Der Dachs und seine Jungen - Ein neuer Verwalter

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Sindelsaum, 1032

Erlan von Sindelsaum warf entnervt die Feder fort.
Nun saß er schon seit einer Woche über den Steuerabrechnungen und ein Ende war nicht in Sicht. Seine Schreiber waren zwar fähige Leute, aber er musste sie natürlich kontrollieren und da er über keinen Vogt verfügte, musste er das selber machen. Politische Verwicklungen zwangen ihn sich viel auf Reisen zu befinden und wenn er dann zurückkehrte, musste er sich an die Pachtbücher setzen anstatt sich anderen Dingen zu widmen.
Gerade ging er die Pachtzahlungen des Wirthofes durch und ärgerte sich darüber, dass der Hof dieses Jahr weniger Ertrag abgeworfen hatte, als sonst, als sein getreuer Leibdiener Lechdan in der Tür auftauchte. Der Diener wartete ab, bis Erlan ihm zunickte.
„Herr, dort ist ein Ritter, der sich Grimwulf von Borking nennt und euch um Gastung bittet. Er kommt aus Galebquell und soll Grüße seiner Hochgeboren Roklan von Leihenhof überbringen.“

Erfreut über diese Ablenkung grinste Erlan.
„Dann lass ihn nicht warten. Weise ihm eine Gästekammer zu und lass es an nichts mangeln. Ich werde das hier noch beenden und unseren Gast dann beim Essen begrüßen.“
Lechdan nickte und machte sich daran die Befehle seines Herrn auszuführen.

Zwei Stunden später betrat Erlan die „große Halle“ seines Hügelhauses und begrüßte seinen Gast erfreut.
„Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise, Edelgeboren. Es freut mich stets Nachrichten aus Galebquell zu hören und so seid ihr ein willkommener Gast. Aber setzt euch doch wieder.“
Dann nahm Erlan Platz und nickte der Köchin zu, das Essen aufzutragen. Während sie auf das Essen warteten betrachtete Erlan seinen Gast.
Grimwulf von Borking war ein Mann von etwa fünfzig Götterläufen, dessen borstiger Haarschopf schon deutlich ergraut war. Unter buschigen Brauen lugten zwei eisblaue Augen hervor, die ihrerseits den Baron musterten. Das schmale Gesicht wurde von einem ebenfalls grauen wohl gepflegten Vollbart eingerahmt. Der stämmige hoch gewachsene und leicht untersetzte Mann war trotz seines Standes in schlichtes Leder gekleidet. Auch war Erlan beim Betreten der Halle aufgefallen, dass von Borking sein linkes Bein stark nachzog, als er Anstalten machte, auf den Gastgeber zuzueilen.
Mit wohltönender tiefer Stimme hob er nun an, zu sprechen: „Habt Dank für eure traviagefällige Gastfreundschaft, Hochgeboren. In der Tat sind es keine bedeutenden Nachrichten, die ich euch aus Galebquell hinterbringe. Allein die ob eures langen Schweigens hervorgerufene Sorge meines Herrn Roklan um euer Wohlergehen ist neben den innigsten Grüßen meines Herrn die Ursache für meine Ankunft zu einer derart ungewöhnlichen Zeit. Ich hoffe, dass Euch mein Erscheinen nicht von wichtigeren Dingen abhält. Hochgeboren Roklan wurde nicht müde, mir gegenüber stets euren überaus großen Fleiß zu betonen, mit dem ihr die Verwaltung der Baronie in Angriff nehmt, so dass es mir fast unangenehm ist, euch bei euren wichtigen Amtsgeschäften zu stören.“
Erlan winkte lächelnd ab. „Nicht doch es ist mir immer eine Freude einen Gast zu begrüßen und das gilt ganz besonders, wenn er gerade aus Galebquell angereist ist.“
Nach der kurzen Begrüßung deutete Erlan auf den Platz zu seiner Rechten.
„Seid doch so gut und nehmt Platz. Unsere Köchin wird schnell ungeduldig, wenn nicht alles am Schnürchen läuft.“
Kaum dass die beiden Männer und die übrigen Familienmitglieder und Gefolgsleute saßen wurde auch schon das Essen aufgetragen. Aus dampfenden Töpfen wurde heiße Fleischsuppe aufgetragen. Große Fleischstücke schwappten in der roten Sauce und die Anwesenden machten sich mit Heißhunger über die Mahlzeit her. Zum Essen gab es, wie im Kosch üblich, Bier, wenngleich Erlan es nicht versäumte seinem Gast auch Wein anzubieten, doch dieser blieb dann doch beim Angbarer Zwergenbock.
Nachdem Erlan seinen ersten Teller bezwungen hatte, lehnte er sich zufrieden zurück und lächelte seinen Gast an.
„Es ist doch erstaunlich, dass einen der endlose Papierkrieg derart hungrig macht und derart viel Zeit frisst. Die Verwaltungsaufgaben sind ohne Frage wichtig, aber durchzugehen welcher Hof diesen Monat wie viele Eier geliefert hat und wo noch Pacht, oder Steuern ausstehen ist doch meist eine langweilige Aufgabe.“
“Mit Verlaub Hochgeboren“, entgegnete Grimwulf „doch ich muss euch energisch widersprechen. Sicherlich mag es reizvoller sein, auszuziehen mit dem Schwert in der Hand und gegen das Unrecht in der Welt zu fechten, auch winkt hier mehr Ruhm als im heimischen Gutshof hinter dem Schreibtisch, dennoch scheint mir auch gerade letzteres äußerst spannend zu sein. Bedenkt doch einmal, wie häufig so mancher Vasall seinen Grips darauf verwendet, seinen Lehnsherrn um Abgaben zu betrügen. Ich finde es geradezu spaßig und ungeheuer befriedigend eben diesem Gefolge seine Winkelzüge nachzuweisen und ihm zu beweisen, dass sein Herr eben noch mehr Grips besitzt. Das schürt den Respekt.“
Grimwulf nahm einen großen Schluck aus seinem Humpen, um die Kehle zu befeuchten – jetzt kam er in Fahrt. „Sicher – die Ergebnisse jeden Mondes vereinzelt für sich zu betrachten, klingt nicht wirklich spannend. Vergleicht man aber die Eintragungen des PRAIos beispielsweise mit denen des PHEx oder BORon, so lassen sich ungeheuer viele Unterschiede feststellen. Über die Ursachen dieser Unterschiede nachzudenken und sie – sofern es gewünscht ist – zu beheben, kann eine abendfüllende Aufgabe sein, das garantiere ich euch. Ohne hier arrogant auftreten zu wollen, Hochgeboren, aber ich glaube, wenn der Adel ein größeres Gespür für die Reize der Verwaltung besäße, könnten die Ländereien um ein Vielfaches bessere Ergebnisse erzielen, sowohl in Ernteerträgen als auch in klingender Münze und…äh…“
Grimwulf errötete – was nahm er sich hier heraus – er ein einfacher Ritter, Vetter eines kleinen Junkers?! Und das hier am Hofe eines Barons!
„Entschuldigt“, murmelte er „es war keineswegs meine Absicht, eine gelehrte Rede zu halten. Mein Temperament ist wohl mit mir durchgegangen, verzeiht, Hochgeboren.“
Erlan blickte den Borkinger etwas verdutzt an. Nur wenige wagten so mit ihm zu sprechen und die meisten waren gerade bei der ersten Begegnung zurückhaltender. Letztlich störte ihn Grimwulfs Ausbruch nicht im Geringsten. Erlan achtete zwar auf gewisse Dinge, aber Grimwulf hatte aus seiner Sicht keinesfalls eine Grenze überschritten.
„Da gibt es nichts zu verzeihen. Ihr habt durchaus recht und auch ich lasse meine Vasallen ungern mit irgendwelchen Tricksereien durchkommen, doch zugleich ist es so, dass mich oft andere Pflichten binden. Da gibt es diese unsägliche Fehde in Dohlenfelde, die meine Anwesenheit erforderte, aber da gibt es auch andere Adelstreffen und Anlässe zu denen man zugegen sein muss, wenn man im Kosch eine Rolle spielen will. Kurz gesagt befinde ich mich viele Wochen im Jahr auf Reisen und habe darüber hinaus eine recht zahlreiche Familie. Es ist ja nun nicht so, dass ich mein Gold bei irgendwelchen liederlichen Anlässen verschleudern würde, aber meine Zeit ist leider doch begrenzt.
Aber sagt es scheint, als würdet ihr euch in Verwaltungsdingen auskennen. Habt ihr in dem Metier Bereich Erfahrung gesammelt?“
Interessiert blickte Erlan Grimwulf an. Sollte er hier einen fähigen Verwalter vor sich haben? Roklan hatte sicherlich von seiner Zeitnot gehört und Grimwulf einen entsprechenden Hinweis gegeben. Sollte Grimwulf eine Empfehlung des Galebqueller Barons haben wäre das die beste Referenz, die er sich wünschen konnte.
Grimwulf nestelte nervös an den Spitzen der weißen Tischdecke herum und senkte den Blick.
„Nun, nichts Schriftliches, Hochgeboren. Ich kann Euch allerdings in aller Bescheidenheit versichern, dass mein Dienstherr nach eigener Auskunft bislang sehr zufrieden mit mir gewesen ist. Nachdem ich einen Teil der Verwaltung Hornisbergs übernommen habe, ist der Ertrag an den örtlichen Erzeugnissen um einiges angewachsen; es scheint fast so, als ginge den Bauern und Arbeitern ihr Handwerk leichter von der Hand.
So habe ich das Gefühl zumindest zu etwas zunutze zu sein. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als in Borking am Hofe meines Vetters Damian dem Müßiggang zu frönen. Allerdings scheint es so, dass seine Wohlgeboren Bodar nunmehr die Amtsgeschäfte doch in zunehmenden Maße wieder selbst in die Hand nehmen möchte. Meine Zukunft ist also eher ungewiss, aber na ja, was scheren euch die Sorgen eines einfachen Ritters, verzeiht Hochgeboren, dass ich abschweife…“
Erneut setzte Grimwulf seinen Humpen an und leerte ihn bis auf den Grund, so als wolle er seine vorschnellen Worte im Dunklen Angbarer (wir sind hier ja nicht in Ferdok ;-) ) ertränken.
Erlan hatte den Ausführungen Grimwulf gespannt gelauscht. Die Junker von Hornisberg galten als reich und irgendwoher musste dieser Reichtum ja wohl kommen. Kurz entschlossen sprach er aus was er dachte.
„Eine Empfehlung aus Galebquell ist schon einmal viel wert. Ihr werdet bemerkt haben, dass ich einen Verwalter gut gebrauchen könnte. So ihr denn Interesse habt können wir es einmal versuchen. Sollte ich mit eurer Leistung nach dem ersten Götterlauf zufrieden sein werde ich euch auch fürderhin in Lohn und Brot halten. Euer Amtssitz wird aber nicht hier in Sindelsaum sein, sondern in meiner Burg in Barabein. Dort sitzen auch die Schreiberlinge und von hier aus ist es nur ein Ritt von einer guten Stunde Entfernung.“
Erlan stand auf und streckte dem Borkinger die Hand hin.
„Was sagt ihr?“
Ein Lächeln huschte über Grimwulfs Gesicht, als er sich ebenfalls langsam von seinem Sitz erhob.
„Hochgeboren, so weit ich weiß, sagt man euch für gewöhnlich nicht nach überstürzte Entscheidungen zu treffen. Wohlan, so ihr wirklich einen Platz für einen gealterten Sturkopf in euren Diensten habt und ein aufrichtiges Wort und eine ehrliche Meinung zu schätzen wisst, so will ich mich euch ganz unterstellen und mich bemühen, meine Kräfte nach bestem Wissen und Gewissen für euch einzusetzen“, sprach’s und gab dem Baron die Hand, noch ehe dieser zu einer Entgegnung ansetzen konnte.