Unter Schurken - Jodler

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Hinterkosch, 1021

Der Baron spürte, wie das wohlige Warm der, wie er für sich zugeben mußte, etwas übelriechenden, Brühe seine Speiseröhre hinunterlief und seinen Bauch füllte. Er konnte seine Umgebung nur schemenhaft erkennen, aber er wußte wohl, daß er nicht in einem gemauerten Raum auf einem weichen Bett, sondern in einer muffigen Höhle auf einer Holzpritsche lag. Dennoch wollten die Leute ihm anscheinend Gutes, und so ließ er auch die seltsam anmutende Zeremonie über sich ergehen, als sich eine kleine, zahnlose Frau, die am ganzen Körper Haare zu haben schien nur nicht auf dem Kopf, über ihn beugte. Diese begann nun ein rechtes Spektakel zu veranstalten. Ob das mit dem Geheul zusammenhing, das von außerhalb der Höhle hereindrang? Es dröhnte hundertfach in seinen Ohren! Und es reichte aus, den Vinansamter wieder in den Schlaf zu singen. Und in dem Bewußtsein, das Fieber zu überstehen, sank er langsam wieder auf die Pritsche nieder.
Rena und Wolfhardt waren indessen bis zum schmalen Eingang der Höhle geschlichen. Nun war der Augenblick gekommen, da sie versuchen wollten, den Goblins ihre friedliche Absicht zu erklären. Wenn nötig unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen. Derweil war auch das Gejodel von Ritter Falk verstummt, doch darüber machten sich die beiden jetzt keine Gedanken.
“Ha-allo? I-hist da we-her?“
Und mit diesem etwas einfallslosen Annäherungsversuch wagte sich der Edle von Toroschs Aue langsamen Schrittes in die Höhle der Goblins. Ritter Falk hatte innegehalten, als er sich plötzlich von “kleinen Stinkern“ umringt sah. Aber war das nicht seine ureigentliche Absicht gewesen? Einige Augenblicke sah man sich nur verwundert an, der Ritter ließ seinen Blick einmal in der Runde schweifen, und da ihn diese Banausen mitten in seinem Stück unterbrochen hatten, begann er seinen Jodler lauthals fortzusetzen. Überraschenderweise schien das den Goblins zu gefallen, und da von diesem sonderbaren Großling offenbar keine ernsthafte Gefahr auszugehen schien, ließen sie ihre Waffen sinken, und setzten sie sich im Kreis um den Siebentaler, um ihm andächtig zu lauschen.
In der nahen Höhle indes hatte man die Besucher bemerkt, und mit einigem Küchengerät bewaffnet, bildeten die anwesenden Goblinfrauen einen Halbkreis um Wolfhardt und Rena. Die Häuptlingin mit der Glatze zeigte sich von den Neuankömmlingen unbeeidruckt, und murmelte unverständliches Zeug, während sie mit einem Reisigzweig über den verletzten Arm des schlafenden Barons strich.
Plötzlich fing eine der Frauen – eindeutig die dickste von allen – an, wie wild auf Rena einzuschimpfen. Dabei schwang sie drohend einen überdimensionalen Kochlöffel. Obwohl die Goblinin der Ferdokerin nur etwa bis zum Kinn reichte, schubste sie sie nun vor sich her, während sie weiter wilde Drohungen ausstieß. Die anderen verfolgten die Szene stumm, und die Ritterin tat gut daran, sich nicht zur Wehr zu setzen. Der Wiesner mußte an sich halten, ihr nicht zur Hilfe zu eilen, aber wäre er eingeschritten, hätte er wohl den ganzen Plan zerstört. Denn so stieß die aufgebrachte Frau noch einige Flüche aus, spuckte Rena vor die Füße, drehte sich um und wandte sich wieder dem Topf zu, in dem das Gebräu brodelte, das man Merwerd zu trinken gab. Der war von dem ganzen Gezeter geweckt worden, richtete sich ruckartig auf und immer noch benommen stieß er die verdatterte Knochenbehangene zur Seite. Wolfhardt und die anderen Goblinfrauen tauschten der Freundschaft willen ein verlegenes Lächeln aus, während Rena innerlich die Kochlöffelfrau verfluchte: “Blöde Kuh!“
Endlich war Ritter Falk mit seinem Liedgut am Ende, erfreut darüber, daß ihn die “kleinen Stinker“ in Ruhe hatten enden lassen. Er verbeugte sich vor seinem Publikum, das aber immer noch mit großen Augen auf ihn starrte.
“Das war’s, die Vorstellung ist zu Ende ihr kleinen Stinker. Ich gehe jetzt, wenn ihr mich also durchlassen würdet...“
Und er bahnte sich einen Weg durch den Kreis. Die Goblins aber waren nun allesamt aufgesprungen und folgten ihm – halb drohend, halb ängstlich – in Richtung Höhle.