Wie Elenvina auf den Hund gekommen ist

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Ausgabe Nummer 39 - Efferd 1028 BF

Wie Elenvina auf den Hund gekommen ist

Ein Reisebericht aus der Herzogenstadt

Den folgenden Ausschnitt aus einem Brief seiner Tochter Vieska hat der ehrenwerte Herr Odoardo Markwardt freundlicherweise dem Kosch-Kurier zum Abdruck überlassen, auf dass sich die geneigte Leserschaft aus erster Hand über die Vorgänge in den Nachbarlanden ein Bild machen kann.

„Nun weile ich also wieder in Elenvina, und die Geschäfte mit unseren hiesigen Genossen im Albenhuser Bunde haben mich wohl schon zum vierten Mal seit dem vorigen Sommer hierher geführt. Wann seid denn Ihr das letzte Mal in der Herzogenstadt gewesen, lieber Vater? Es wird wohl schon einige Götterläufe her sein, und wahrlich, wenn’s schon mir so vorkommt, als ob sich hier bei jedem meiner Besuche etwas getan hat, so sollte es Euch doch umso mehr so scheinen.

Zwar sind hier nicht gar so viele Häuser aus Stein gebaut wie in Angbar, doch diese sind dafür umso größer und stehen an breiten Straßen und nicht aneinandergedrückt in engen Gassen und über mehrere Stufen und Ebenen verstreut wie bei uns. Blumenkästen, feine Hecken oder gar Gartenelfen und anderen liebevollen Tand, wie ihn bei uns die Hügelzwerge lieben, die gibt es beinahe gar nicht. Auch vermisse ich den feinen Zierrat, wie er wahrlich perfekte Handwerkskunst ausmacht — die Runen und Zeichen, welche in Angbar ein Haus vom anderen scheiden helfen und solcherlei Ding.

Mächtig und prächtig soll hier alles sein, das ist des Herzogs Wille, gerade so wie er selbst. Und höchst reinlich obendrein — nicht nur im Praiosbezirk, auch in der Mitte der Stadt sind die Straßen so sauber wie Alt-Gareth — früher einmal... Die Garde aber packt jeden, der seinen Unrat nicht zur rechten Zeit aus dem Fenster wirft oder sonstwie ein Strolch oder Herumtreiber ist oder sich nicht nach Praios’ Ordnung zu benehmen weiß, habe ich es sagen hören. Wer ein Bürger ist und Geld im Beutel trägt, mag Strafgeld zahlen, alle übrigen kriegen’s rasch mit der Rute oder müssen am Pranger stehen. Vom Brauch des Spießens aber hat Herzog Jast Gorsam wohl Abstand genommen, seit er die Zinnen seiner gewaltigen Feste Eilenwîd vergolden ließ, so dass sie im Lichte weithin strahlen.

Noch unter des Herzogs Vater, dem streitbaren und wilden Herrn Hartuwal Gorwin dem Älteren, war es beileibe kein seltener Anblick, dass auf den stählernen Spitzen der Zinnen, welche Feindesmacht abwehren sollten, ein Strauchdieb sein jämmerliches Ende fand, weil der Herzog solcherart über ihn geurteilt hatte. Sogar einen eigenen Greven, den Spießwart, hielt der alte Herzog im Sold. Dieser hielt die Zinnenspitzen wohl scharf und entfernte die Reste der Unglücklichen, nachdem sich die Raben und Krähenvögel an ihnen gütlich getan hatten.

Herr Jast Gorsam aber fand unterdessen wohl, dass das Gewimmer der Aufgespießten nicht zum Glanz seiner goldenen Zinnen passte, wenn er zum Speisen oder mit seinen Räten im Eichenen Gemach zusammen saß (was seinen herzöglichen Vater nimmer gestört hatte), und es mag sein, dass Prinz Hartuwal, des Reiches Kanzler, an dieser Entscheidung Anteil hatte, indem er zurecht darauf verwiesen hatte, dass die Kerker der Feste Eilenwîd tief und geräumig genug seien, um das Gelichter auf diese Weise aus dem Blick zu schaffen.

Doch nicht lange nach dieser Entscheidung sah man den sonst allzeit entschlossenen Herzog der Nordmarken in seltene Grübelei verfallen und ernstlich mit seinem Beichtvater, Hochwürden Jorgast von Bollharschen-Schleifenröchte, beraten. Denn nach dem Ende des Spießens begannen die Raben und Krähenvögel auf Eilenwîd seltener zu werden, das war offensichtlich. Und es heißt in einer alten Sage, dass die Schwarzgefiederten einst mit dem Haus vom Großen Fluss nach Elenvina kamen, und wenn sie die Feste einmal verließen, würde es dem Herzogenhaus schlecht ergehen.

Da aber wusste der schlaue Prinz Hartuwal Rat und begründete so eine neue Sitte in Elenvina. Wenn das Stadtvolk einen alten Hund hat, welcher lahm ist oder blind und stinkt, dann nehmen sie ihn und gehen damit zum herzöglichen Spießer, und der lohnt’s ihnen mit einem ganzen Taler. Die alten Hunde aber werden von der Burgmauer in den Graben geworfen, dass sie tot sind, und dann anstelle der Strolche auf die Zinnenspitzen gepflanzt, den Vögeln zur Labsal. So hörte ich selbst die Tochter unseres Handelsfreundes zu ihrem Schoßhündchen sagen: „Sei folgsam, du, sonst wirst du auch bald die Raben anlocken!“ Schon dies habe dafür gesorgt, dass sich auch die Hunde auf den Straßen manierlicher und sauberer betrügen als zuvor, wurde mir versichert, doch will ich dem nicht glauben.“