Drei Mann in einem Boot

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Ausgabe Nummer 26 - Efferd 1023 BF

Drei Mann in einem Boot

Vom Aventûire unseres Fürsten

CUMRAT/ALMADA. Viele Berichte erreichten uns derweilen von dem Hoftage zu Cumrat und seinen Ereignissen. Es wurde schon berichtet von den Ratschlüssen der Hohen des Reiches, ihren Taten und gewißlich vom Verlöbnis zwischen den Reichen, dem Eheversprechen das Burggraf Alarich Ruhmrath von Gareth zur Sighelmsmark der Prinzessin Lorindya Amene Usvina von Firdayon-Bethana zu Horasia gab, gemäß dem Frieden von Weidleth. Doch viel mehr wird erzählt allenthalben in den Landen von Havena bis Perricum von der Entführung der Prinzessin und den 49 Questen, die die Edlen des Reiches den Feen zum Spaße absolvieren mußten, um Edelfräulein Lorindya freizulösen.

An dieser Stelle wollen wir von der Taten der drei bedeutendsten Adeligen unserer Provinz berichten, unserem allerdurchlauchtesten Fürsten Blasius vom Eberstamme, nebst seinem treuen Kanzler Duridan von Sighelms-Halm und dem Grafen Growin von Ferdok.

Sieben mal Sieben Questen trug die Nymphe als Botschafterin des Feenreiches den Festgästen auf: Die erste: die Höhle des Tatzelwurms Querkenkor aufzusuchen und hineinzuschreien. Zum zweiten war mit den Elementargeistern bei den Feuerfällen von Hôt-al Grom zu parlieren, und so in einem fort. Erst hielt sich unser tapferer Fürst bescheiden zurück, doch frohgemut, Heldentaten zu vollbringen, rief er schließlich, noch bevor die nächste Queste ausgesprochen wurde, laut vernehmlich, die folgende würde er bestehen. Da stellte die Fee ihre achtzehnte Aufgabe: „Zählt die Enten auf dem Weiher von Yasamir!“

So vernahm’s der Fürst, stand ohne jeden Zweifel zu seinem Wort und wandte sich sogleich an den nebenstehenden ferdoker Grafen: „Mein lieber Growin, Ihr mögt uns doch sicher begleiten?“ Man begab sich zu den Kutschen: Fürst Blasius frohgemut mit Cantzler Duridan plaudernd, Graf Growin aber mit zurückgestecktem Barte und der mächtigen Streitaxt im Griff. Grimmig spähte der Graf rechts und links nach Hinterkoschern, hatten die Feen doch wahrlich gefordert, es sollten der Zwergenbärte zwölfe abgeschnitten werden — und es war der Herzog Jast Gorsam höchstselbst, der diese Aufgabe vollbrachte; sei es gedankt, kein Koscher mußt dies tun.

Einen Tag später in Yasamir ward schnell ein Ruderboot vom Müller geliehen — für zuviel Silber, wie Graf Growin protestierte — und während Cantzler und Graf sich in die Riemen legten, konzentrierte sich Fürst Blasius auf das Zählen, worin er die größte Erfahrung besaß, bot ihm doch das Fenster zum See seines Regierzimmers in Schloß Thalessia schon häufiger solch’ Okkasion. Allein es wollt nicht so recht gelingen, die exakte Anzahl an Enten zu bestimmen, so flogen sie nur allzu häufig unvermittelt auf, schwommen durcheinander oder versteckten sich gar im Schilf des Uferrandes vor den Blicken des Fürsten. So senkte sich die Praiosscheibe zur Nacht, ohne daß die Queste der koscher Ritter vollbracht war.

Am nächsten Morgen hatte sich bereits einiges almadaner Landvolk am Weiher versammelt, als Fürst Blasius das Boot erneut besteigen wollte, denn es hatte sich verbreitet wie der Klang eines Berghorns, daß sich in Yasamir ein leibhaftiger Reichsfürst im Kahnfahren übte.

Fernab davon, die Queste mit fremder Hilfe bewältigen zu wollen, wollte Cantzler Duridan die wack’ren Almadaner zur Pflege der Flora des kleinen Sees bewegen, indem man das allzu sehr wuchernde Schilf abschnitte. Doch selbst silberne Münze mochte die Yasamirer nicht dazu bewegen. Stattdessen erzählten diese von einem riesigen, schauerlichen Waller, welche seit einiger Zeit in diesem Weiher hause, sich Enten schnappe zuhauf und sogar Menschen anfiele, worauf sie einen Jungen namens Alrikio vorführten, dem tatsächlich ein ganzer Fuß abgebissen wurde.

Der Fürst aber war gerührt von der Not des Volkes und versprach dem Abhilfe zu verschaffen — gegen das Anraten von Cantzler und Graf, die zu Bedenken gaben, daß die Prinzessin Lorindya für immer im Feenreich gefangen und der Friede in Gefahr, wenn sie nicht in der rechten Frist die Queste erfüllten. Herr Blasius aber, der schon manch’ mächtigen Angbarsch und Rondrahecht aus dem Angbarer See auf seiner Tafel liegen gehabt hatte, und dessen Ahnen man gar „Fischerfürst“ nannte, gemahnte sie, daß die Jagd auf den Waller kaum länger ins bis zum Nachmittag in Anspruch nehmen könne.

Doch kein Köder wollte den bösartigen Fisch reizen und kein Speer ihn treffen; es schien, als wolle das wohl zwei Schritt messende Ungetüm, das sich des öfteren höhnisch zeigte und sogar das Boot rammte, seine Jäger verspotten.

Am dritten Tage nahm unser weiser Fürst schließlich einen Rest seiner Koschammernzungenpetersilienpastete als Köder, und siehe da, dieser konnte der Waller nicht widerstehen. Drei Schnüre rissen zwei Angeln zerbrachen und wie wild wurde das kleine Boot auf dem See umhergezogen, bis eine doppelte Schnur, verzwirbelt mit dünnem Draht und verbunden mit einer Windenarmbrust aus des Ferdokers Kutschenarsenal ein Patt erzwang, von wohl inzwischen drei Dutzend Yasamirern eifrig bestaunt und ausgiebig diskutiert.

Aber noch lebte und schwamm das Ungetüm von Fisch und vereinzelte Treffer mit Speeren schien es kaum zu verletzen. So wurde der Waller gefangen von einem starken Netz, an den Rändern beschwert mit einer Eisenkette, und mit einem spitzen Streitkolben sprang zornig Growin, Sohn des Gorbosch hinunter, um ihn zu erschlagen. Nun war es sogar leichter den Fisch an Land zu ziehen, als den wackeren Angroscho samt Waffe und Kettenhemd wieder ins Boot.

Dann hing er nun von über 50 Schaulustigen bestaunt und verspottet an starker Kette senkrecht hinab an einem Eichenast, das Maul groß wie das eines Haies, die Flossenenden scharf wie Messer und der Leib von unten rot wie geronnenes Blut. Vor allem aber zuckte er vielfach ganz absonderlich und stank duglumartig, so daß niemand ihn ausnehmen wollte.

Noch aber hatten die drei Herren ihre Enten zu zählen, drum begaben sie sich — der Zwerg kaum trocken — wieder ins Boot. Der Fürst begann mit neuem Mut zu zählen. Kaum darauf wurde er bereits beim ersten Ansatz unterbrochen, als erschrockene Rufe vom Ufer kamen. Der unheilige Fisch war unvermittelt zu einer öligen, stinkenden Masse zerfallen!

Hernach und auch am folgenden Tag bemühte sich der Fürst redlich, das Werk zu volbringen. Doch nicht genug, daß die Vögel immer wieder aufflogen, bevor er noch zu Ende gezählt hatte, allerlei Seltsames plagte die Recken: War es, daß Kanzler Duridan mehrmalig das Gleichgewicht verlor und über Bord ging, den Fürsten ein heftiger Schluckauf plagt, oder etwas den Zwergen an seinem Barte den Kopf unter Wasser zog und ihm binnen weniger Herzschläge Seerosen und Gras in den Bart flocht und so mancher anderer Geschehnisse.

Eng wurd’ bald die Zeit. Da rief der Fürst Blasius laut aus: „Holdes Feenvolk, so habt ein Erbarmen! Wie soll es uns so jemals gelingen, die Enten zu zählen? Es mögen 42 sein, doch vermag ich nicht zu sagen, ob dies die rechte Antwort ist.“

„Es verlangte doch niemand von Euch, die rechte Zahl zu finden.“, sprach eine sanfte Frauenstimme klangvoll aus den Tiefen des Sees, „nur zählen solltet Ihr die Enten auf diesem Weiher und dies habt Ihr wohl getan. Und seit bedankt, daß ihr den widerlichen Fisch beseitigt habt.“ Das waren ihre Abschiedsworte.

So war der Fürst froh, die Aufgabe recht gelöst zu haben, allein war Graf und Cantzler reichlich verschnupft. Herr Growin scheint indes bei guten Appetit zu sein: In Ferdok gibt es seit kurzem an jedem Wassertag Entenbraten.

Helmbrecht Jolen