Der dritte Ulfing

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier36-.gif

Ausgabe Nummer 37 - Ingerimm 1027 BF

Der dritte Ulfing

Eines Fürsten Gold, zweier Grafen Rat — und eines Vogtes Leid

ANGBARSCHWERTLEIHE/HZGTM. NORDMARKEN. Der schurkische Jergenquell hat womöglich erneut für Zwist zwischen Koscher und Nordmärker Edlen gesorgt — vielleicht aber ward sein schändlicher Name nur von anderen benutzt, um ihr eigenes praiosungefälliges Treiben dahinter zu verbergen. In jedem Falle ist gutes Gold verschwunden und ein junger Lehnsmann nicht länger ohne Tadel, so viel steht fest.

Seit dem Streit um eine Mine, die vom Hinterkoscher Lehen Schwertleihe geradewegs unter die fürstliche Domäne Fürstenhort getrieben ward, bis der scharfsinnige Vogt Roban von Treublatt und sein getreuer Ritter Trest von Vardock dieses schändliche Graben am hocheigenen Gut unseres Fürsten aufdecken können, muss der Baron Traviadan von Schwertleihe jedes halbe Jahr den zweiten Teil der Erträge an unseren Fürsten senden — so waren Fürst Blasius und Herzog Jast auf einem gemeinschaftlichen Rat beider Lande übergekommen.

Wieder einmal war es nun an der Zeit, einen Kurier mit den Erlösen zum Fürsten zu schicken. Der Baron von Schwertleihe selbst weilte auf Geheiß seines Herzogs im Albernischen, sein junger Vogt, der Edle von Storchenflug, hielt sich aber in allem genau an die Anweisungen seines Herrn. Baron Traviadan hatte es sich zum Brauch gebracht, das Gold aus den Erträgen direkt nach Angbar zu senden, obgleich doch die koscher Fürstendomäne gleich auf der anderen Seite der Koschberge liegt. Der Weg über den Schwertstieg nach Süden und über den schmalen Passweg zur Schetzenecker Schwertschlucht aber sei nur des Sommers überhaupt gangbar, gefährlich und ohnedies viel mühsamer als der Weg über die Reichsstraße, hatte der Baron Traviadan verkündet (und mancher meinte, dass er wohl auch lieber seine Boten bis ins ferne Angbar sandte, als seinem einstigen Kontrahenten Roban von Treublatt die Genugtuung zu gönnen, das Gold in Empfang zu nehmen).

So sollte auch in diesem Frühjahr das Gold von Schwertleihe über den Greifenpass gebracht werden, kaum dass das erste Tauwetter kam. Um gewiss zu sein, dass in der Abwesenheit seines Herrn alles rechtens verlief, führte der Vogt von Storchenflug selbst den Transport an. Weil einige der üblichen Kriegsleute des Barons diesen gen Albernia begleiteten, hatte er neben zwei eigenen Bütteln einen Haufen bunter Haudegen als Eskorte gewonnen, deren Anführerin vormals bei der Herzoglichen Flussgarde gedient hatte.

Zu Gratenfels nächtigten sie im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler, welches aus früheren Zeiten bei manchen Reisenden noch einen schlechten Leumund hat. Der Vogt hätte wohl hernach gewünscht, auf diese Spötter gehört zu haben: Im „Keiler“ nämlich sollten er und einer seiner Büttel sich den Magen derart verderben, dass an eine Weiterreise nicht zu denken war. Nachdem sich der Vogt einen Tag im Bett hinund hergewälzt hatte, befahl er schweren Herzens seinen Leuten, ohne ihn nach Angbar weiter zu reisen. An einer einsamen Stelle jedoch, als die Passstraße die Gratenfelser Grenzwacht schon passiert, aber noch längst nicht die Koscher Wegestation droben auf dem Pass erreicht hatte, dort eben lauerte den Kurieren eine ganze Bande Wegelager auf, wie man sie seit GreifaxZeiten nicht am Pass gesehen hat. Den Büttel, der sich zu wehren trachtete, fällte ein Armbrustbolzen, einer der Mietlinge nahm gleich Reißaus, dann entbrannte ein kurzer Waffenhändel, bei dem sich die Schwertleiher Söldlinge schnell geschlagen geben mussten und das für den Fürsten bestimmte Gold auslieferten.

So wurde der unglückliche Vogt von Storchenflug, bevor er noch gänzlich genesen war, an seinem Bett im Keiler von einem Hauptmann der Gratenfelser Ehrengardisten aufgesucht, welcher den verdutzten Edelmann auf die Grafenburg eskortierte. Dort musste der Vogt eine strenge Befragung durch den Landgrafen über sich ergehen lassen. Denn drei Pilger, die zufällig Zeugen des Überfalls geworden waren und sich eilends versteckt hatten, schworen Stein und Bein: Als einer der Schurken nach ihrem Sieg Anstalten gemacht hätte, die gebundenen Schwertleiher Knechte aufzuschlitzen, hätten die anderen gerufen „Nein, töte sie nicht!“ und „So hat es Ulfing nicht befohlen!“ Womöglich hätte auch der Anführer, der Kettenhemd und Haube trug, selbst Ulfing gehießen. Ein Koscher mochte da gleich an den Räuberbaron aus dem Wengenholmschen gedacht haben. Die Hinterkoscher Abenteurer aber, die das Schwertleiher Gold überbringen sollten, hatten wohl von diesem noch nichts gehört und meinten wohl, dass sie einer besonderen Hinterlist aufgesessen waren: Denn wer hätte wohl so genau gewusst, dass sie eine wertvolle Botschaft mit sich führten, zumal sie nicht am Schwertleiher Wappen zu erkennen gewesen wären: Niemand anders als Vogt Ulfing von Storchenflug! War die Magenpein womöglich nichts als eine List gewesen?

Das war nun eine schwere Anschuldigung, und sie wog schwerer, sobald man vernahm, dass die Schurken in Nordmärker Mundart gesprochen hatten und der Jergenquell zur selben Zeit nahe dem Greifenfurtschen einen Andergaster Kaufmann bis auf das Hemd ausgeplündert hatte, wofür es glaubhafte Zeugen gab. Diese Kunde brachte der junge Wengenholmer nach Gratenfels, wo er mit seinem Freund, dem Landgrafen Alrik, als Herr der Nachbargrafschaft und im Namen seines Fürsten, lange über den Fall beriet. Beide Herren sind gewiss geschworene Feinde des Jerqenquell, aber dieser Streich schien ihnen nun gar zu unglaubwürdig.

„Es muss der Jergenquell gewesen sein! Mit meinem Baron Traviadan hat er noch eine Rechung offen — seit er … seit Ihr ...“ — der brave Vogt wusste nicht, wie er sich verteidigen sollte, ohne an den Tag zu erinnern, an dem sich sowohl der Landgraf als auch Baron Traviadan in der Gewalt des unverfrorenen Jergenquell befunden hatten.

Letztendlich schenkten die beiden Grafen Ulfing von Storchenflug aber Glauben, da dieser vor Praios schwor, unschuldig zu sein, und sich auch der Baron von Schwertleihe mit Brief und Siegel für seinen Vogt verbürgte. Sichtlich verärgert allerdings, denn durch die Ungeschicklichkeit seines Verwalters musste er auf den Ratschluss der Grafen nun seine eigene Hälfte des Minenertrags an den Fürsten von Kosch zahlen, weil nicht genügend für den Schutz der Transports gesorgt worden war.

„Ihr aber, Herr Storchenflug“, knurrte der Landgraf zum Abschied, „solltet bedenken, ob Eure Eltern Euch nicht noch einen weiteren Namen gaben, bei dem Ihr Euch zukünftig nennen wollt, nachdem nun offenbar schon ein zweiter Strauchdieb den Euren führt.“

Rohaldan Rostklinge & Stitus Fegerson