Willkommen zuhause - willkommen daheim: Vorbereitungen

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Version vom 29. April 2021, 21:40 Uhr von Replacer (D | B) (Textersetzung - „Bragahn“ durch „Ortsnennung ist::Bragahn“)
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Adlerstein, 1037

Spät war es geworden, so mancher Kopf war schwer von Speis und Trank und guten Gesprächen, doch am frühen Morgen standen Ladislaus und Sigismund früh auf, wie sie es gewohnt waren. Wie war der Spruch noch gleich? Wer feiern kann, kann auch aufstehen? Fürwahr!
Sie gingen zum Stall hinüber, wo sie von den Reittieren und den Hunden, die sie bei den Pferden gelassen hatten, freudig begrüßt wurden. Tierische Morgenarbeit stand an: Longieren und Bodenarbeit für Pferde, Eselin und auch die Hunde. Anschließend wurden die Tiere mit Stroh trocken gerieben und wieder in den Stall geführt – nur die Hunde nicht, sie würden sonst das Gesinde von der Arbeit abhalten, weil sie die Reittiere bewachten. Für die Nacht war es aber eine gute Lösung gewesen.
Vom Stall gingen Ladislaus, Sigismund und die Hunde zum Palas zurück, wo Ladislaus den Tieren einen Platz in einer Ecke zuwies. Dort wären sie dem Gesinde nicht im Weg. Dann ging es zum Frühstück. Marano war bereits eifrig dabei, der alten Dame zu dienen, wie Ladislaus lächelnd bemerkte. Auch die ehemalige Baronin schien den Knaben in ihrer Nähe zu genießen.
Nach dem Frühstück gingen Roban und Rondrolf in den Hof, um den restlichen Suchtrupp zusammen zu stellen. Dazu ließen sie die Burgbesatzung geschlossen antreten, um ihre Auswahl zu treffen. Ladislaus und Sigismund nutzten die Gelegenheit, ihr Gepäck zu sichten und ein kleineres Bündel für die Räuberhatz zusammen zu stellen. Danach gingen auch sie mit den Hunden in den Hof. Roban musterte die Leute überaus kritisch, während man Rondrolf den Stolz auf seine Truppe ansah.
„Bauch rein“, maulte Roban den ersten direkt an. „Und halt die Pike fester. Das ist kein Besen!“
Er schritt weiter, am zweiten und dritten vorbei, kopfschüttelnd, schritt die Reihe ab wie ein Wehrheimer Schleifer, der eine Gruppe Rekruten musterte. Dann leierte er lustlos fünf Namen herunter. Die Leute wechselten unbehagliche Blicke, traten aber gehorsam vor.
„Ihr fünf – Gidiane, Angbart, Melcher, Raulbrecht und Boltsa – habt die große Ehre, Uns auf eine längst überfällige Räuberjagd zu begleiten. Der Rest tritt ab zum Wachdienst!“
Überaus eifrig entfernten sich die von dem Ritter Verschonten, während die Fünfe zurück blieben.
„So – wir werden jetzt ein wenig üben. Holt Kisten, Säcke, Fässer, alles, was im Stall entbehrlich scheint, und schafft es in den Hof!"
Ladislaus musste ein Lachen unterdrücken, während die Burgwachen sich einen Hinderniskurs aus allen möglichen Dingen aufbauen mussten, während Rondrolf das Treiben seines Bruders kopfschüttelnd beobachtete. Zum Lachen kam er erst, als die Wachen sich abmühten, den Parcours anschließend möglichst rasch zu bewältigen, angetrieben vom Gebrüll Robans.
„Schneller, Boltsa! Das ist kein Bauernschwof! Wenn dir der Feind im Genick sitzt, muss das schneller gehen! Zieh den Hintern ein, Angbart, sonst fängt er sich noch nen Bolzen. Und nicht immer hoch aufgerichtet rennen. Das hier ist nicht die Vinsalter Oper, wo euch jeder sehen muss! Orken, Arsch und Donnerwetter!“
„Wollt ihr euch das leidige Treiben weiter ansehen, oder begleitet Ihr mich in die Stadt, Herr von Wildreigen?“ Rondrolf wandte sich halb zum Gehen. „Immerhin sollen wir noch prüfen, ob sich brauchbare Mietlinge dort finden lassen.“
Ehe Ladislaus antworten konnte, schallte Robans Stimme erneut.
„Du liebe Zeit, was für ein lahmer Haufen! Ich sollte fünf Mehlsäcken Gesichter malen, die würden mir mehr bringen als ihr Pennpfeifen!“
Ladislaus sah dem Treiben eine Weile zu, bevor er von Rondrolf angesprochen wurde. Er runzelte kurz die Stirn, als einer der drei Gardisten auf den Strohhalmen ins Straucheln geriet, dann wandte er seine Aufmerksamkeit Rondrolf voll zu:
„Euer Edelgeboren, gerne begleite ich Euch in die Stadt, doch zunächst muss dieser Hindernislauf vernünftig zu Ende geführt werden. Mit Verlaub, auch Ihr, Edelgeboren, solltet Euch diesen einmal vorknöpfen – und sei es nur, um zu beweisen, dass Ihr besser im Saft steht, als Euer Vater von Euch behauptet hat.“ Er blickte sich kurz um: „Zsigmond.“
Der angesprochene nickte und half Ladislaus, leichtes Rüstzeug anzulegen. Als dies fertig war, zwinkerte letzterer Roban zu und begab sich an die Startlinie. Dort sprach er, an die Fünfe gewandt:
„Wir erwarten nichts von Euch, wozu wir nicht selbst in der Lage sind. Ich mache es euch jetzt einmal vor und ihr ruht euch aus, während ihr zuseht. Anschließend tretet ihr noch einmal an – und dann erwarte ich Leistung von Euch. Es ist eine Ehre, für das Haus Grobhand von Koschtal in Diensten stehen zu dürfen – also zeigt es auch!“
Er nickte Roban zu und auf dessen Zeichen überwand er den Hinderniskurs in kurzer Zeit, trotz der leichten Rüstung. Ladislaus war gut in Form, Jahre des täglichen Kampf- und Fronteinsatzes hatten ihn gestählt. Als er die Ziellinie überquerte, ging sein Atem kaum schneller und keine Schweißperle glänzte auf seiner Stirn.
„Los, los, los – und jetzt ihr noch einmal. Zeigt, was in Euch steckt. Ihr könnt mehr, als ihr gezeigt habt, das weiß ich. Zeigt es mir.“
Guter Büttel, böser Büttel, vielleicht vermochte diese ritterliche Zusammenarbeit ja aus den Mehlsäcken, wie Roban sie genannt hatte, leistungsbewusste Kämpen schmieden.
„Ihr habt Wohlgeboren gehört“, meinte Rondrolf, als er selbst an die Startlinie trat. „Und so schwer kann der Hindernislauf ja wohl hoffentlich nicht sein.“
Offenbar hatte Robans Bruder gehofft, den Lauf allein mit gutem Willen bewältigen zu können. Doch während die fünf Burgwachen sich redlich bemühten, ihre Leistung zu verbessern, musste Rondrolf feststellen, dass ihm an rein körperlichen Fähigkeiten doch einiges abging. So kam er als letzter an, schwer atmend und sichtlich bekümmert um den Zustand seiner Kleidung.
„Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich noch Ziegenkacke in das Stroh streuen lassen“, grinste Roban breit, als sein Bruder sich einige Strohhalme vom Wams zupfte.
„Fürwahr, das hättest du“, schnaufte Rondrolf, bewahrte aber trotz allem Haltung. „Und ich hoffe, dass du die gleiche Sorgfalt beim Zusammentragen all jener Dinge zeigst, die wir bei der Räuberjagd brauchen werden. Vorausgesetzt, du bist fertig damit, unsere Burgwachen zu scheuchen.“
„Bringt ohnehin nicht viel!“ Roban hob die Schultern. „Wenn ich so weiter mache, pfeifen sie aus dem letzten Loch, noch ehe wir aufbrechen. Also, packt den Krempel wieder in den Stall und fegt den Hof, dann überprüft ihr Waffen und Rüstzeug. Abmarsch in...wann wollten wir los?“
„Sobald wir aus Eisenhuett zurück sind, mit oder ohne Mietlinge“, erklärte Rondrolf und schien zu überlegen, ob er sich nicht doch umziehen sollte, entschied dann aber dagegen.
„Also, Wohlgeboren“, wandte er sich an Ladislaus, „wollt Ihr das Rüstzeug wieder ablegen, ehe wir zur Stadt hinab reiten?“
Ladislaus ließ sich von Sigismund wieder aus dem Rüstzeug helfen, dann nickte er Rondrolf zu.
„Dann lasst uns einmal sehen, Edelgeboren, ob wir in Eisenhütt fündig werden.“
Er wandte sich dem Stall zu, um seinen Hengst und den Wallach für Sigismund zu holen, während Sigismund das Rüstzeug wieder beim Marschgepäck verstaute. Raulbrecht, der ihm im Stall entgegen kam, wollte ihm behilflich sein und zu Äkki treten, um diesen loszubinden. Im letzten Augenblick bekam ihn Ladislaus zu fassen und riss ihn zurück.
„Vorsichtig, Mann, das ist ein Hengst. Trete er immer von schräg vorn an einen Hengst heran, sodass dieser ihn sehen kann und achte er auf das, was das Tier ihm mitteilt. Er kann mir helfen, indem er den Rotfuchs los macht und in den Hof führt, den Hengst übernehme ich.“
Raulbrecht blickte betreten auf seine Stiefelspitzen.
„Verzeihung, hoher Herr.“
Dann gab er sich einen Ruck und eilte sich, dem Auftrag des Ritters nachzukommen. Wenige Minuten später waren alle benötigten Pferde gesattelt und gezäumt im Hof und sie ritten los, Eisenhütt entgegen. Roban blickte noch ein letztes Mal zu den Fünfen, die gerade ihre Waffen und Rüstungen in Augenschein nahmen.
„Wenn wir aus Eisenhütt zurück sind, erwarte ich, dass euer Krempel in vernünftigem Zustand ist. Oder nein, ich bleibe am besten gleich hier, sonst wird das nie was!“
„Mach nur, Roban, Mietlinge finden wir auch allein“, meinte Rondrolf und schien ganz froh darüber zu sein, ohne seinen Bruder reiten zu können. Im leichten Trab ging es den Burgberg hinab, über die Warnabrücke und in Richtung der Stadttore, die bereits geöffnet waren. Die Torwachen schienen etwas wachsamer zu sein als jene auf der Burg, denn sie brachten sich in Position, als sich die Reiter näherten. Rondrolf zügelte sein Pferd neben einem der Männer.
„Weibel, dies ist der Herr Ladislaus von Wildreigen nebst seinem Diener Sigismund. Sie sind Gäste auf Adlerstein und entsprechend zu behandeln!“
„Wie Wohlgeboren befehlen“, schnarrte der Mann und nahm Haltung an.
‚Davon könnte die Burgbesatzung noch das ein oder andere lernen‘, dachte Ladislaus bei sich. Aber vermutlich hatte man in einer Stadt, die an einer bedeutenden Handelsroute lag, häufiger Probleme mit durchziehenden Unruhestiftern und entsprechend auch Übung und Routine. Nur einige Dutzend Schritte hinter dem Tor sichtete Ladislaus dann auch schon eines der markanten Schilder, mit denen Gasthäuser ihren Zweck kundtaten.
„Dort könnten wir direkt fragen“, meinte er, doch Rondrolf schüttelte den Kopf.
„Eher nicht. Der „Goldklumpen“ ist eher eine Herberge für Handelsreisende mit etwas prallerem Säckel, die nach Eisenhuett kommen. Einfache Leute steigen eher im „Stillen Eck“ ab, das liegt auf der anderen Seite der Stadt. Nutzen wir die Gelegenheit für eine kleine Führung.“
Ladislaus nahm diese Gelegenheit gern wahr. Rondrolf kannte sich aus, und die Leute schienen ihn ebenfalls zu kennen – und zu schätzen. Hier und dort ließ er einen Gruß hören, winkte oder wechselte einige kurze Worte mit den Menschen, die ihnen auf der Straße entgegen kamen. Für jeden schien er ein Lächeln und ein paar Sekunden seiner Aufmerksamkeit übrig zu haben. In Gedanken vermerkte Ladislaus, dass Robans Bruder, wenn er einst den Thron des Barons besteigen würde, vermutlich ein beliebter Herrscher sein würde, wenn er weiterhin so freundlich und offen war. Die Straße schwang einen Halbkreis, als sie sich der Stadtmitte näherten. Rauch stieg von der Bergflanke auf und zerfaserte in der Höhe.
„Die Eisenhütte“, erklärte Rondrolf. „Ein altes Abkommen mit den Zwergen erklärte die Berge rings um die Stadt zum Eigentum der Barone, die damals noch von der Zwergensippe der Mortra Mur gestellt wurden. Als dann die ersten menschlichen Herrscher kamen, änderte man den Vertrag nicht. Zwerge halten halt gern an den Abmachung der Vorväter fest, und somit ist das Bergwerk das einzige im Amboss, in dem Menschen neben Zwergen arbeiten können.“
„Und vermutlich eure wichtigste Einnahmequelle“, mutmasste Ladislaus.
„Ganz recht“, nickte Rondrolf. „Ich verstehe nicht viel vom Bergbau, doch wir haben tüchtige Vorarbeiter und fleissige Bergleute, und die Stollen messen wohl manche Meile.“
Nach etwa einer halben Stunde hatten sie die Stadt beinahe zur Gänze durchquert, und Ladislaus entdeckte das Gasthaus, dass an der Ecke zu einer stillen Seitengasse lag. Das „Stille Eck“ schien seinem Namen Ehre zu machen, wirkte aber solide und sauber.
„Der Stall ist auf der Rückseite, und die Tochter der Wirte kennt sich mit Pferden aus“, erklärte Rondrolf, als er vor der Tür aus dem Sattel stieg.
'Eine ruhige Straße und der Stall hinter dem Haus; das trifft sich gut.' dachte Ladislaus bei sich, laut sprach er: „Das ist gut, dann werden wir die Tiere dorthin bringen und dann komme ich wieder nach vorn. Soll ich Euer Pferd mitnehmen, Euer Edelgeboren?“
„Aber gern,“ antwortete Rondrolf und überreichte Ladislaus, der neben ihm abgestiegen war, den Zügel. Ladislaus ging mit den beiden Hengsten vorweg, Sigismund folgte mit dem Wallach.
Im Stall war die Tochter des Wirtes gerade dabei, den eingestellten Pferden Stroh in die Schütte zu streuen und knickste tief, als der Ritter eintrat.
Travia zum Gruße, Hoher Herr. Habt Dank, dass Ihr Euch für das Stille Eck entschieden habt. Möget Ihr einen angenehmen Aufenthalt haben, Hoher Herr. Das Pferd des jungen Herrn Rondrolf erkenne ich, doch Ihr und Euer Pferd seid mir fremd. Gibt es etwas zu beachten?“
Ladislaus lächelte der Wirtstochter freundlich zu, woraufhin diese errötete und leise hinzufügte: „Travieska heiße ich, Hoher Herr.“
„Travia zum Gruße, Travieska. Hab Dank für deine Gastfreundschaft. Deine Frage ist gut gestellt. Mein Name ist Ladislaus von Wildreigen und der Hengst hier heißt Äkki. Er tut sich schwer mit Fremden und ist wählerisch, von wem er sich anfassen lässt.“
Er warf einen abschätzenden Blick zu seinem Ross und führte dieses dann noch ein Stückchen vor, auf die Wirtstochter zu. Diese bewegte sich ruhig in einer klaren, bestimmten Art und stellte sich so, dass sie schräg vor dem Kopf des Hengstes und nicht direkt vor ihm stand. Äkki schnaubte und streckte dann die Nase vor, um ihren Geruch aufzunehmen. Sie roch nach einer Mischung aus Pferd, Stall, Hund und auch ein wenig nach Küche – und natürlich nach junger Frau. Der Hengst schüttelte den Kopf und ließ seine Mähne wallen. 'Angeber' dachte Ladislaus im Stillen. Immerhin, Äkki akzeptierte die junge Frau, wie er soeben bewies, denn er streckte die Nase noch ein Stückchen weiter vor und pustete ihr in die Haare. Ladislaus übergab ihr seinen Zügel, nachdem sie Rondrolfs Pferd eingestellt hatte und trat dann beiseite, damit auch Sigismund sein Tier in den Stall führen konnte.
„Danke, Travieska, hier weiß ich mein Pferd gut versorgt. Wenn irgend etwas ist, schick Sigismund oder komm selbst in den Schankraum.“
Gemeinsam mit Rondrolf betrat Ladislaus das Stille Eck und für einen Moment wurd es im Gasthaus tatsächlich still, als gleich zwei hohe Herren eintraten. Dann wurde Rondrolf erkannt und wurde von mehreren namentlich begrüßt. Während dieser die Grüße beantwortete, sah sich Ladislaus um. Der Schankraum war koscher-rustikal eingerichtet mit mehreren stabilen, langen Tischen und Bänken davor, in einer Ecke stand ein runder Tisch mit Stühlen umzu.
'Gut für unser Vorhaben geeignet' vermerkte er in Gedanken, als seine Aufmerksamkeit von zweien der langen Tische gefangen wurde. Unwillkürlich nickte er anerkennend. Der Wirt hatte Verstand. Auf der einen Seite der Tische standen die Bänke auf einer Stufe, so dass dort Zwerge auf der einen und Menschen auf der anderen Seite gut sitzen konnten. Und in der Tat saßen an einem dieser Tische drei Angroschim und zwei Menschen zusammen und schaufelten Eintopf in sich hinein und hatten einen Humpen Bier vor sich stehen. Der Kleidung nach Bergleute. In diesem Moment wurde er jedoch angesprochen.
„Travia zum Gruße, Herr Rondrolf. Travia zum Gruße auch Euch, Hoher Herr. Herzlich Willkommen im Stillen Eck. Mein Name ist Ettel, der Wirt. Darf ich Euren Namen erfahren, damit ich Euch angemessen ansprechen kann?“
Vor Rondrolf und Ladislaus stand ein Herbergsvater, wie er im Buche steht: gedrungen, kräftig, etwas fülliger, typische koscher Bergkleidung, Schürze, Spiegelglatze umrahmt von einem spärlichen hellbraunem Haarkranz und einem prächtigen gezwirbelten Vollbart und buschigen Augenbrauen, unter denen bergseeblaue Augen munter hervorblitzten. Er verbeugte sich vor den beiden Adligen und bevor Ladislaus antworten konnte, hatte Rondrolf bereits das Wort ergriffen, um seinen Gast vorzustellen.
„Mein lieber Ettel, dies ist Herr Ladislaus von Wildreigen und zur Zeit Gast auf dem Adlerstein.“
Der Wirt verneigte sich noch ein zweites Mal.
„Ah, ein Gast der Herrschaft, wie schön! Fühlt Euch wie zu Hause, Herr Ladislaus, und lasst mich sofort wissen, wenn Euch etwas fehlt. Willkommen in Eisenhütt. Darf ich Euch einen Platz anbieten?“
Er führte Rondrolf und Ladislaus zu dem runden Tisch und rückte ihnen die Stühle.
„Einen Augenblick, bitte, die Getränke stehen sofort bereit.“
Er eilte von dannen und kehrte wenige Momente später mit einem großen Krug Dunkelbier, zwei getöpferten Pokalen und einem Brett mit Schafskäsewürfeln und Salzstangen zurück. Er schenkte den Adligen ein und während diese ihren ersten Schluck nahmen, wuselte er davon, um seine anderen Gäste zu bedienen, deren Bestellung er beim Eintreten der Adligen auf dem Tresen abgestellt hatte.
„Hübsch ist es hier. Wahre koscher Gemütlichkeit“, meinte Ladislaus, als er Rondrolf zuprostete.
„Vergessen wir nicht den Zweck unseres Hierseins“, lachte dieser und ließ seinen Blick unauffällig im Raum kreisen. Die meisten Leute waren Einheimische und vermutlich nicht daran interessiert, sich für eine Räuberjagd anheuern zu lassen. Die wenigen, die nicht aus Eisenhuett stammten, schienen aber eher keine Kämpfer zu sein. Rondrolf bemühte sich, seinen Kopf nicht allzu sehr zu verdrehen, und konnte damit natürlich auch nicht den gesamten Gastraum überblicken.
„Mir fällt niemand auf, der wirklich geeignet wäre“, meinte er schließlich. „Oder könnt Ihr irgendwelches kämpferisches Volk ausmachen?“
Ladislaus nickte und ließ den Blick schweifen. Es waren in der Tat primär Einheimische hier – und die Auswärtigen waren definitiv keine Kämpfer. Allerdings fand er die Fünfergruppe auffällig. Es war eine ungewöhnliche Uhrzeit für einen Schichtwechsel unter Tage und die Männer trugen zwar ihre Arbeitskleidung, diese war jedoch zu sauber, als dass sie Feierabend hätten.
„Wartet einmal, ich möchte gern einmal mit dem Quintett dort drüben sprechen,“ sagte er leise zu Rondrolf und schickte sich an, sich zu erheben. In diesem Augenblick ging die Tür auf und zwei weitere Angroschim und drei Menschen betraten das Stille Eck und steuerten die Fünfergruppe an. Der älteste Zwerg gab dem Wirt ein Zeichen und dieser nickte und brachte ein kleineres Fass Bier und weitere Humpen zum Tisch. Die Gesichter der Neuankömmlinge sahen aus, als sei ihnen eine Laus über die Leber gelaufen. Nun, das war wirklich auffällig. Ladislaus ging ruhigen Schrittes zu dem Tisch hinüber und blickte in die Runde.
„Garoschem und Ingerimm zum Gruße!“ sprach er, blickt einmal in die Runde und blieb dann mit seinem Blick am ältesten der Zwerge hängen. „Garoschem, Garaschmox, mein Name ist Ladislaus von Wildreigen und vor wenigen Augenblicken kam ich mit Herrn Rondrolf von Grobhand hier im Stillen Eck an. Dieses Gasthaus macht einen freundlichen Eindruck auf mich, doch Eure Gesichter bringen Schlechtwetter hinein. Darf ich fragen, was geschehen ist, dass Ihr entgegen der guten alten Handwerkstradition nicht bei der Arbeit seid?“
Für einen Moment runzelte der älteste Zwerg die Stirn und brummte unverständliches in seinen Humpen und Bart. Nicht nur, dass sie nicht auf Arbeit waren, war unkonventionell, die Vorgehensweise dieses Ritters war es ebenfalls. Lang schien es, als wolle er Ladislaus mit Schweigen strafen und dieser wollte sich gerade mit einer Entschuldigung wieder abwenden, als er mit einem Krachen den Humpen auf den Tisch setzte und unter seinen buschigen, erzfarbenen Brauen den Ritter aus hellgrünen Augen anfunkelte.
„Ka roboschan hortiman Angroschim! Danke für Deinen Gruß, Xomascho Ladislaus. Es sind in der Tat ungewöhnliche Umstände, die uns hierher führen. Der Stollen, in dem wir heute arbeiten wollten, ist eingestürzt und der Weg zurück zu unserer Werkstatt ist versperrt. Mit Mühe konnten wir durch einen Wetterschacht ins Freie kraxeln. Nun sitzten wir hier und überlegen, wie wir wieder heim kommen. Der Weg zum nächsten Teufstollen ist weit. Wir wissen nicht, was den Schacht auf solch langem Stück zum Einsturz brachte, haben aber immerhin keine Leute verloren.“
Ladislaus ließ sich auf der Bank nieder und blickte fragend das Väterchen an.
„Ihr meint, es war kein gewöhnlicher Einsturz? Nun, wenn Ihr das sagt, Garaschmox, glaube ich es Euch, aber was vermutet Ihr, könnte dahinter stecken?“
Nachdenklich kratzte er sich den Bart.
„Gute Frage, mein Sohn,“ antwortete der Zwerg. „Verzeihung, ich sollte mich ebenfalls vorstellen. Ich bin Sambrax, Sembix Sohn. Ich weiß nur, dass es erst ganz plötzlich nach Schwefel roch und dann aus der Ferne zu grummeln begann. Meinem Instinkt folgend habe ich meine Arbeiter zum Wetterschacht gescheucht, dann kam schon der ganze Stollen heruntergestürzt. Es war kein Schlagwetter und auch sonst kein bekanntes Phänomen. Doch warum holt Ihr nicht den jungen Herrn dieser oberirdischen Lande zu uns an den Tisch, dann kann er mithören und mitüberlegen.“
Ladislaus nickte, erhob sich und lud Rondrolf an den langen Tisch ein. Ihre Humpen, den Krug und die Käsetafel nahmen sie mit. Als sie wieder saßen, fuhr Sambrax mit seinen Überlegungen fort, nachdem er den neuen Gast an seiner Tafel begrüßt hatte.
„Ich vermute, basierend auf meiner Erfahrung, dass jemand den Stollen manipuliert hat, vielleicht, indem er einen Wetterschacht umfunktioniert hat. Vielleicht hat jemand von außen versucht, sich eine bestehende natürliche Höhle nutzbar zu machen.“ Grummelnd fuhr er sich durch den Bart. „Es ist ein paar vielleicht zuviel. Und es wird über eine Woche dauern, bis wir den nächsten gangbaren Stollen erreicht haben.“
Rondrolf merkte auf: „Ihr sagtet, es sei vielleicht von außen manipuliert worden?“ und über Ladislaus Gesicht huschte ein Leuchten. Es passte einfach zusammen. „Das passt zum Grund unseres Hierseins. Wir bereiten uns auf die Verfolgung eines Mordbuben vor. Sambrax, Sohn des Sembix, was haltet Ihr davon, wenn Ihr uns helft, dessen habhaft zu werden und wir helfen Euch, schneller den nächsten Zugangsstollen zu erreichen?“
Erneut maßen die blitzenden Augen des Zwerges den Wildreiger.
„Hmmm... das müsst Ihr genauer erklären.“
Ladislaus gab das wenige wieder, was er auf seinem Ritt mit Roban erfahren hatte und blickte dann zu Rondrolf.
„Ich denke, Ihr habt noch genauere Informationenen, Euer Edelgeboren.“
„In der Tat“, pflichtete Rondrolf ihm bei. „Zwar bin ich nicht über die genau Lage der Zugänge in das Bergkönigreich orientiert“, Sambrax nickte bei diesen Worten, denn das kleine Volk war stets bemüht gewesen, diese vor den Oberflächenbewohnern zu verbergen, „doch glaube ich, dass wir weiter talwärts, in Richtung Bragahn, zumindest in die Nähe eines Zuganges gelangen würden.“
„Da glaubt Ihr richtig“, brummelte der Zwerg und nahm noch einen Schluck Bier.
„Nun, wir selbst wollen eine Räuberhorde genau in diesem Gebiet aufspüren. Falls die Herrschaften bereit wären, sich zumindest kurzfristig anderweitig zu verdingen als unter Tage...es ist nur eine Option. Niemand von euch sollte sich verpflichtet fühlen.“
„Tun wir nicht. Und eigentlich sind wir keine Krieger. Andererseits, wer in den Stollen arbeitet, weiß sich seiner Haut zu erwehren. Gibt oft genug Höhlenspinnen, Gruftasseln und ähnliches Getier, dass einem in den Gängen auflauern kann. Wir müssen uns besprechen!“
„Selbstredend!“
Rondrolf stand sofort auf und kehrte mit Ladislaus zu seinem Tisch zurück, um den Zwergen die Gelegenheit zu geben, sich zu beraten. Allzu viel ließ sich aus den bärtigen Mienen nicht ablesen, und die Zwerge sprachen zu leise, um ein Wort zu verstehen, doch nach einigen Minuten nickten sie erkennbar, und Sambrax erhob sich und stapfte zu den zwei Adligen hinüber.
„Wir sind bereit, uns kurzfristig in Eure Dienste zu stellen. Unsere Anliegen überschneiden sich, und wenn wir die Möglichkeit haben, auf dem ohnehin unumgänglichen Weg noch ein paar Silberstücke zu verdienen...wo wir gerade davon sprechen...“
Dieser Teil der Verhandlungen dauerte ein wenig länger. Bis man sich mit den Angroschim auf einen Sold, den Umfang der Verpflegung und etliche Kleinigkeiten geeinigt hatte, war beinahe der gesamte Vormittag vergangen. Auf den Khunchomer Kodex konnte man sich schlecht berufen, immerhin sprach man mit Bergleuten, nicht mit Söldnern. Doch schließlich war man sich einig und verabredete sich für die Mittagsstunde an der Warna-Brücke, um möglichst bald aufbrechen zu können.
„Angarusch-orom-drosch, hoscha reworim!“ verabschiedete sich Ladislaus von den Zwergen und prostete dem Väterchen vor ihm und den Zwergen drüben an ihrem Tisch mit seinem Humpen zu und Rondrolf tat es ihm gleich, was von den Zwergen mit einem kräftigen: „Hoscha reworim!“ beantwortet wurde.
Sambrax kehrte zu seinem Tisch zurück, wo Ettel während dessen Gespräch mit den Adligen den Angroschim das Essen serviert hatte, und die Zwerge begannen zu essen. Rondrolf nickte dem Wirt zu und bezahlte. Dann erhoben sich Rondrolf und Ladislaus, holten ihre Pferde und Sigismund ab, bedankten sich noch einmal bei Travieska und ritten, nachdem sie noch ein paar Kleinigkeiten für ihr Vorhaben besorgt hatten, zum Adlerstein zurück, um Roban mit seinen Mannen abzuholen. In kurzen Worten berichtete Ladislaus diesem von den Geschehnissen des Vormittags, während Rondrolf dem Baron Bericht erstattete.
„Achtung,“ rief Roban, als Rondrolf wieder aus dem Palas trat: „in Formation angetreten.“
Es dauerte einen Augenblick, bis sich die Auserwählten der Burgbesatzung sortiert hatten und frustriert entfuhr Roban ein: „Bei Rondra, das muss schneller gehen!“
Ladislaus zuckte darob nur kurz mit dem linken Mundwinkel. So, wie es aussah, hatten sie nun ein paar Tage Zeit, aus diesem Haufen einen funktionierenden Trupp zu schmieden. Immerhin, sie schafften es pünktlich zur Mittagsstunde zur Warna-Brücke, wo die Angroschim bereits auf sie warteten.