Roterzer Herzklopfen - Die Ankunft der Barone

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7. Travia 1041 Bochswies
Zwei Tage später erreichte der Baron von Sindelsaum, mit kleinem Gefolge, das Heerlager seiner Truppen bei Bochswies. Halmar unterrichtete ihn gerade über den Angriff vor zwei Tagen als der Wind drehte und ein äußerst strenger Geruch von Bochswies herüber blies. “Was ist das denn?” fragte Erlan verdutzt. “Ach das waren wir.” Antwortete Halmar lapidar. “In Pahlun lag dieser Kahn zu Reperaturen vor Anker und sie hatten eine große Ladung Zwiebeln und Knoblauch geladen, alles nicht mehr gerade frisch, also haben wir die Ladung gekauft und Roban damit beschossen.” Erlan konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Halmar hatte seinen vielen Jahre in der Wildermark und Tobrien also nicht verrohen lassen. Halmar wollte gerade seinen Bericht fortführen als ein weiterer Reitertrupp in Sicht kam.
„Jetzt dürfte die Sache interessant werden“, befand Halmar, als er die grobhandsche Faust im Banner erkannte. Die Truppe mochte etwas kleiner sein als die eigene, zumindest was die Reiter anging, aber er ging davon aus, dass das Fussvolk der Grobhänder nicht weit entfernt war. Der Anführer der Schar parierte sein Pferd in Rufweite und blickte abwechselnd zum Gut und zum Sindelsaumer Heerlager. „Scheint der Roterzer Baron zu sein.“ Erlan kniff die Augen zusammen. „Dann wollen wir mal hören, wie die Sache weitergeht.“
Zu zweit und ohne weitere Bewaffnete legten Halmar und der Sindelsaumer Baron die halbe Strecke zu den Neuankömmlingen zurück. Der schwer gerüstete Grimwulf sattelte ab, übergab die Zügel einem seiner Begleiter und stapfte dann ebenfalls heran.
„Ihr seid schwer gepanzert, Hochgeboren. Bei dieser Hitze wohl keine wahre Freude!“ begrüsste Erlan Robans Vater.
„Ein wahres Wort, Baron Erlan!“ Grimwulf wischte sich Schweiß aus den buschigen Brauen. „Und ich hätte diesen Anzug wohl kaum angelegt, wenn ich nicht fürchten müsste, dass ich ihn bitter nötig haben werde.“ „Ihr seid also zum Kämpfen gekommen?“
Grimwulf stemmte die Hände in die Seiten und biss sich auf die Lippen. Halmar verkniff ein Grinsen – jetzt sah der Baron seinem ruppigen Sohn frappierend ähnlich.
„Ich musste meinem Sohn versprechen, zunächst noch einmal mit Euch zu verhandeln“, erklärte Grimwulf dann. „Wie Ihr wisst, ist er mit Angunde von Sindelsaum vermählt, und die beiden sind überzeugt, dass eine dritte Partei versucht, uns gegeneinander auszuspielen.“
„Wir haben tatsächlich Anzeichen für diese dritte Partei gefunden!“ schaltete sich Halmar ein, und erntete für seine Vorwitzigkeit einen strengen Blick seines Vaters. Erlan überlegte kurz mit verschränkten Armen .
„Gut, gehen wir zunächst davon aus, dass weder die Grobhands noch die Sindelsaums diesen Konflikt provoziert haben. Somit wäre die Schuld für die ganze Misere bei einem im Moment noch Unbekannten zu suchen. Was schlagt Ihr vor, wie wir die Sache beilegen?“
„Auf beiden Seiten ist Blut geflossen. Ich schlage vor, dass ich jene entschädige, die durch meine Gefolgschaft zu Schaden kamen, respektive deren Hinterbliebenen. Ihr tut das Gleiche bei jenen, die durch Eure Leute geschädigt wurden, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Über das Gut werden wir wohl gesondert verhandeln müssen. Und ich hoffe sehr, dass die Liste der Opfer nicht noch länger geworden ist!“ Erlan blickte Halmar an, der jetzt zögerte, ehe er antwortete.
„Tote hat es bislang nicht gegeben. Wir haben vor allen Dingen mit Gemüse und Farbe geschossen, die Verletzungen sollten sich also in Grenzen halten. Euer Sohn hat bei Nacht einige unserer Leute niedergeschlagen, aber auch ist bei Beulen und blauen Augen geblieben.“
Grimwulf nickte.
„Klingt sehr nach Roban. Nun gut. Wünscht Ihr die Anwesenheit eines Geweihten während der Verhandlungen?“
Erlan winkte ab. „Falls ihr nicht einen mitgebracht habt reicht auch ein Koscher Ehrenwort. Wollt ihr euch eurer Rüstung entledigen und mit eurem Sohn sprechen bevor wir anfangen?“ Grimwulf nickte, war die Reise doch recht lang gewesen.

Später am selben Tag.
Für einen Herbsttag war der frühe Abend recht warm und so hatten die Parteien einen Tisch mit sechs Stühlen auf halber Strecke zwischen Gutshof und dem Sindelsaumer Lager aufgebaut. Für die Sindelsaumer waren hier Erlan, Halmar und Angunde gekommen. Für die Grobhands Grimwulf, Roban und Rondrolf.
Erlan eröffnete die Verhandlungen. „Bezüglich der von euch versprochenen Entschädigungen bin ich einverstanden.“ Grimwulf nickte erfreut. „Bleibt nur die Frage wer den Hof bekommen soll.“ Auch hierauf hatte Erlan eine Antwort. „Ich würde vorschlagen, dass der Hof an das Brautpaar geht, dass uns davor bewahrt hat hier noch mehr Blut zu vergießen. Angunde und Rondrolf können den Hof gemeinsam verwalten, oder einen ihnen genehmen Vogt einsetzen.“
Grimwulf nickte erneut „Das war auch mein Gedanke, Sindelsaum. Bleibt aber die Frage, wer den Hof dann dereinst erben soll. Rondrolf ist immerhin der Erbe meiner Baronie, hat also Angunde beim Namenswiegen ausgestochen.“
Erlan dachte kurz nach, dann hellte sich sein Blick auf. „Nun, Angunde hat mir auf der Reise anvertraut, dass sie ein Kind unter dem Herzen trägt.“ Die Eröffnung wurde durch Gratulationen und Freudensausbrüche unterbrochen, hatte hiervon doch bisher nur Rondrolf gewusst. „Mein Vorschlag wäre also, dass das Erstgeborene Kind den Namen Grobhand von Sindelsaum trägt und den Hof erbt, das Zweitgeborene Kind und alle weiteren aber Grobhands von Koschtal bleiben und ganz normal in der Roterzer Erbfolge stehen. Das Erstgeborene Kind würde dann Rakulbruck und Bochswies erben, wäre aber sonst vom Erbe von Roterz ausgeschlossen.“
Grimwulf runzelte die Stirn
„Warum denn das Erstgeborene. Roterz ist ja das deutlich bedeutsamere Erbe.“
„Weil wir nicht sicher sein können, dass Angunde mehr als ein Kind zur Welt bringen wird, es also nur einen, oder eine Grobhand von Sindelsaum gibt, dafür aber viele Grobhands von Koschtal, sprich euer Erbe ist so, oder so sicher.“
Angunde schaute derweil etwas irritiert drein, schien es ihr doch gerade als würden zwei Bauern sich um eine trächtige Milchkuh balgen.
„Das passt mir aber gar nicht, Sindelsaum“, murmelte Grimwulf
Erlan verschränkte die Arme vor der Brust. Es war klar, dass keiner der Barone bereit war sich hier weiter auf den anderen zu zubewegen.
„Wie wäre es mit Koscher Wettkampf?“ warf Rondrolf ein um die Situation zu entschärfen.
„Woran hast du denn gedacht?“ fragte Grimwulf
„Soweit war ich noch gar nicht gekommen, aber irgendwie werden wir die Suppe wohl auslöffeln müssen“, überlegte Rondrolf
„Suppe. Wir haben ja einiges an Suppengemüse auf Bochswies“, rief Roban. „Möchte wetten, dass ich mehr Teller von der Suppe vertrage als Halmar.“
Halmar schwante böses, war das „Suppengemüse“ ja nicht gerade frisch gewesen, aber er wollte natürlich nicht zurückweichen.
„Roban Dünnpfiff von Kochtal, ihr werdet ja sehen.“

So war es den beschlossen, rasch wurde Feuerholz, das „Gemüse“, sowie Kochutensilien herbeigeholt und so standen die beiden Ritter einträchtig nebeneinander und kochten gemeinsam die Suppe die sie dann auszulöffeln hatte. Der Geruch trieb bereits jetzt Tränen in Rondrolfs Augen, doch keiner der zwei Kontrahenten schien bereit, auch nur einen Deut zurück zu weichen.
„Ich werde Euch in Grund und Boden fressen, Sindelsaum!“ kündigte Roban an und schnibbelte eine matschige Knoblauchknolle extra in den Topf.
„Abwarten! Wir hatten in Tobrien einen Zwerg als Koch, der hat einen Frass zusammen gerührt, dass die Leute freiwillig hungerten! Ich hatte schon schlimmeres Essen als dieses!“
Roban grinste zuversichtlich, während Halmar einige undefinierbare grüne Klumpen hinter der Knolle herschickte.
„Wir hatten eine Maraskanerin im Haufen. Wenn Ihr schlechtes Essen wollt, empfehle ich einen Besuch auf der Insel. Bei dem, was die da Geschmack nennen, fliegen Euch die Schuhe weg! Das Zeug würde ein passables Wurfgeschoss für jede Belagerung abgeben. Ich wette, es würde sich glatt durch die Mauern fressen!“
So ging es noch einige Minuten weiter, ehe die „Suppe“ fertig war. Beide Männer schmeckten ab, ohne eine Miene zu verziehen.
„Und – was denkt Ihr?“ fragte Roban leise schmatzend. Halmar wiegte den Kopf hin und her.
„Die Fussmatte eines Badehauses wäre ein Hochgenuss dagegen“, befand er dann. „Ich schätze, mehr als drei Löffel werdet Ihr nicht brauchen, ehe Ihr dem nächsten Abtritt zustrebt!“
„Ha! Drei Teller werde ich verspachteln, ohne den Arsch zu runzeln! Seht zu, dass für Euch überhaupt noch was übrig bleibt!“
Unter den Augen der anderen nahmen die zwei mit ihrem jeweils ersten Teller am Tisch Platz, sich dabei nicht aus den Augen lassend, als gelte es den Kampf nicht mit dem Löffel, sondern dem Schwert zu bestreiten.
„Ist es nach Koscher Sitte gestattet, das Essen zu würzen?“ fragte Erlan.
„Tradition ist Tradition“, antwortete Grimwulf. „Der Koscher würzt sein Essen stets nach, also warum sollten wir es jetzt verbieten?“
Auf dieses Wort hin zogen sowohl Halmar wie auch Roban einen kleinen Beutel hervor, würzten die dampfende Brühe nach und rührten um, sich immer noch starr fixierend.
„Nun denn“, rief Erlan, als beide Beutelchen wieder verschwunden waren, „Wohlschmecken!“
Zeitgleich schaufelten Roban und Halmar den ersten Löffel in die Schlünde, ohne mit der Wimper zu zucken. Löffel für Löffel verschwand, und keiner der beiden schien ein Problem damit zu haben. „Man mag gar nicht fragen“, murmelte Rondrolf schließlich, „aber wie schmeckt diese Suppe überhaupt?“
„Als habe ein Ork im Topf gebadet“, nuschelte Roban mit vollem Mund.
„Ein sehr schmutziger Ork“, pflichtete Halmar bei. „Wenn Ihr aufgeben wollt, nur zu!“
„Warum sollte ich aufgeben! Solange Ihr wie ein Spatz esst, muss ich mir keine Sorgen machen!“
Daraufhin beschleunigte Halmar nochmal sein Esstempo, selbstverständlich wollte Roban da nicht hintanstehen und so roch es nicht nur nach vergammeltem Ork, sondern klang auch nach einem Durchmarsch einer ganzen Orkrotte. Die Anhänger und das Gefolge der beiden Seiten johlten und feuerten die beiden Kontrahenten an. Roban lehrt seinen Teller zuerst und besorgte sich sogleich Nachschub.
„Na, Sindelsaum, kannst du schon nicht mehr?“
Doch auch Halmar stand auf und nahm sich nach. So manchem empfindlichen Zuschauer wurde schon beim zusehen schlecht und so langsam erlahmte auch der Elan der Kontrahenten. Man konnte fast meinen, dass sie langsam grün anliefen, dennoch kämpften sich beide auch durch den zweiten Teller. Für reden hatten sie allerdings keine Zeit mehr, dafür wurde gerülpst und gepupst und so verschlechterte sich die Geruchslage noch einmal ganz erheblich. Beide wankten zum Kochtopf herüber und nahmen sich noch einmal nach, wenn auch eher zaghaft. Dennoch setzen sie sich beide erneut und begannen zu essen. Verbissene Mienen und Schweißtropfen zeigten, dass sie mit letzter Anstrengung dabei waren. Mit einem Mal wurde Halmar ganz bleich, wendete sich ab und übergab sich auf den Boden. Während Halmar derart aufgab konnte Roban kaum mehr stehen um die Gratulationen anzunehmen. Auch sein Magen entleerte sich nach kurzer Zeit auf dem Gras.
Während Erlan Grimwulf zu seinem Sieg gratulierte, zerstreuten sich die Zuschauer um dem Geruch zu entkommen.

Erst am nächsten Abend hatten sich die Mägen der beiden Kontrahenten erholt. Man hatte in der Zwischenzeit reichlich Bier aus Fünfbrunnen herangeschafft und das Gefolge der beiden Seiten stieß lautstark auf Bochswies an.
Roban und Halmar saßen auf dem Dach einer Scheune sitzend beieinander. Roban begann das Gespräch.
„Wie wird das Zweitgeborene jetzt eigentlich heißen? Schwachmagen von Bochswies?“
„Oder Eisenlöffel von Grobhand“ warf Halmar ein
„Sturkopf auf Bochswies würde es wohl auch treffen, wenn sich das Blut unserer beider Familien hier vermischt. Jedenfalls wenn man nach uns beiden geht.“
„Der Koscher ist eisern in seinem Willen und unnachgiebig wie der Basalt, wenn er sich im Recht weiß“, belehrte Halmar ihn. Roban lachte trocken.
„Er ist stur wie ein Zwerg, und das ist gut so. Wer will schon mit Leuten leben, deren Rückgrat aus Apfelkompott besteht?“
Jetzt lachte Halmar.
„Ihr meint wie die Horasier? Mit gepuderter Perücke und drei Lagen Tüll um den Kragen? Wohl niemand!“
Das Lachen wurde gemeinsam.
„Mit Beinkleidern, die so eng sitzen, dass man sie mit der Kneifzange anziehen muss! Wenn einem da ein Darmwind entwischt, hat man gleich an Loch am Achterschiff!“

Erlan und Grimwulf lauschten dem Gelächter von der Tafel aus, die man im Hof von Bochswies aufgebaut hatte.
„Scheinbar verstehen die zwei sich blendend“, bemerkte Erlan lächelnd.
„Sie sind aus einem ähnlichen Holz geschnitzt, Hochgeboren. Beide in der Schmiede des Krieges gehärtet und im Feuer der Schlacht geläutert. Solche Menschen haben es nie schwer, miteinander auszukommen, selbst wenn sie einen Tag zuvor noch die Klingen respektive die Löffel gekreuzt haben.“
Erlan schaute den Roterzer über den Tisch hinweg an.
„Wenn diese beiden das schaffen, sollte es uns doch ebenfalls gelingen, oder?“
Grimwulf grinste durch seine ergraute Bartpracht.
„Viel anderes bleibt uns nicht übrig, Herr Erlan. Ich habe nicht vor, bei jeder Familienfeier einen Bogen um Euch schlagen zu müssen. Verdirbt einfach die Stimmung!“
Erlan hob seinen Bierkrug und stieß mit Grimwulf an.
„Dann freuen wir uns bereits auf das nächste Fest. In ein paar Monden wird es wohl soweit sein, dass wir den zukünftigen Erben von Bochswies in unserer Mitte begrüßen können!“

Von einer Bank neben dem Haupthaus beobachteten Angunde und Rondrolf das Treiben.
„Glaubst du, dass dieses Gut ein Zuhause sein kann?“ fragte Angunde leise.
„Wo es gut ist, da ist Zuhause“, zitierte Rondrolf einen Spruch aus der bosparanischen Zeit. „Wie gut es wird, das liegt wohl vor allen Dingen an uns. Aber das wir Gutes schaffen können, sieht man bereits. Da sitzen zwei Väter gemeinsam am Tisch und zechen, hocken zwei verrückte Krieger gemeinsam auf dem Dachfirst und lachen über…na ja, vermutlich besser, wenn wir es nicht wissen! Wenn wir es schaffen können, unsere Familien so auszusöhnen, dann können wir diesen Ort auch zu einem Zuhause machen!“ Er legte eine Hand zärtlich auf Angundes Bauch.
„Für uns drei!“