Uztrutzer Umtriebe - Einen Acker zu pflügen

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1038, Uztrutz

Nachdem die beiden Kontrahenten bei den vorherigen Wettkämpfen heil davongekommen waren – wenn man von der Wunde, die Grimbart davongetragen hatte und dem gekränkten Stolz von Holdwin einmal absah – stand am nächsten Tag das Wettpflügen der beiden Kontrahenten an um zu sehen, welcher von beiden sich auf dem Felde bei der praktischen Arbeit besser schlagen würde und damit ein würdiger Nachfolger und Erbe wäre.
Dabei hatten sich die Vorbereitungen als umständlicher herausgestellt als gedacht. Zuerst hatte Baduar überlegt, ob man auf zwei Äckern pflügen sollte, doch dass stellte sich als schwierig heraus, da es zwar genügend Äcker an sich gab, aber davon zwei zu finden, die sich in Form und Größe gleich waren und dann auch noch beieinander lagen, das stellte sich fürwahr als eine schwere Aufgabe heraus. Und so beschloss er, den Wettkampf dergestalt abzuhalten, als das beide Kontrahenten auf dem gleichen Acker pflügen würden – ein jeder an einem Ende des Ackers, so dass sie in der Mitte aufeinandertreffen würden. Dabei würden er und seine beiden gewählten Beobachter genau prüfen, wie der jeweilige Kontrahent den Pflug führte, ob die Furche tief genug gepflügt würde und ob die Reihen sorgfältig und sauber gezogen wurden. Das Akquirieren der beiden notwendigen Pflüge und Ochsen – auch diese sollten ja möglichst von gleicher Natur und Qualität sein - war dann das kleinere Problem gewesen dank einiger Münzen, die hierfür den Besitzer wechselten.

Am frühen Morgen des nächsten Tages also hatten sich die beiden Teilnehmer, aber auch die weiteren Adeligen, die in die Geschehnisse der letzten Tage schon eingebunden waren und nun sehen wollten, wie es mit dem Wettstreit der beiden möglichen Erben weiterging, bei dem zu pflügenden Acker eingefunden. Über den Feldern lag noch der leichte Morgennebel und Tau benetzte Gras und Scholle, während die Praiosscheibe sich daran machte, den noch recht kühlen Morgen mit ihren Strahlen zu erwärmen. Den Anwesenden indes war hier und da doch kalt, den allzu warm war es tatsächlich noch nicht. Aber zumindest zweien hier würde gleich ganz sicher warm werden, sobald diese erst einmal hinter dem Pflug standen und ihren nächsten Wettkampf absolvierten.

Dann war es soweit: Nach dem Startsignal, das Baduar mit seinem Rufhorn gab, versuchten beide Kontrahenten, das für sie ungewohnte Arbeitsgerät in Bewegung zu versetzen. Voller Elan hatten sie sich bereit gehalten hinter ihrem Pflug – einem einfachen Einscharenmodell – und stemmten sich nach dem Ertönen des Startsignals nach vorne. Und es geschah … nichts.

Die beiden Ochsen, die als Zugtiere dienten, waren von dem ganzen Rummel um sie herum ungerührt. Mürrisch und sturr standen sie am Rande des Feldes und taten weder Derya noch Grimbart den Gefallen, sich in Bewegung zu setzen. Diese mühten sich redlich, noch zusätzlich angestachelt durch die Kommentare der Beobachter und Zuschauer, die natürlich auch mit vermeintlich guten Hinweisen und Empfehlungen nicht sparten. Erste Flüche erklangen und es schien fast so, als ob das Wettpflügen schnell sein Ende finden sollte.

Grimbart, der als Ritter der Göttin auf vielen Schlachtfeldern glänzen und mit der Waffe sein Können darstellen konnte, schien hinter dem Pflug schier zu verzweifeln, führte doch keine seiner Bemühungen, den Ochsen anzutreiben, zum Erfolg. Das Tier zeigte sich von seiner Stellung und seinem Ansporn unbeeindruckt, machte höchstens dann und wann ein paar Schritte auf der Stelle und schaute träge mal nach links, mal nach rechts.

Ebenso erfolglos war Derya am anderen Ende des Feldes – bis sie schließlich fluchend ihren Platz hinter dem Pflug verließ und zu dem Ochsen stapfte, sich vor ihm aufbaute, dem Tier fest in die Augen starrte und lospolterte: “Du stures Vieh du! Aber warte nur, dich werde ich lehren… Du hast große Ähnlichkeit mit meinem Mann, schielst du doch leicht und bist genau so stur. Und wenn ich dem die Hammelbeine lang ziehen kann, dann wird mir das bei dir auch gelingen.” Dann hielt sie noch einen Augenblick inne und starrte das Tier unverwandt an. Ihr Kontrahent hatte am anderen Ende des Feldes mitbekommen, dass Derya ihren Platz hinter dem Pflug verlassen hatte und frohlockte schon, dachte er doch, dass sie hinter dem sturen Tier bereits kapitulierte, doch: weit gefehlt! Mit zunehmendem Ärger musste er beobachten, das nach einem weiteren Augenblick, in dem sich Derya noch einmal zu dem Tier vorbeugte und ihm noch etwas zuflüsterte, der Ochse den Kopf nach oben warf und sich schüttelte, dann begann er langsam loszutraben. Derya schaffte es gerade noch rechtzeitig hinter ihren Pflug. Am Anfang ging ihr die ungewohnte Tätigkeit noch holprig und unsicher von der Hand, doch nach den ersten anfänglichen Schwierigkeiten gewann sie Zuversicht.
Gespannt beobachteten die Zuschauer, wie Derya die ersten Furchen zog und behielten natürlich auch ihren Rivalen im Auge, der sich am anderen Ende noch immer damit abmühte, seinen Pflug in Bewegung zu setzen, doch sein Ochse blieb stur. Zeternd und fluchend erlebte man daraufhin Grimbart – aber was war denn das? Auf einmal begann Grimbart, den Ochsen aus dem Joch zu spannen. Als dies halbwegs gelungen war, schlug er dem Ochsen ein-, zweimal auf den Hinterlauf: “Los, jetzt lauf schon, du stures Ding. Man könnte ja meinen, du bist hier festgewachsen. Hop!” - und tatsächlich: Der Ochs, nun vom schweren Joch befreit, trottete ruhig vom Feld und muhte dabei zufrieden. Grimbart jedoch wandt sich an seinen Sekundanten – auch bei diesem Wettkampf waren derer zwei durch die Kontrahenten festgelegt worden, das Los fiel erneut auf Trest von Vardock für Derya und auf Roban Grobhand von Koschtal für Grimbart – und rief diesem zu: “Wohlan, Roban, ich bitte Euch, Eurer Aufgabe nachzukommen. Meine Aufgabe ist es, das Feld zu pflügen und ihr will ich nachkommen. Und wenn schon das blöde Rindvieh nicht in der Lage dazu ist, den Pflug zu ziehen, dann muss ich es wohl selber tun, um meine Pflicht zu erfüllen. So schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Doch brauche ich jemanden, der den Pflug führt, den ich kann mich nicht zweiteilen. Also, leiht mir euren Arm und helft mir!” rief er und zog sich – unter den teils johlenden, teils überraschten Rufen und Juxereien der Zuschauer – das Joch über.

Der Eichsteiner beobachtete das Schauspiel und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. Derya hatte mittlerweile schon ein paar Furchen hinter sich gezogen, doch ergab sich nun natürlich die Frage, ob man das Vorgehen von Grimbart so überhaupt gelten lassen konnte. Kurz beratschlagte sich Baduar von Eichstein mit dem Richtgreven und Baron Erlan, um weitere Meinungen einzuholen. Es war nicht unbedingt dass, was alle Beteiligten erwartet hatten, aber genau genommen widersprach es dem Wettbewerb auch nicht, denn ob die Beteiligten nun vor oder hinter dem Pflug waren und pflügten, war tatsächlich vorher nicht festgelegt worden – natürlich vor allem deshalb, da niemand erwartet hatte, das die Teilnehmer selbst den Pflug zu ziehen gedachten. Das Vorgehen des Rondrianers war daher ungewöhnlich, aber schließlich kam man überein, ihn gewähren zu lassen.

Umso begeisterter feuerten seine Anhänger ihn nun an und Grimbart mühte sich redlich, die verlorene Zeit aufzuholen. Er hing schwitzend und fluchend im Joch und mühte sich, den Pflug durch das Erdreich zu ziehen. Angespannt waren die Muskeln bis aufs Äußerste, dick sah man Adern und Sehnen am Hals hervortreten, während sein Sekundant die Schar führte und endlich auch somit die erste Furche auf der Seite von Grimbart in den Acker gezogen wurde.

Umso interessierter verfolgten nun alle Anwesenden den ungleichen Wettkampf und man hörte so manchen feixenden Kommentar, etwa über den Vergleich von Derya zwischen dem Ochs und ihrem Herrn Gemahl, aber auch über die Qualitäten des Herrn Grimbart als Ochse.

Immer noch kopfschüttelnd betrachtete Baduar von Eichstein das Schauspiel, während er von einem Ende des Ackers zum anderen ging, um die bisher gezogenen Furchen in Augenschein zu nehmen. Im Schlepptau hatte er seine beiden Beobachter, beides Bauern aus den nahen Dörfern, die die Qualität der Arbeit wohl bemessen konnten und sich – unter dem regelmäßigem Paffen an ihrer Pfeife in dichte Qualmwolken gehüllt – dazu auch rege austauschten und den Junker hier auf eine besonders gut geführte Furche, dort auf eine Unregelmäßigkeit hinwiesen und so dem Junker an einem Tage einiges an Fachwissen über die Feldarbeit nahe brachten, während sie ihm außerdem dabei halfen, sich ein Urteil über die beiden Kontrahenten zu bilden.

Das Feld war so ausgesucht, das ein Bauer es an einem Vormittag pflügen konnte. Beide hatten am Anfang Zeit verloren und waren alles andere als geübt, doch schließlich war das Werk vollbracht: Derya erreichte – wie nicht anders zu erwarten – als erste die Markierung in der Ackermitte und, um ihrem Kontrahenten, der sich mit dem schweren Gerät immer noch im ersten Drittel seines Ackerteils abmühte, noch ein wenig zu schmähen, zog sie eine weitere Furche auf seiner Seite, bevor sie dann doch erschöpft abließ. Der Eichsteiner stieß daraufhin erneut in sein Rufhorn, um den Wettbewerb offiziell zu beenden.
Am anderen Ende des Feldes ließ sich Grimbart auf die Knie fallen. Er hatte die Arbeit vor dem Pflug eindeutig unterschätzt, das Ziehen des Pfluges durch das schwere und teils feuchte Erdreich hatte an seinen Kräften gezehrt und so war es kein Wunder, das er nun erschöpft war – hatte er doch immerhin einige Furchen unter Aufbringung all seiner Kraft und Ausdauer geschafft, was ihm stille Achtung selbst bei einigen seiner Gegner einbrachte.

“Wohlan, hohe Herrschaften, wir haben eine Siegerin: Derya von Utztrutz hat den Wettkampf für sich entscheiden können. Ein Hoch auf die Siegerin in diesem Wettstreit” verkündete Baduar kurz danach das Ergebnis dieses Wettkampfes und lies den Anwesenden einen Augenblick, um der Gewinnerin zu gratulieren. “Es steht nun 2:1 und das bedeutet, dass Uztrutz einen neuen Baron hat! Verzeiht – eine Baronin!