Unter Schurken - Ein feines Wässerchen

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Hinterkosch, 1021

“Ein feines Wässerchen!“
Falk Barborn hatte die Phiole aufgehoben und daran gerochen.
“Aber ziemlich fade riecht’s trotzdem.“
Angestrengt spähte der Recke in die Dunkelheit. Ein paar Schritt entfernt hörte er es flüstern. Aber das waren Wolfhardt, das Mädchen und der Baron, die sich berieten, während er Ausschau nach Feinden hielt. Und wenn das Gesindel sich nicht heranwagte, vielleicht könnte er ja einen Hanghasen oder etwas ähnliches entdecken? Ein feines Bratenstück, das wär’ jetzt das rechte, dachte Falk. Weil ihn nach dem falschen Ferdoker die Müdigkeit überkommen hatte, hatte er eine Mahlzeit verpaßt und verspürte ein arges Zwicken und Zwacken in der Bauchgegend.
“Ihr habt recht, Rena, unsere Gesellschaft ist zu auffällig. Wir sollten uns trennen und einen Köder loslassen. Aber was machen wir mit der Kutsche? Wir können sie kaum leer vorfahren lassen, das wird man sofort bemerken. Und zurücklassen können wir sie auch nicht.“
Bei allem Eifer vergaß Merwerd Stoia doch nicht, was ihn der Vierspänner gekostet hatte. Die Ritterin überlegte. Doch Wolfhardt – der von seiner Wunde nicht das geringste mehr spürte und beschlossen hatte, auch zunächst nicht mehr an sie zu denken – hatte bereits eine Idee.
“Behagt es Euch, als jemand anderer zu reisen, Baron? Dann tun wir das Unerwartete: Wir verhängen die Wappen und fahren mit der Kutsche zurück. Ihr selbst müßt in die Larve des Kutschers schlüpfen, damit man Euch nicht erkennt. Wenn ihr mit Eurem Arm nicht lenken könnt, dann wird Euch Dragosch helfen. So zählen wir noch eine Klinge mehr. Und herinnen wird’s den Anschein haben, als kutschiertet Ihr ein verliebtes Paar: Die Rollen werden Frau Rena und ich übernehmen. Unsere Gefolgschaft reist weiter zu Fuß gen Kosch – hält sie aber jemand an, dann sagen sie, der Baron Stoia und die übrigen edlen Herrschaften hätten die Nordmarken so bald als möglich hinter sich lassen wollen und wären schon vorrausgeeilt.“
“Nur daß unsere Leute nie in der Heimat angelangen werden“, grinste der Vinansamter.
“Ich kenne den guten Falk länger als Ihr, Wolfhardt. Nein, der Ritter wird neben mir auf dem Kutschbock sitzen, und Euer Waffenmeister soll die restlichen führen. Ein Angroscho auf dem Kutschbock, das könnte außerdem leicht jemand an meinen Norbosch erinnern. Ansonsten aber kommt mir wahrhaftig kein besserer Plan als der Eure in den Sinn.“
Auch Rena konnte nichts dagegen einwenden, wenngleich ihr das Vorgehen nicht eben rondrianisch schien und es gar sein mochte, daß der Spielmann nicht nur ihrer aller Nutzen, sondern noch ein wenig mehr seinen eigenen im Sinne gehabt hatte. So machte man sich rasch an die Vorbereitungen, bevor noch die Dohlenfelder Büttel herangeeilt kämen.
“Eines wollen wir nicht vergessen.“
Der Vinansamter kletterte noch einmal vom Kutschbock, schaute sich kurz auf dem Kampfplatz um, bückte sich und streifte etwas von der leblosen Hand, die Renas Klinge von Arm Schleiffenröchtes getrennt hatte.
“Eure Beute, Ritterin.“
So, daß alle es sehen konnten, präsentierte er einen schweren Siegelring.
“Aber versetzt sie einstweilen noch nicht. Mir scheint, daß wir ein veritables Beweisstück vor uns haben.“
Trotz allem war Merwerd Stoia zufrieden. Zusammen mit den beiden Rossen im Schuppen, die das Brandzeichen des Herzogs trugen, würde der Ring ihnen nutzen können – später einmal, denn im Lande Jast Gorsams war es nicht ratsam, mit diesem Wissen hausieren zu gehen.
Die Kutsche mit den geschickt verhängten Wappenschilden wendete elegant, und unter dem Staunen der zusammengelaufenen Dörfler verließ sie Mühlenheim wieder...