Zwischen Leben und Tod

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Ausgabe Nummer 40 - Ingerimm 1028 BF

Zwischen Leben und Tod

Der Kampf um die Seele der Alara zu Ochsenblut

Auf unsere Bitten hin hat sich Magister fa Shantalla bereit erklärt, einen getreulichen Bericht über seine Erlebnisse im Geisterreiche Porquids, von dem im vorigen Artikel die Rede war, abzufassen. So mag der geneigte Leser einen Eindruck von den Gefahren haben, welche die wackeren Streiter des Kosch und der Nachbarlande auf sich nahmen, um die fürstliche Familie aus den Klauen des Falschen Ferdokers zu retten.

Nach mehreren Anfragen will ich nun doch versuchen zu berichten, wie wir die von Graf Porquids Geist entführte Seele Ihrer Wohlgeboren Alara von Eberstamm Erbjungfer zu Ochsenblut befreien und in die Sphäre der Lebenden zurückführen konnten.

An anderer Stelle habe ich bereits gesagt, dass uns die Grenzen zu Regionen zwischen der lebendigen Welt und den Stillen Hallen des Herrn Boron kraft eines Mirakels Ihrer Hochwürden Äbtissin Kreuthensteyns von Trolleck geöffnet wurden.

Dass nicht der fleischliche Körper dorthin gehen kann, sondern allein der Geist, versteht sich eigentlich von selbst. Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie vielen der tapferen Seelenretter vorher klar war, dass die Trennung des Geistes vom Körper und sein Übertritt in jene andere Welt in gewisser Weise den Tod bedeuten. Ich hoffe sehr, dass alle, die diese Erfahrung jetzt gemacht haben, das Leben künftig noch etwas mehr zu schätzen wissen, und vielleicht nicht nur ihr eigenes.

Betonen muss ich dabei, dass wir zu keiner Zeit jene Stillen Hallen betraten, die wirklich Borons Reich sind. Aus diesen kehrt eine Seele nur sehr selten ungewandelt zurück.

Die feinen Unterschiede zwischen den Möglichkeiten der Geister eigentlich noch Lebender und denen der Seelen wahrhaft Toter sowie die Bedingungen, unter denen die einen wie die anderen das Jenseits erreichen oder daraus zurückkehren können, würden hier zu weit führen und nur langweilen. Wichtig ist, dass uns ein „Anker“ mit der Gesuchten und mit dem Leben verband, andernfalls wohl nur wenige Suchende hin- und wieder zurückgefunden hätten.

Wir starben also — beinahe wenigstens, es kam dem wahren Sterben schon recht nahe. Wie soll ich es beschreiben? Man findet sich allein in einer Düsternis, in der manches überklar erscheint, anderes verschwimmt wie in Nebel oder in der Unwirklichkeit schwindender Erinnerung. Der Atem stockt, der Herzschlag setzt aus, und eine stumpfe Kälte durchdringt das, was der Geist, wohl durch Gewöhnung, noch als Körper und Form begreift. Wir traten, sozusagen, aus dem Haus unseres Leibes mit seinem warmen Lebensfeuer hinaus in die kalte Welt der Geister.

Dass wir weder wahrhaft tot waren, noch Borons Hallen betraten, merkten wir schon daran, dass wir bekleidet und gerüstet blieben. In den wahren Tod nimmt niemand mehr mit als das, was seine Seele ihr Leben lang gesammelt hat. (Bei manchen ist das erschreckend wenig.)

Selbst die arkane Kraft stand uns noch zu Gebot, allerdings gewissermaßen verzerrt, wenn zum Glück auch nicht in ihrer Wirkungsweise. Disputationen über dieses interessante Phänomen gehören jedoch nach Punin, nicht in den Kosch-Kurier.

Im Nirgendwo schwebend hörten wir das Sausen und Rauschen von dem, was wir Sterblichen mangels anderer Worte „Golgaris Schwingen“ und „Nirgendmeer“ nennen. Wer schon einmal schwer krank oder verwundet zwischen Leben und Tod gestanden hat, weiß, was ich meine. Wir blieben in einem ähnlich unentschiedenen Dazwischen, in einer Art Globule (über die ich hier auch nicht weiter theoretisieren will), die uns freundlicherweise körperliche Eindrücke gewährte, obwohl sie ein Traum- und Schattenreich war. (Gibt es eigentlich Geister von Bäumen und Gras?)

Auch Mitreisende konnten wir dort entdecken, freilich nur wenige, keineswegs alle, die sich auf Suche begeben hatten. Es mag wohl einen höheren Plan gegeben haben, der diese und jene zusammenführte, ein Großer Plan, den zu ändern uns Sterblichen nur selten gegeben ist (manchmal aber doch). Ich jedenfalls hatte die Ehre, das Schattenreich Porquids mit Landgraf Alrik Custodias von Gratenfels und Baron Lechdan von Wolfsstein zu erwandern, zu meiner Freude waren auch meine geschätzte Kollega Circe ter Greven und der höchst humorige Heiler Salix Tutnichtweh dabei. Graf Porquid hat recht viele Gefolgsleute mitgenommen in sein Reich. Ein Dutzend von ihnen trafen wir, wie sie im Schattenbild der Ange nach des „Kaisers“ Krone suchten. — Kaiser?! In der Tat, zu nichts Geringerem wollte sich Porquid krönen. Herr Tutnichtweh gab ihnen, was sie suchten, jedenfalls etwas, was sie dafür hielten, wofür sie uns mit viel Trara zur Angenburg geleiteten. — Einer unzerstörten Angenburg; nur von diesem Geisterbild weiß ich, wie sie ausgesehen hat, bevor der Alagrimm über sie kam.

Die Welten hinter der Wirklichkeit sind nicht so klar voneinander geschieden wie (meist) von unserer Welt. So irritierten die Suchenden etliche Geister aus anderen Zeiten, die mit Porquid nichts zu tun hatten. Umgekehrt sahen wir nur die Seele Jungfer Ochsenbluts klar und sicher auch nur einen Teil von Porquids Gefolge, andere blieben für uns schemenhaft und fern.

Baron Wolfsstein hatte die Krone — Porquids Grafenkrone* mit ‚Kaiserbügeln’ — wirklich gefunden, und es kostete einige Mühe, sie vor den Söldnern zu verbergen. Noch mehr, diese abzuschütteln und Porquid noch zu vertrösten. Denn die entführten Seelen hatte er in Verliese gesperrt, deren Eingang wir erst suchen mussten, da ja keiner von uns die Burg kannte. Hätte der Geister-Graf sich aber erst zum Kaiser gekrönt, hätte er die Eberstamms gehängt, wie sie es in der Geschichte mit ihm getan haben.

Über die möglichen Implikationen einer solchen Tat für die reale Welt oder darüber, was es bedeuten mag, Seelen in einem Schattenreich zu „töten“, könnte ich seitenlange Überlegungen anstellen. Dem verehrten Leser reicht sicher die Bemerkung, dass die Folgen sehr wahrscheinlich sehr unschön gewesen wären.

So griffen wir auch selbst sofort zu den Waffen, als uns die Bewacher der erbjungferlichen Seele angriffen. Was für ein Kampf! Geist gegen Geister, mit Waffen wie im körperlichen Leben, die uns auch durchaus schmerzhafte, wenn auch kaum blutige Wunden schlugen. An denen unsere Feinde wiederum — ja, was? starben?

Zwei machte ich selbst auf eine Art unschädlich, die ihre Seelen von Dere geradewegs ins Jenseits befördert hätte, von diesem Jenseits jedoch... ich weiß nicht, wohin. In die Verdammnis? Kein schöner Gedanke. Standen sie später wieder auf, als sei nichts geschehen? Wir warteten nicht darauf, sondern nahmen ganz unwissbegierig die Jungfer, die Krone und, wie man so schön sagt, unsere Beine in die Hand und suchten nach dem Weg zurück.

Inzwischen hatten Porquid und seine Mitgehangenen das Spiel durchschaut, das wir mit ihnen trieben, und schwärmten aus. Uns blieb einstweilen nur die Flucht in höhere Etagen.

Der Götter Wege sind unergründlich, aber sie lieben es, wenn ein Weg in den anderen mündet. Unsere Flucht mündete im Andachtsraum der Burg, mit den Statuen fast aller Zwölfe. Kollega Circe gab auch der Schönen Rahja ihren Platz wieder. Wie ich vor dem Herrn Boron kniete, da wandte er sich ab — für diesmal ließ er uns gehen, auch mich. Es war die Ewigjunge Tsa, die uns zurückführte ins Leben.

Dafür danke ich ihr und will sie künftig noch mehr in Ehren halten! Denn es tut gut, wieder Atem zu holen und den eigenen Herzschlag zu spüren und die Buntheit der Welt zu sehen, wenn man zurückgekehrt ist aus dem kalten Reich der Schatten.

Erkomir fa Shantalla

  • Hier irrt der geschätzte Magister, handelte es sich doch um die alte Königskrone des Kosch, die der Usurpator an sich gerissen hatte und die seither verschollen war.