Durch alte Eide neu verbunden

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Ausgabe Nummer 39 - Efferd 1028 BF

Durch alte Eide neu verbunden

Der Schwurbund zu Wengenholm

WENGENHOLM. Düster sieht es aus in Wengenholm: Verheert sind weite Teile des Landes, verwüstet viele Siedlungen, verwaist die Burgen und Wachten. Doch die Grafschaft ist darum weder schutz- noch herrenlos, denn Graf Jallik lebt, und gemeinsam mit den Freien aus den Dörfern und Talgemeinden hat er einen Bund geschlossen wie dereinst die Ahnen in den Dunklen Zeiten: den Schwurbund zu Wengenholm.

Blicken wir einige Monde zurück in jene schlimme Zeit, als der Alagrimm Brand und Verderben über das Land brachte: Am 27. Peraine wurde die Angenburg von dem Ungeheuer zerstört, und schnell verbreitete sich die Kunde, der Graf sei in dem furchtbaren Feuer ums Leben gekommen.

Angesichts der drohenden Gefahren schickte der Dorfschulze von Groinhag Boten in die Nachbarorte und rief die Wengenholmer zu einer Beratung ins Steinerne Tal. Das ist nun aber kein Ort wie irgendeiner, denn in diesem Tal hatten sich die Altvorderen einst versammelt und den berühmten Schwurbund geschlossen, um gemeinsam ihre Freiheit zu verteidigen; und selbst den gut gerüsteten Legionen Bosparans war es nie gelungen, die trotzigen Bergbewohner zu unterwerfen.

Die sieben Gemeinden

An diesem bedeutungsvollen Ort also versammelten sich am 7. Ingerimm 1027 BF, während der Jergenquell in Albumin noch seine Rache feierte, die Leute der umliegenden Dörfer. Sieben Gemeinden waren es, die sich im Talgrund einfanden, namentlich die Groinhager mit ihrem Schulzen Erlan Pflöganger, der wie kein anderer die Sagen aus alten Zeiten kennt; zum zweiten die Leute aus Adlergang mit ihrer Sprecherin Ulwide Bocksbart, die von Tsa mit einer reichen Kinderschar gesegnet ist; drittens die Twergentaler mit Gevatter Brauwin Grollwart, von dem man sich erzählt, er sei als junger Mann mit den Gämsen um die Wette gesprungen; als Vierter war der Großbauer Grimm Strauchinger vom Bärenhof mit seiner Sippe gekommen, aus deren Kellern der beste Honigmet der Gegend stammt. Neben ihnen fanden sich die Almhirten vom Schröterstieg ein, geführt von der bedächtigen Sennin Mechte Bitterhalm. Die Talgemeinden Biestertrutz und Wildertrutz waren gemeinsam gekommen; für sie sprach Jargold Schwarzbart vom Wengengrund, der dort als Friedensschlichter seines Amtes waltet. Als letztes trafen die Firnsteiner ein, geführt von Josmene Brotkrum, einer sicheren Schützin, die beim Twergentrutzer Trutzfest schon oft den Siegeskranz errungen hat.

Der alte Bund wird neu geschlossen

Nachdem sie alle sich im Kreise versammelt und die Sprecher sich freundlich die Hände gereicht hatten, ergriff Gevatter Pflöganger das Wort. In schlichter, bedächtiger Rede, wie es der Wengenholmer Art ist, schilderte er den bitteren Ernst der Gegenwart und die drohenden Nöte der Zukunft. Darauf ließ er die Gedanken schweifen zu den Tagen, als die Urväter hier versammelt standen, in Zeiten, die nicht minder dunkel waren als die jetzigen. Und er schilderte den großen Ruhm der alten Schwurgenossen, die bei der Burg Koschwacht eine bosparanische Legion umzingelt und vernichtet hatten. Als Beweis zeigte er die Überreste des goldenen Adlers, des erbeuteten Feldzeichens der besiegten Legion. Da staunten die Umstehenden, und viele drängten sich heran, um die Trophäe zu berühren; und es war, als fließe davon neuer Mut und Tatendrang in ihre Herzen.

So rammten sie denn trotzig ihre Speere, Spieße und Schwerter inmitten des Kreises in die Erde, traten näher zusammen und hoben die Hände zum Schwur: Einander immer beizustehen in Kriegs- und Friedenszeiten, für die Freiheit Wengenholms zu kämpfen und jedem Feind die Stirn zu bieten, das schworen sie, und die ewigen Berge waren ihre Zeugen.

Wer aber soll uns führen?

Doch so einig und entschlossen sie auch waren, es fehlte ihnen ein kluger, tapferer und bei allen gleichermaßen angesehener Führer. Wohl galt Gevatter Pflöganger als weiser Mann, doch war er schon zu alt, um eine streitbare Schar in den Kampf zu führen.

Während noch beraten wurde, brachte ein Köhlerbub in eilendem Lauf die Nachricht, dass Graf Jallik noch am Leben sei: Wie durch ein Wunder war er dem Brand der Angenburg entkommen, hatte sich tagelang durch die Wälder geschleppt und war schließlich, erschöpft und ausgezehrt, von den Eltern des Knaben gefunden worden.

Ungläubig vernahmen die Schwurgenossen diese Nachricht, doch dann machten sie sich auf zur Hütte der Köhler und fanden dort tatsächlich den totgeglaubten Grafen, leicht verwundet, aber sonst wohlauf.

Mit einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit berichteten die Sprecher der Gemeinden, was sie im Steinernen Tal geschworen hatten; und sie versicherten, dass dies nicht aus Trotz und Unmut gegen ihn geschehen sei, sondern einzig um des Landes und der Freiheit willen. Doch fügten sie sogleich hinzu, dass sie ihn, den Grafen, zwar achteten und ihm nach altem Recht Gefolgschaft schuldeten, zugleich aber nicht bereit seien, ihren gerade getanen, heiligen Schwur zu brechen.

Hierauf trat Stille ein, in die Herr Jallik fragte, wer denn der Anführer des neuen Bundes sei? Darauf blickten sich die sieben Sprecher schweigend an, dann erwiderte Gevatter Pflöganger: „Ihr, Herr Jallik, so Ihr’s wünscht. Uns soll es Recht sein, Euch als Freie freiwillig zu folgen.”

So fielen die alte Grafenwürde und die neue Schwurbundschaft einträchtig zusammen, wie es ja gut Koscher Art ist, dass das Neue das Alte nicht zerstört, sondern es fortsetzt und ergänzt.

Auf, gen Angbar!

Die Zeit der Worte war vorbei, nun galt es Taten. Bereits am nächsten Morgen zog der Graf mit einem starken Aufgebot der Schwurschar südwärts, dem bedrohten Angbar zu Hilfe. Ein Trupp von Zwergenkriegern aus der Binge Koschim unter ihrem König Gilemon schloss sich den Wengenholmern an. Gerade noch rechtzeitig kamen sie, um das Schlachtenglück zu wenden und die Eherne zu retten. Seinen schlimmsten und erbittertsten Feind, Ulfing von Jergenquell, den Urheber der Übel, tötete Graf Jallik selbst im Kampf. So nahm er die gerechte Rache für die Verwüstung seines Landes, die Zerstörung seiner Burg, den Tod seiner Mutter.

Doch keine Ruhe gönnte der Graf sich selbst und den Seinen: Zwei Tage nach der Schlacht schon zog er mit den Wengenholmern am Rand der schwarzverkohlten Harschenheide heimwärts. Nachdem er den Großteil der Schwurschar entlassen hatte, ritt er mit einer Handvoll Getreuer in die verheerten Landstriche, um die Schäden zu besehen, den Menschen Trost zu spenden und den Wiederaufbau einzuleiten. Was er sah, war schlimmer als befürchtet: Rauchende Ruinen, geplünderte Dörfer, weinende Menschen, Not und Elend. Von Marodeuren und Räuberbanden wurde ihm berichtet, die sich wohl im Borrewald eingenistet hatten — vielleicht Überreste von des Jergenquells Haufen. Der Graf unternahm einige Vorstöße in das finstere Gehölz, doch ohne Erfolg. Auch wagte er nicht, mit seiner kleinen Schar gegen Albumin zu ziehen, wo angeblich noch immer ein Teil der Jergenquell-Bande die Festung besetzt hält. Bedrückt ritt er darum südwärts, um in den Ruinen der Angenburg sein Lager aufzuschlagen. Dort erwarteten ihn bereits einige Sendboten aus den Gemeinden weiter im Süden; sie hatten von dem Schwur im Steinernen Tal gehört und wollten dem Bund ebenfalls beitreten. Der Graf vernahm mit Freude ihre Worte und hieß sie, sich im nächsten Ingerimm, zum Jahrestag des Schwurs, erneut im Talgrund einzufinden.

Karolus Linneger, nach Berichten aus Wengenholm

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Die sieben Schwurgemeinden

Die Groinhager

Die Adlerganger

Die Twergentaler

Die Strauchinger-Sippe vom Bärenhof

Die Almhirten vom Schröterstieg

Die Biestertrutzer und Wildertrutzer

Die Firnsteiner