Glaube im Kosch — Teil III: Rahja

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Ausgabe Nummer 35 - 1027 BF

Auf dem Zwölfergang

Glaube im Kosch — Teil III: Rahja

Der Zwölfergang, jener legendäre Pilgerweg, welcher den Gläubigen quer durch die Koschberge zu einigen der wichtigsten heiligen Stätten unserer Heimat führt. Jedem der Götter Alverans ist hierbei eine Station gewidmet. In unserer Serie begleiten wir Angbars Ratsschreiber Born von Stedtler.

Nach der Station des Schweigenden Raben hat Stedtler auf seiner Pilgerfahrt Schetzeneck erreicht. Am Heiligtum der Göttlichen Leuin am Zwölfergang schnürt er wiederum sein Bündel, nimmt den Stab mit den Pilgerglöckchen zur Hand und setzt seinen Weg fort …

Die Schwertschlucht hinter mir lassend führt mich der steinige Weg weiter in die Koschberge hinein, über alte Zwergenpfade entlang der gewaltigen Bergriesen, die ich schon von Ferne aus dem Fenster meiner Arbeitsstube in Angbars Haus der Zünfte als gewaltige Zeichen der Zwölfe kannte. Doch wie ungleich unwirklicher erscheinen sie, wenn man sich zwischen ihnen befindet, sie direkt vor einem in den Himmel ragen.

Der ehrfurchtgebietendste Gipfel war der im Abendlicht tausendfach funkelnde, endlos erscheinende Götterfirst, den die einheimischen Schetzenecker als höchsten der Koschberge nennen, während die Wengenholmer darauf beharren, daß ihrem Firunszapfen diese Ehre gebührt. Wer von beiden Recht hat, das mögen nur die Götter selbst wissen, die diese Schätze machtvoll in unserem Land erschaffen haben.

Jedenfalls erreiche ich, während die grauschwarzen Hänge im früh erlöschenden Sonnenlicht in rotglühender Pracht zur Einkehr mahnen, eine kleine Travienhütte am Fuße des Massivs. Dort kehre ich also ein — wie sich herausstellt gemeinsam mit dem alten Krambold Zwiebenhang, der mir bei einem Schlafbierchen erzählt, daß der Götterfirst so heißt, weil die Zwölfe auf dem Gipfel wohnen würden.

Vor vielen Jahren versuchte ein verfluchtes Hexenweib aus dem Koschgau jedoch, mit ihrem Zauberstock bis hinauf zu fliegen, um als erste die verbotene Bergspitze zu betreten und zu beweisen, daß dem nicht so sei. Doch wehe — auf halbem Wege schon wurden der Vermessenen FIRuns Eiseskälte, EFFerds Windgebraus, RONdras Wetterzorn und PRAios’ Zauber zerschmetternder Koschbasalt zum Verhängnis. So stürzte sie tot wie ein Stein herab ins Tal, wo seither eine Krüppelkiefer, die aus ihrem Stock wuchs, vor zu viel Tollkühnheit mahnt. So schilderte es mir der Krambold und schlug mit dem Knauf seines Wanderstab auf die Tischkante, daß der Schaum vom Biere spritzte.

Länger noch als der Berghändler mit seiner Kiepe begleitet mich am folgenden Morgen der Götterfirst selbst hinab ins Tal, denn das markante Gipfelweiß ragt weit über die umgebenden Anhöhen hinaus. Gegen Nachmittag erreiche ich also die kleine Grafenstadt Koschtal, die sich am Ufer des Sylbrigen Sees beschaulich an den INGerimms Amboß geheißenen Felsrücken schmiegt. Folgt man dem Uferverlauf ein wenig, gelangt man bald an einen reizenden kleinen Gasthof um dessen Eingangstür sich ein Bogen aus rosafarbenen Blüten spannt. Davor befindet sich eine kleine Anlegestelle, die als einzige die Überfahrt zur nächsten Station meiner Pilgerfahrt gewährleistet.

Das Eiland der Liebenden

Denn es begab sich zu Zeiten Rohals des Weisen, daß die junge Gräfin Balbine von Schetzeneck, von Liebeskummer geplagt, auf den See gerudert sein soll, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. RAHja selbst aber führte ihr Boot an das Ufer jener kleinen, unbewohnten Insel, auf welcher die traurige Gräfin unter den heiligen Rosenranken Trost und neues Glück fand. Zurückgekehrt verkündete sie ihren Untertanen vom Geschenk der Göttin. Als jedoch daraufhin eine Unmenge von Booten aufbrechen wollte, um das Eiland zu sehen, erließ sie ein Dekret, daß nur ein einziges Boot die Roseninsel befahren dürfe, damit die jeweiligen Pilger dort alleine und ungestört bleiben und das Heiligtum nicht geschändet würde. Dafür ließ sie (wie man sagt von Elfen), aus einem Stück Holz ein weißes Boot erschaffen, das noch immer als einzige Fähre hinüber fahren darf.

Wenngleich die Zeiten des großen Andranges lange vorbei sind, gibt es noch immer vereinzelte Zwölfergänger, einsame Liebessuchende, jung verliebte oder frisch verheiratete Paare, aber auch alte Liebende, die sich dort den Beistand der Immerschönen erhoffen. So heißt es also zunächst auf die nächste Gelegenheit zu warten, was man am besten bei einem Gläslein Wein in der Schänke tut — die überhaupt mit leisem Harfenspiel und bequemen Sesseln gute Einstimmung bietet.

Es wird Abend, bis das Uztrutzer Bauernpärchen, welches vor mir an der Reihe war, von seiner Pilgerfahrt zurückkehrt und der inzwischen von einer kleinen, rötlichen Laterne beleuchtete Kahn zu meiner Verfügung steht. Während der Überfahrt im von einer schweigsamen Hügelzwergin getriebenen Boot wird mir auch bewußt, warum man die Umgebung von Koschtal auch als Sternental kennt — denn im klaren Spiegel des Sylbrigen Sees fangen sich die Sterne und scheinen wie auf einer Blumenwiese aus dem Boden zu leuchten.

Am Eiland angelandet gibt mir die Zwergin ein kleines, blütenförmiges Glöckchen, mit dem ich sie rufen solle, sobald ich bereit sei die Insel wieder zu verlassen. Bald darauf ist sie im Dunkel des nächtlichen Sees verschwunden. Ich erinnere mich an die Sage des Wirtes aus dem Ufergasthaus: In der Kaiserlosen Zeit wollte ein lüsternes Junkerpaar aus Fürstenhort diese Regel ausnutzen und über Tage bleiben. Mehr noch, in ihrer Maßlosigkeit spielten sie gar mit dem Gedanken sich auf der Insel niederzulassen, auf daß andere diese nie mehr betreten sollten. RAHja aber wußte diesen Frevel zu verhindern und entzog den Zweien alle Liebeskraft, so daß sie sich in ihrer Lustlosigkeit schnell wieder nach Fürstenhort zurückzogen und dort noch sieben Jahre warten mußten, bis die Göttin ihnen wieder ihre Gnade gewährte.

Als ich auf der selbst in der Nacht liebreizenden und betörend duftenden Insel wandle, übermannen mich schon bald sehnsüchtige Gedanken an meine geliebte Bachede, die schon bald zu minniglichen Träumen werden. Als ich von den ersten Sonnenstrahlen des nächsten Morgens geweckt werde, liege ich auf einem sanften Bett aus Moosen, inmitten eines wohlriechenden natürlichen Zeltes aus wilden Rosenranken. Dies müssen jene Blumen sein, die schon die Gräfin Balbine sah, und die dieser Insel ihren Namen geben. Selbst im Winter soll ihr Holz diesen intensiven Duft schenken, der mich nicht nur während meiner Rückfahrt umschwebt, sondern mein Leben lang jene sinnlichen Bilder begleiten wird, die ich auf der Roseninsel erfuhr.

Historie der Kirche im Kosch

Der Kosch war niemals eine Hochburg der Schönen Göttin und ist es trotz gelegentlicher Versuche wandernder Geweihter bis heute nicht geworden. Dennoch gab es durchaus auch hier Zeiten, in denen der Schönen mehr gehuldigt wurde als heutzutage.

Die Blütezeit der Rahjaverehrung in unserer Provinz lag zweifellos in den Tagen Rohals. Damals zogen wandernde Geweihte — unter denen gar Elfen oder Halbelfen gewesen sein sollen — durch alle Lande und spürten heilige Liebeshaine auf, die daraufhin zur Zweisamkeit oder gar zu ausgelassenen Festen genutzt wurden. Heute schwer vorstellbar, daß damals auch im Kosch — vor allem in den fruchtbaren Tälern außerhalb Wengenholms — tagelang in aller Offenheit den Lüsten der schönen Göttin gefrönt wurde. Auch die alte Abtei Leuwenstein, Hort der Rondra- und später der Praioskirche, wurde zu einer Gemeinschaft von rahja- und hesindegläubigen Rohalsjüngern unter Vinan dem Letzten, mit dem das alte Geschlecht der Seneschalke dort schließlich starb.

Die Angroschim jedenfalls sahen, von einigen Hügelzwergen abgesehen, diesen Spuk schon damals als jene vorübergehende Episode des menschlichen Verhaltens an, der er wohl auch tatsächlich war. Schon zu Ende der rohalschen Zeit jedenfalls klang diese öffentliche Rahjahuldigung ab und zog sich dorthin zurück, woher sie gekommen war — vornehmlich in die heimischen Schlafgemächer und einschlägigen Gaststuben.

Weitere Wellen eines stärkeren Rahjaglaubens erfaßten zu Zeiten Valpos, Bardos und Cellas vor allem Adelskreise und einzelne Großbürger, wobei dieses Phänomen im Kosch deutlich weniger ausgeprägt war als etwa in Garetien oder Almada.

Eigenheiten im Glauben

Heute kann von einem offenen Kult der RAHja kaum die Rede sein. Wenn der Schönen Göttin gehuldigt wird, dann eher im Verborgenen, vor allem freilich von Liebenden. So pflegt so manches frischverliebte Paar andächtig das Symbol der Rahja an lauschigen Plätzchen einzuritzen, um sich damit gegenseitig ihrer Liebe zu versichern. Rosengeschenke, das Werfen von Rosenblüten oder das Pflanzen eines Rosenstockes gehört vielerorts zum festen Teil der Hochzeitsriten – auch wenn dies Frau Traviens Geweihte nicht immer gern sehen. Ebenso wie so manches Schlafzimmer von einem kleinen Bildnis der Göttin oder so manche Bettdecke von einem versteckt eingestickten Paar roter Lippen geziert wird. Symbole, die man in den vereinzelt – vor allem in den Städten Angbar, Ferdok und entlang der Reichsstraßen – zu findenden Bordellen deutlich offener findet.

Denn die Huren sind einige der wenigen Anhänger der RAHja im Koscherland, die sich öffentlich zur Immerschönen Herrin als ihrer Hauptgöttin bekennen. Abgesehen vielleicht noch vom Haus der Barone von Herbonia, das der Göttin schon aus Familientradition huldigt, oder den wenigen Winzern und Weinwirten — die im Kosch eine verschwindend kleine Minderheit bilden und meist aus dem Almadanischen eingewandert sind.

Feiertage der Goettin

1.-30. RAH – Seefest auf dem Angbarer See. Beginnend am 1. Rahja mit der feierlichen Überfahrt des Geweihten von Angbar zur Insel Cellastein, in der Neumondnacht mit den Kahnfahrten im Laternenschein (welche die ursprünglichen Rahjafackeln wegen ihres romantischeren Lichtes ersetzt haben) zum Höhepunkt kommend und endend am 29. Rahja mit der Rückkehr des Geweihten von Cellastein und dessen Teilnahme am Jahresscheidfest in Angbar am 30. Rahja. Für die meisten Feiernden ist das Seefest aber wohl eher ein Volksfest als ein religiöses.

1.-30. RAH. Fest der Freuden, vor allem im Tal der Rakula zwischen Rakulbruck und Kargel gefeiert. Wie es heißt auch zu Ehren einer Quellnymphe, die bisweilen einsame Jünglinge und Jungfrauen am Rakulaufer verführt. Das Fest ist im übrigen Kosch wenig bedeutend.

2. RAH. Tralliker Sängerwettstreit — Findet zwar zu Ehren von Mutter TRAvia statt, wird jedoch auch gerne von Rahjaanhängern besucht.

Regionale Heilige

Kaiser Valpo, der bisweilen seine Sommer am Angbarer See (und in Brauhäusern von Angbar selbst) verbrachte, steht dort heute bei Kneipwirten und Rahjaanhängern vielleicht höher im Ansehen als irgendwo sonst im Reiche.

Goettliche Artefakte

Keine bekannten. (Wenngleich manch’ Schelm jenen zwanzigseitigen Würfel, den angeblich Schwertkönig Raidri benutzt haben soll, um die Art seines berüchtigten Wettstreits mit den Ferdoker Lanzerinnen zu bestimmen, als Artefakt genannt hat — und manch ein junger Abenteurer glaubte schon, diesen für einen günstigen Preis in einem Angbarer Trödlerladen erstanden zu haben …)

Heilige Orte

Die Roseninsel im Sylbrigen See, sowie diverse im Land verstreute Haine, die als romantische Orte mit besonderem Segen für Verliebte gelten und daher gerne von diesen aufgesucht werden. Viele davon sind vergessen — aber es heißt, sie seien noch intuitiv von jenen aufzuspüren, die wahre Harmonie und rahjagefällige Leidenschaft im Herzen tragen.

Wichtige Tempel

In diesen Tagen scheint es nur einen dauernd besetzten, wenngleich kleinen und unbedeutenden Tempel in Rakulbruck bei Ferdok zu geben. Er wird vor allem von Durchreisenden und den Bediensteten des dortigen Bordells besucht.

Im Rahmen des Seefestes wird während des Rahjamondes auch der Tempel auf der Insel Cellastein bei Pervalia im Angbarer See von mindestens einem oder einer Geweihten besetzt. Ansonsten steht dieser ebenso leer wie weitere verlassene Tempelstätten, die noch von Zeiten größerer Bedeutung Rahjas im Kosch künden. So manche dient heute anderen, profaneren Zwecken — so etwa zu Grünfels in Rohalssteg als Kornspeicher, zu Durstein im Driftschen als hübsche Weinschänke im almadanischen Stil oder als romantische, efeuumrankte Ruine für die Ausflüge verliebter Paare wie der pavillonartige Tempel zu Püscheln in Herbonia.

Geweihte und Laien

Charine die Rubinrote

Sie kam erst vor etwa sechs Jahren aus Perricum in den Tempel von Rakulbruck, nachdem der damalige Vorsteher Wonnemar von Herbonia versetzt worden war. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, sie habe sich in Perricum etwas zu Schulden kommen lassen oder sei mit ihren gut 45 Götterläufen mittlerweile schlicht zu alt für den Dienst in der Metropole. In der Tat liegt der Charme der etwa 1,90 Schritt großen Dunkelhaarigen mehr in der rassigen Ausstrahlung einer erfahrenen Herrin als im Reiz jugendlicher Schönheit, was ihrer Achtung unter den angeblich bisweilen in den Tempel kommenden Ferdoker Lanzerinnen keinen Abbruch tut.

Die oder der Geweihte des Seefestes

Es bleibt in jedem Jahr spannend, welche oder welchen Vertreter die Gemeinschaft der Freude nach Angbar beziehungsweise Cellastein zum Seefest entsendet. Angeblich soll diesmal eine wandernde oder gar abenteuerlustige Geweihte die Feierlichkeiten vollziehen, um dem in den letzten Götterläufen unter dem eher trägen Garether Geweihten Debrek vom Bach etwas eingeschlafenen Fest der Göttin frischen Wind zu schenken. Eine Aussicht, die so manches traditionsliebende Gemüt in der ehernen Reichsstadt schon vorab zum Murren bringt.

Therunbold von Cellastein

Nicht als Geweihter, sondern aufgrund seines Lehens eher als Laiendiener der Göttin versieht Therunbold seine Hüterpflichten im kleinen Tempel auf der Insel Cellastein. Der fürstliche Schlachtreiter im besten Mannesalter mit dem vollen, lockigen Haar auf Haupt und Brust und dem schlichten Oberlippenbart steht vor allem in Angbar dennoch im Ruf, von der Göttin gesegnet zu sein.

Sowohl gesanglich als auch durch seine Standhaftigkeit soll er so manches Mal schon einer hübschen Angbarerin die Gaben der Göttin näher gebracht haben, wovon die bunten Bändlein an seinem Arm als Unterpfand zeugen. Berühmt ist auch Therunbolds prachtvolles aranisches Wehrgehänge, das Zeichen seines Amtes. Sein Ahnherr soll es von der gnädigen Kaiserin Cella selbst verliehen bekommen haben.

In der nächsten Ausgabe unserer Serie über den Zwölfergang und den Glauben im Koscher Land: HESinde, die weise Lehrmeisterin

Irdischer Hinweis: Dieser Artikel bildete die Grundlage für den Wiki-Artikel Rahja.