Die Nordmärker kommen!

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Ausgabe Nummer 30 - Efferd 1024 BF

Die Nordmärker kommen!

Heerzug durch quert den Kosch

KOSCH. „Die Nordmärker kommen über den Greifenpaß!“ Zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt erging der Ruf durch die Wengenholmer Berge und hinab bis ins liebliche Hügelland von Angbar, der Ruf, welcher seit den altvorderen Zeiten des Fürsten Ontho schrecklich in den Ohren der Koscher klang.

Den Göttern aber sei Dank, dem Fürsten und den hohen Herrschaften, daß in unseren Tagen Friede und Freundschaft herrscht zwischen den nachbarlichen Landen beiderseits der Berge, und wie beim letzten Mal zur Trollpfortenschlacht die Ritter der Nordmarken allein den Paß querten (wie’s ihnen auf kaiserlichen Ruf gestattet ist), um des Reiches Wehr im Osten durch ihre Tapferkeit zu stärken. Gleichwohl: Mancher erinnerte sich voll Bitterkeit, wie zwanzig Jahre zuvor der schändliche Graf Greifax seine Heerscharen ins Wengenholmer Land einfallen ließ (was ihm freilich schlecht bekam). So blieben, obwohl der Baron von Twergentrutz seine Untertanen zur Besonnenheit ermahnt und ihnen Travias Gebote ins Gedächtnis gerufen hatte, in Trottweiher, Angpforten und den kleineren Weilern längs der Paßstraße die Türen und Fenster geschlossen, als der gut 300 Kriegsleute und etliche Troßwagen zählende Heerhaufen der Nordmärker die Paßstraße hinabzog.

Die fremden Krieger aber waren recht frohen Mutes, hatten sie doch auf der Quere Unwetter, Windsgeister, der Rabbatzmann oder andere Unglücke verschont. Zwar gefiel sich der eine oder andere rauhe Geselle im blauen und grünen Zeug darin zu bemerken, nun sei man ja wieder im Wengenholmschen angelangt wie seinerzeit und wolle diesmal gleich dableiben — doch waren die meisten der Nordmärker junge Burschen und Maiden, die kaum weiland dem Landgrafen auf seinem Überfall gefolgt sein konnten und nur große Worte im Munde führten, wie’s der Nordmärker Art ist, und keiner tat wirklich etwas, was ihm und den Seinen zur Schande gereicht hätte.

Ja, die hinterkoscher Hauptleute und Ritter hielten eiserne Zucht, und die strengste war — man höre und staune — die ob ihrer Aufsässigkeit berüchtigte Baronin Girte von Riedenburg, die nämlich Befehligerin des ganzen Haufens war (obgleich Meister Turam, Sohn des Fanderasch, als neuer kaiserlicher Marschall der Nordmarken ebenfalls mir ihr reiste). Lächelnd hatte die Baronin an der Wegestation die geforderte Maut von einem Golddukaten gezahlt, wohl wissend, daß ihn der daselbst erschienene Graf von Wengenholm, Jallik der Junge, sogleich wieder erstatten würde, „denn von Kämpfern des Reiches fordert man keinen Zoll“.

Neben dem Grafen aber standen Herr Hernobert von Falkenhag, des Fürsten kluger Herold, und eine Heldin, deren rondragefälliges Streiten Baronin Girte und den Edelleuten ihres Gefolges gleich vom Weidener Gestech bekannt war, die Tjostensiegerin Parinya von Avena nämlich, mitsamt ihren Ferdoker Gardereiterinnen, welche dem Nordmärker Heerzug durchs Koscher Land Geleit geben sollten. Solcherart vermehrt ging’s hinab zur Grenze des Wengenholmer Lehnslandes, wo der Graf, seine Knappin Elfgyva von Hardenfels und sein Gefolgsmann Lucrann von Auersbrück von ihnen schieden und heim gen Norden strebten.

Den Grafen der Seenherrschaft zu ihrem Empfange wartend zu sehen, hatte sich freilich niemand ausgemalt, hat Herr Orsino doch wichtigeren Pflichten Genüge zu tun, doch bot das Hügelland wie nicht selten auch den Nordmärkern ein freundlicheres Willkommen als die Bergwelt von Schnee, Fels und dichtem Tannicht.

Einen von Peraine gesegneten Landstrich durchzogen die Nordmärker da, mit fruchtbaren Weiden und Obstbäumen beiderseits der Reichsstraße. Die Hügelländer, Menschen und Zwerge einerlei, blickten kurz auf, zogen an ihren Tabakspfeifen und nickten beifällig, als die in Leder und Stahl gewandeten Nordmärker vorbeimarschierten, aber wandten sich dann rasch wieder ihrem Tagwerk in Gärten und Werkstätten zu. Ob dieses frohen Landes staunten da die Fremden, die nur den rauhen Hinterkosch kannten und von den Schrecken des Ostens hatten sagen hören — und noch mehr, als sich vor den Wassern des Grauen Sees die trutzigen Mauern des Ehernen Angbar erhoben und darüber der Rauch von hundert Schloten kundtat, mit welchem Eifer die Bürger Meister Ingerimm huldigen.

In Angbars Mauern

Schon erwartete sie der Oberst-Wachtmeister Nirdamon, Negromons Sohn, um dem Heer einen Lagerplatz auf dem Turnierfeld außerhalb der Mauern anzuweisen. Die Tore aber blieben ihnen zunächst verschlossen, denn noch saß der Rat im Haus der Zünfte beisammen und stritt, ob man sie dem fremden Heerhaufen auftun sollte.

„Keine Sonderregel für fremdes Söldlingsvolk in unserer Vaterstadt“ hatte der Ratsherr Odoardo Markwardt beantragt. „Herein darf nur, wer den Zoll zahlen kann und sich zu betragen weiß“, pflichtete ihm der Mauergreve Anghalm Eisenstrunk bei. Denn auch wenn er Zunftmeister der Schmiede war, wußte er wohl, daß ohnedies nur die Edlen und Wohlhabenden des Kriegszuges genügend Silber mit sich führten, das den Weg in die Kassen seiner Zunftgenossen finden mochte.

Fürsprecher der Nordmärker aber war der Reichsvogt Stippwitz: „Denn jene sind freiwillige Kämpen, die für das Reich sich zu schlagen gewillt sind, und darin wollen wir ihnen helfen.“ Für diesmal wolle er nicht auf den Kreuzer schauen (da lachten viele) und freilich würden auch für Hinterkoscher Sitte und Gesetz der Stadt gelten. Auch der alte Ritter Ardo von Stedtler, Repräsentant des Fürsten, hatte angemerkt, daß man es höchst merkwürdig empfinden würde, wenn den Nordmärkern die Tore verschlossen blieben. Auf ihre Seite schlug sich die gesamte Zunft der Wirte und Brauer und schließlich eine knappe Mehrheit des ganzen Rates.

So taten sich den Nordmärkern die Tore der Reichsstadt am See auf. Großen Auges durchwanderten Gratenfelser Bergländler die Gassen Angbars, und auch wer das herzogliche Elenvina kannte, erstaunte sich an der alten Menschen- und Zwergenstadt, die um einiges größer und so anders war. Die Nordmärker lauschten dem Klang von Hammer und Amboß und sahen das Treiben der fleißigen Handels- und Handwerksleute, schauten die Hügelhäuser der Zwerge und den großen See, kehrten schließlich ein in die zahlreichen Gaststuben der Stadt und schmeckten ihr Bräu. Göttlichen und weltlichen Schutzes versicherten sich einige, suchten (Marschall und Obristin voran) den mächtigen Tempel Vater Ingerimms auf und das Haus Rondras, und wer immer Silber und Gold im Beutel trug, prüfte, ob er nicht ein Stück der weithin gerühmten Waffenschmiede und Harnischmacher erstehen konnte.

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Am Nachmittag aber empfing der Fürst die Befehliger der Nordmärker in seinem Schloß Thalessia, und bei ihm war Angunde von Falkenhag, von der Reichsbehüterin zur Marschallin erhobene Ferdokerin. Frau Girte ließ ihre Garde- Abteilung vor Durchlaucht und Exzellenzen strammstehen.

„Prächtig, prächtig! Die werden’s den Rotschwarzen schon zeigen, bei Rondra!“ Bester Laune wandte sich der Fürst den hinterkoscher Führern zu und lud sie an seine Tafel, schätzte er doch die ritterliche Kameradschaft mehr denn höfische Zier. Bei Tisch richtete die Riedenburgerin das Wort an den durchlauchten Herrn: „Fürst Blasius, ich bewundere jenen Hünen der Weidener, den diese den reitenden Troll nennen.“

Da blickten sich Nordmärker wie Koscher verdutzt an, denn eben jener hatte die Riedenburgerin zu Trallop in den Staub gestoßen. Die Baronin fuhr fort: „Auf der Turnei bemerkte ich, daß dieser einige Koscher grüßte, könntet ihr mir sagen, wer von den Euren so guten Kontakt zu jenem Ritter hat, damit ich mehr über diesen erfahren kann?“

Da war der Fürst um eine Antwort nicht verlegen. „Ja, sicherlich: Wir selbst, Baronin. Keiner als Wir selbst ist ein größerer Freund der Weidener, seit wir den tapferen Waldemar an Kaiser Retos Hofe kennenlernten, in Unserer Knabenzeit! Unser Bruder Geldor ist doch Marschall der Weidener Lande! Und auch unter den wackeren Streitern, die um Unseres Sohnes Edelbrecht willen hier auf gefahrvolle Queste zogen, waren weidener Recken wie der Bärenjäger Mandarwin oder die junge Donnerhall, verwegen und der Leuin treu.“ Der Fürst stutzte: „Ritter aus dem Hinterkosch waren leider keine dabei, oder, Duridan?“

Andergaster wohl, Durchlaucht. Aber Nordmärker: leider keine, bedaure“, sprang der Cantzler dem Fürsten bei. „Leider keine“ — bedauernd schüttelte der Fürst den Kopf, aber dann hellte sich die durchlauchte Miene wieder auf, als der Fürst sich einer lehrreichen Anekdote aus den Orkkriegen erinnerte, die er den Gästen nicht vorenthalten konnte.

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Fünf Nordmärker Gemeine wurden in jener Nacht von der Stadtwache aufgegriffen, weil sie in eine Wirtshausschlägerei mit vorwitzigen Handwerksburschen geraten waren, aber wo der Oberst-Wachtmeister Nirdamon Milde lassen wollte, da strafte die Obristin hart.

Hindernis am Großen Fluß

In aller Frühe am nächsten Morgen zelebrierte der Angbarer Hochgeweihte Rondras, Irian von Tandosch, der selbst ein Nordmärker ist, einen kurzen Gefechtsgöttinnendienst vor seinen Landsleuten, dann schallten schon die Hörner zum Abmarsch. Rasch ging’s gen Osten auf der trefflichen Reichsstraße, so daß man am Abend schon den Großen Fluß und jenseits seiner das Land Garetien zu schauen hoffte. In der Tat erreichte die Vorausabteilung am späten Nachmittag schon das Städtchen Steinbrücken. Von dort aber ging schlechte Zeitung an die Nordmärker Führung: Der Weg über den Fluß war ihnen versperrt.

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„Ein unglaublicher Zustand, in der Tat“, pflichtete der Burgherr den nordmärker Hauptleuten bei, welche, Frau Girte voran, in scharfen Ritt durch Steinbrücken zum Sitz des Barons geprescht und dort eilends empfangen worden waren. „Aber was soll ich machen? Sind nur aufs Silber aus, diese Rollkutscher.“

Baron Merwerd Stoia, Reichs-Cammer-Richter und Fürstlicher Säckelmeister, wies aus dem Fenster seiner Feste, die Strom, Stadt und Brücke beherrschte. Mächtige Steinhaufen versperrten die Brücke, so daß nur einzelne Wanderer und geschickte Reiter sie zu passieren vermochten. Schon sammelten sich die Karren murrender Händler in Steinbrücken.

„Gestern zur Phexenszeit ist’s gewesen“, erzählte Stoia den Gästen. „Eine garetische Edelfrau hatte sich wohl zwölf Wagenladungen guten koscher Steins bestellt. Dann kam dem Vormann der Kutscher zu Ohren, daß das Fräulein ihr Erbe schon durchgebracht hatte, und sie ihren Lohn niemals sehen würden. Erst haben sie hier gewartet und sich dann klammheimlich aus dem Staub gemacht. Keine Spur von ihnen, und jetzt ist die Straße zu. Ich könnt’ den Stein sogar gebrauchen, doch dauert das Räumen so lang, weil ich meine Leute kaum vor der Ernte zu Frondiensten dingen kann.“

Das war doch eine gar unglaubliche Geschichte, und der Adel Nordmarkens staunte, was sich hier in den Inneren Provinzen das Volk und die Bürger zumal herausnehmen konnten, da herrschten bei ihnen andere Sitten. Allein, sagte der Baron, wenn das Heer schnell weiterziehen wolle, müsse es mit anpacken. So bildeten die Nordmärker schließlich eine Reihe, in der sie Steine von der Brücke zum vom Baron bestimmten Lagerplatz schafften, und mancher stöhnte über die Knechterei. Die Ritter und Edlen aber störte dies wenig, alldieweil sie der Baron in seiner Halle auf Burg Flußfels gut und reichlich bewirtete.

Um die Mitte des nächsten Tages hatte der Heerzug die Brücke endlich überschritten. Noch fehlten die Führer, die gerade mit dem Baron Stoia artige Abschiedsworte getauscht hatten, als dieser sie noch einmal anrief: „Frau Baronin, man hört sagen, Ihr sandtet Leute aus, sich nach demjenigen um zu tun, der über Euch zu Trallop in der Turnei triumphierte.“

„Ja? Sprecht!“ Die Riedenburgerin zog ihr Roß straff am Zügel und drehte sich dem Baron im Sattel zu. Der entgegnete: „Einst, zu Weidleth, brachte mir ein Schreiben mit kaiserlichem Siegel einen Armbrustbolzen ein, da Ihr Eures Herzogen Wunsch zu kennen glaubtet und für höher erachtetet als Sitte und Recht. Nun mag euch ein Schreiben einen Lanzenstoß eingebracht haben, aus dem selben Grund. Gehabt Euch wohl, und Rondra mit Euch, auf gerechter Queste!“ Grüßend hob der Baron die Hand.

Die Gratenfelserin aber zügelte ihr Roß und trieb’s zurück. Man sah die ausgestreckte Hand, sah, wie der Baron einschlug. Beider Worte aber verschluckte der Wind.

Nicht lange, und die Obristin schloß im Galopp zu ihren Leuten auf. Nordmarkens Recken zogen weiter, den blutigen Schlachtfeldern des Ostens entgegen.

Stitus Fegerson