Traviafest auf Grauensee

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Ausgabe Nummer 29 - Peraine 1023 BF

Traviafest auf Grauensee

Cantzler Duridan vermählt sich mit Komteß von Weyringhaus

Vor vielen Monden schon war eine augesuchte Gesellschaft von hohem Adel, aus Kosch und Garetien vornehmlich, aber auch gewichtige Persönlichkeiten aus den anderen Provinzen, zu einem rauschenden Fest geladen. Dann aber stürzte nach dem Weidener Turnier das Fürstenschloß in tiefe Trauer, welche auch über dem Schwesterschloß Grauensee am andern Ufer des Angbarer Sees hing, eben dort, wo des Fürsten Cantzler Duridan von Sighelms Halm Hochzeit zu halten gedachte.

Der Schloßherr, Graf Orsino von Falkenhag, hatte seinem einstigen Knappen für den Tag seiner Hochzeit großzügig Hausrecht gewährt, und der Vater der Braut, kein geringerer als Herr Oldebor von Weyringhaus, der mächtige und vermögende Burggraf der Kaiserlichen Raulsmark und Rat des Zedernkabinettes, wollte sich nicht lumpen lassen und hatte den Beutel aufgetan für das Traviafest seiner Tochter, der Komteß Ulinai.

Zwar war der Tag des Traviabundes um einige Wochen verschoben worden, doch immer noch lag zu Thalessia der Prinz Edelbrecht wund darnieder, und draußen lag Schnee, der nur wenig schmolz und umso häßlicher das Land bedeckte, so daß nur in wenigen Rahjas Geist Fröhlickeit verbreitete.

So saßen die Gesellschaft nach dem morgendlichen Göttinnendienst, den Frau Erma, die greise Muhme des Cantzlers und Oberhaupt des arg geschrumpften Hauses Sighelms Halm, unter Unterstützung der Hof-Praiosgeweihten Ulabeth vom Pfade selbst zelebriert hatte, an langen Tafeln, die sich unter all den Braten und Suppen und Fischgerichten und Aufläufen und Süßspeisen bogen, und nahm reichlich von all den Spezereien zu sich, doch herrschte eine seltsame Spannung, obzwar auch dem gute Bier reichlich zugesprochen wurde. Herr Rafik von Taladur, Großfürstlich-Almadanischer Kanzler, bemerkte scherzhaft, er schätze sich glücklich, derzeit nicht in seiner Heimat zu sein, wo solche Stimmung für gewöhnlich in Zwist und Waffenhändeln zu enden pflegte, doch außer Herrn Voltan von Falkenhag, dem seltsamen Bruder des Grafen, mochte niemand lachen.

Keine Geringen waren versammelt der Burggraf Oldebor nebst Gattin Merisa von Rabenmund und den Söhnen Orland und Lassan sowie der Schwiegertochter Rhodena von Ruchin-Weyringhaus, des Reiches Siegelwahrer, Graf Orsino höchstselbst, und dessen Brüder, der Herold Hernobert und der Magus Voltan, Landgraf Alrik (der Hlûthars Rüstung trägt), Graf Danos von Luring, Burgraf Ardo vom Eberstamm zu Ochsenblut (dessen Enkel Halwart die Queste um des Prinzen Heil wagte), Meister Growin von Ferdok, Alt-Gräfin Ilma von Wengenholm Komteß Iralda von Schetzeneck, der Reichs-Vogt von Angbar, die Barone von Vinansamt, Garnelhaun, Gormel, Nadoret — und mit dem Vogt von Hügelland ein leibhaftiger König des Zwergenvolkes.

Nicht wenige Geladene hatte sich jedoch entschuldigen lassen und auf die Witterung verwiesen (doch wären die Garetischen, so munkelte man, fern geblieben, da doch des Burggrafen Kinderschar alle Zeiten zu heiraten schien). Auch Ondinai von Weyringhaus-Höllenwall, die Schwester der Braut, hatte nicht reisen können, da sie gesegneten Leibes war.

Umso eindrucksvoller war der Auftritt der darpatischen Gäste. Obzwar Kanzlerin Ismene von Rabenmund bezüglich dringlicher Staatsdinge nicht erschienen war, hatte sie doch ihre Leibsecretaria Alina von Firunslicht-Witzeney entsandt, die Base des Cron-Consuls in Angbar, des Herrn Edric. Beide überreichten dem Brautpaar einen silbernen Tafelaufsatz mit drei Etagen. Fast verspielt sah er aus aus mit den kleinen Gänsefiguren am Rande der Schalen, geschnitten aus buntorangeroten Achaten und Korallen. In den breiten Fuß aber waren Saphire und Amethyste eingelegt, während ein Bernstein, gefaßt in einen vergoldeten Strahlenkranz, das Ganze bekrönte. Es fehlte auch nicht an kandierten Äpfeln und Birnen und Früchtebrot. Einfach und gediegen kamen diverse kleine Deckelkannen daher, mit Weinranken und Fingerhutpflanzen fein graviert, nur unterschieden durch den Stein, der den Deckel schmückte: Bernstein für den Burggrafen, Saphir für seine Gemahlin, die Tante Ismenas, wie auch Erma von Sighelms Halm, Amethyst für die junge Braut; die des Herrn Duridan aber schmückte ein klarer Aquamarin, in den kunstvoll das Bild der Gans geschnitten war. Endlich noch zwei schlanke Bierkrüge, das Daumenstück des Griffes als Gans geformt.

Bescheiden wirkten dagegen die noch so großzügigen Gaben der Übrigen (fast auch gar die des Kanzlers Almada): Eine rahjagefällige aus Quarz Statue überreichte die frohgemute Junkerin von Neuensteinigen, ein silbernes Horn (auf daß so das junge Glück dem ganzen Land bekannt werde) der Junker von Wallerheim. Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm, der Vetter, verehrte zwei stählerne Stirnbänder (wie im Bund von Feuer und Erz verwandt). Seine Gemahlin Mechtessa, des Fürsten Gesandte zu Rommilys, überbrachte einen Federkiel von den Gänsen des Friedenskaiser-Tempels und gar die Segenswünsche des Hohen Paares.

„Ein wenig viel der Rabenmunds heute“, ließ sich der stets unverblümte Leib-Kammerherr von Stielzbruk vernehmen. In der Tat: Über das Frau Merisa war nun gar des Fürsten Cantzler mit dem darpatischen Haus verwandt. Aber auch, daß die Verwandschaftsbande des Burggrafen in allen Reichsprovinzen nun beinahe den Rabendmundschen gleich kämen, munkelte man: Einzig nach Nordmärker nicht — und schnitt nicht der Burggraf die Hinterkoscher geradezu? Hingegen plauderte lange mit den Gesandten Darpatiens, wiewohl er, erst jüngst von Krankheit genesen, nicht der kraftvollste zu sein schien und stets den Heilmagier Tharlion von Donnerbach an seiner Seite hielt.

Lange saß man bei Tische, was fast ein finsteres Brüten schien. Einen kecken Kinderstreich, den sein erst acht Jahre alter Page Enno von Stippwitz mit der nur um weniges älteren Isida von Trappenfurten ausheckte, strafte Baron Kordan, ganz Kriegsmann, mit einer Standpauke ab. Da endlich erhob sich das Brautpaar und bat um Begleitung bei einem winterlichen Lustwandel. Die Dunkelheit hatte sich eben herabgesenkt, doch waren Fackeln und Feuerstöße rasch entzündet und ließen die eisige Fläche des Sees in warmen Licht erscheinen. Auf dieser wandelten die Hochzeitsgäste nun (in Ufernähe freilich nur), und labten sich hernach im Freien an gerösteten Kastanien, Nußkuchen und warmen Kräuterwein genoß, den die Bediensteten des Schlosses feilhielten. Zurück im Schlosse aber löste sich die Stimmung endlich: Ein Jauchzen auf, als die Schloß-Kapelle zum Tanze aufspielte.

Herr Stoia bat die Baronin Veriya aus der Begleitung des Landgrafen aufs Parkett (um eine Schuld zu begleichen, wie er sagte) und ward ihr durch Praiodane von Stippwitz-Hirschfurten entführt, die wiederum Herr Edric des häufigeren um den Tanz bat. Der begehrteste Tänzer — mehr noch als der Schöne Graf — war der galante Rafik von Taladur, der sich in der Gesellschaft der Edeldamen Tsja-Josmene von Garnelhaun, Cathine von Unterangen und Charyssia von Salmingen sichtlich gefiel.

Die greise Baroneß Erma von Sighelms Halm aber schaute zufrieden, wie sich alles zum Guten und Traviagefälligen fügte. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, das sie noch trug, als ein Diener kam, nach ihr zu schauen, da sie als Letzte inmitten des großen Festsaales verblieben war. Da aber war die Geweihte schon fort, hinweggetragen übers Nirgendmeer vom ewigen Raben Golgari, dessen Schwingenrauschen sie in all der Fröhlichkeit nicht vernommen hatte.

Stitus Fegerson