Das Krüglein Nimmerleer

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Ausgabe Nummer 31 - 1024 BF

Aus Koscher Sagenwelt: Das Krüglein Nimmerleer

Eine Nixe aus dem fernen Albernia wollte einmal ihre Schwestern besuchen und war den ganzen Großen Fluß hinaufgeschwommen. Dabei war sie aber auf irgendeine Weise in einen Mühlenweiher geraten und fand nicht mehr heraus. Ein blondschopfiger Mühlgeselle, der am Ufer zu werken hatte, fand das Wasserkind und half ihm wieder in die freie Strömung.

Zum Abschied reichte ihm die Nixe einen Becher aus gelbem Weidenholz und sprach mit heller Stimme: „Mein schöner Junge, weil du mir geholfen hast, will ich dir dies zum Danke schenken. Es ist ein Krüglein Nimmerleer. Wann immer du durstig bist, gedenke meiner, und es wird voll klaren Wassers sein. Fülle den Becher aber nie mit etwas anderem, sonst verliert er seine Kraft!“

Mit diesen Worten schwamm sie winkend in die Strömung hinaus, und ein verirrter Praiossonnenstrahl glänzte noch auf ihrem goldnen Haar.

Der Bursche nahm den Becher und hängte ihn achselzuckend an seinen Gürtel. Er hätt’ sich von den schönen Wasserfrauen eher einen Kuß erbeten.

Da ward er aber vom Meister aus seiner Tagträumerei gerufen, um die schweren Säcke Korn auf den Mahlboden zu schleppen. Doch wie er so die Lasten auf dem Buckel trug, ward’s ihm heiß in seiner Haut und trocken in der Kehle. „Jetzt einen kühlen Schluck zu trinken!“ seufzte er. Da kam ihm just der Becher in den Sinn, und er meinte zu sich selber: „Ich will doch einmal schauen, ob die schöne Nixe mir nicht einen Bären aufgebunden hat.“ Und siehe da, wie er noch sprach, da füllte sich das Gefäßt durch Zauber mit frischem, klaren Wasser.

Als einige Monde vergangen waren, beschloß der Geselle, wieder auf die Wanderschaft zu gehen, denn der Meister war gar zu strenge mit ihm. So zog er, sein Bündel auf dem Rücken, das leichter war als die Kornsäcke, durch die Koscher Lande und kam wohl auch in die Ferdoker Mark, wo’s das beste Bier im ganzen Derenrund hat.

Wie er aber in der Sommerhitze wanderte, wurde der Bursche gar schläfrig, und er suchte Rast unter einer weitausladenden Eiche. Dort lagerte schon eine Reiterin und grüßte ihn freundlich. Der Gesell hieß auf die gewohnte Weise seinen Zauberbecher, sich mit Wasser anzufüllen, und wollte der jungen Frau zu trinken anbieten, sie aber lachte auf und sagte: „Laß doch das Wasser. Ich habe einen kleinen Sclauch mit Ferdokbier am Sattel, den wollen wir gemeinsam leeren. Schütt’ aus und laß mich einschenken.“

Da goß er das Quellenwasser zwischen die Gräser und hielt ihr den leeren Becher hin. Sie löste den Pfropfen vom Bierschlauch und goß reichlich ein. Als aber der erste Tropfen den Grund des Bechers netzte, da dampfte es auf, wie wenn glühendes Eisen in den Löschtrog fährt, und als sei es Drachenblut, so ätzte sich das Bier durch den Boden des Kruges und spritzte ins Gras. Da kam dem Gesell jäh die Mahnung der Neckerin in den Sinn, doch es war zu spät: zerstört war der Becher, und das schöne Bier im Erdreich versickert.