan berichtet wird. Der neue Baron von Dunkelforst genoss es merklich, wie alle Blicke — insbesondere diejenigen einiger hübscher junger Damen — auf ihn gerichtet waren, ihn, den Held von Crumolds Auen. Die Hochrufe auf den Baron erfüllten den Rittersaal von Burg Salmingen und das gute Ferdoker floss in Strömen, als es plötzlich still wie in Borons Hallen wurde. Gerade berichtete Hagen von seinen Plänen, sich vom tobrischen Herzog als Herrscher der Baronie Baruns Pappel — der tobrischen Besitzung des Hauses Salmingen — bestätigen zu lassen, da ging ein Raunen durch die Menge.

Die Tür zum großen Saal hatte sich geöffnet, und darin stand eine beeindruckend schöne Frau im besten Alter: Gut achteinhalb Spann groß, hochgesteckte schwarze Haare, smaragdgrüne Augen, gewandet in ein Kleid, wie es einer Garether Hofdame angemessen wäre. Eine junge Bannerträgerin der Salminger Schwadron der Ferdoker Lanzenreiterinnen, die in Angbar dabei gewesen war, als es gegen den todbringenden Alagrimm ging, und die erst kürzlich nach Salmingen versetzt worden war, zog ihren Säbel, stellte sich mutig dem neuen Gast entgegen und brüllte: „Zwölfmalverdammte Charissia, hundertfache Mörderin, diesmal entkommst du dem Zorn Rondras nicht!“

Entsetzte Rufe machten die Runde, und Hagen von Sturmfels, der von seinem Platz aufgesprungen war, fuhr die Offizierin an: „Bei den Zwölfen! Lasst Euren Säbel sofort sinken, Bannerträgerin, oder es wird Euch schlecht ergehen!“

Erstaunt blickte sich die unerfahrene Offizierin um und sah in die entschlossenen Augen des jungen Barons, der seine Rechte am Schwertknauf hatte und mit großen Schritten auf sie zukam. Der Bannerträgerin bemerkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, und die entsetzten Rufe nicht etwa der finsteren Charissia galten, sondern ihrem eigenen Verhalten. Was stimmte hier nicht? Als sie sich wieder zur vermeintlichen Charissia umwandte, hatten sich bereits einige Anwesende schützend vor die Mittvierzigerin gestellt. Da wurde sie auch schon von mehreren kräftigen Händen gepackt, und ihr Säbel fiel klirrend zu Boden.

Hagen von Sturmfels, im gleichen Alter wie die energische Ferdokerin, war nun an der Seite der neu eingetroffenen Dame und sprach: „Verehrte Damen, geehrte Herren, keine Unruhe, bitte! Ich möchte dieses unselige Missverständnis aufklären und hiermit allen Anwesenden meine über alles geschätzte Frau Mutter, Ihre Hochgeboren Frylinde von Salmingen-Sturmfels, Baronin zu Dohlenfelde, vorstellen.“ Alle Salminger kannten natürlich die Zwillingsschwestern Charissia und Frylinde, und wussten, dass es nicht möglich war, die beiden auseinanderzuhalten. Manch einen Scherz hatten die Zwillinge als kleine Mädchen und auch noch als junge Damen mit ihrer Verwechselbarkeit getrieben, und nun wäre diese Laune Tsas Frylinde fast zum Verhängnis geworden. Hagen, Frylinde und die hoch angesehene Tempelvorsteherin des Salminger Hesindetempels erzählten die Geschichte für die wenigen Anwesenden, denen sie nicht bekannt war. Die Bannerträgerin der Ferdoker Lanzenreiterinnen hatte nicht wissen können, dass Frylinde und Charissia Zwillingsschwestern waren, und fiel vor dem Baron und seiner Mutter auf die Knie, bat um Verzeihung für ihr Verhalten. Frylinde sprach: „Erhebt Euch, es ist nicht Eure Schuld, nicht jede üble Laune der Götter durchschauen zu können. Ich empfinde keinen Grimm gegen Euch.“

Während Frylinde von Salmingen-Sturmfels die ihr wohlbekannten Würdenträger der Baronie ihres Sohnes und ihre vielen anderen Bekannten herzlichst begrüßte, stand die Bannerträgerin der Ferdoker Lanzenreiterinnen ebenso verwirrt wie peinlich berührt mitten im Raum, ihr Säbel lag immer noch zu ihren Füßen. Da trat Seine Hochgeboren Hagen von Sturmfels an die Seite der jungen, amazonenhaften Offizierin, deren energisches Auftreten ihn nicht wenig an sich selbst erinnerte. Der Baron hob den Reitersäbel des stolzen Reiterregimentes auf und reichte ihn der Bannerträgerin. Dann legte er den Arm um ihre Schultern, führte sie zu einem Sitzplatz und winkte eine Schankmaid herbei, um erst einmal ein gutes Ferdoker auf den Schreck zu trinken.

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