Neuankömmlinge auf Rabenhorst: IV. Ein erstes Mahl: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. April 2011, 16:16 Uhr
Briefspielgeschichte der Golgariten
Neuankömmlinge auf Rabenhorst: III. Ankunft auf Rabenhorst |
IV. Ein erstes Mahl auf Rabenhorst
Kloster Rabenhorst, Mark Greifenfurt — Ende Peraine / Anfang Ingerimm 1031 n.B.F.
Beteiligte:
- Bogumil Spadaduro (Deuter Golgaris) (SC)
- Finja Rotenzenn (SC)
- Timokles Hydidon von Mylamas (Knappe Golgaris) (SC)
- Tauterfirn (Knappe Golgaris) (SC)
- Lyeria (Ritterin Golgaris, Adjutantin des Abts) (NSC)
- (diverse Golgariten beim Essen)
Der dumpfe Klang des Gongs zeigte den Kämpfenden auf dem Hof das Ende der Übungen und den Beginn des Mittagsmahles an. Sorgfältig achtete Tauterfirn darauf, dass alle Waffen und alles Gerät ordnungsgemäß verstaut wurden, dann betrat er als einer der letzten das Refektorium und setzte sich auf seinen Platz.
Lyeria verließ den Hauptturm und schritt hoch erhobenen Hauptes über den
Kies des Burghofes. Ihr Gast folgte ruhigen Schrittes. Der Ton des Gongs
war verklungen, und so war nichts zu hören, bis auf das Scharren der
Stiefel über den Untergrund und das vereinzelte Krächzen von Raben. Der
Hof war wie leergefegt.
Dann stiegen die beiden eine schmale Holzstiege nach oben und kamen in das Refektorium. Hier waren alle Priester, Ritter, Knappen und Laiendiener bereits versammelt. Alle waren sie in die einfachen schwarzen Kutten gehüllt, wie sie bei den Dienern des Raben üblich waren. Keiner trug eine Rüstung. Sie saßen in drei langen Reihen und warteten in Boronsstille auf die Adjutantin des Abtes. Den Abt selbst aber konnte Bogumil nicht erkennen.
Lyeria schritt durch die Reihen hindurch auf einen Tisch an der Stirnseite der Tafel zu. Der Platz in der Mitte wurde freigelassen, der Platz des Abtes wohl.
Bogumil selbst wurde von Lyeria als Gast des Ordens an ihre Seite gebeten. Außerdem sah er dort am Platz des Kapitels noch einen älteren Mann und Finja, sein Mündel. Er war etwas verwundert, sagte jedoch nichts.
Als die bernsteinfarbenen Augen Tauterfirns auf dem Geweihten ruhten,
schob sich ein Bild vor sein inneres Auge: Ein älterer Rabe mit ein paar
weißen Federn saß auf einem Felsblock und zu seinen Füßen auf dem
Erdboden ein junger Rabe mit mattschwarzem Gefieder.
Golgari, Du ewig fliegender Götterbote!
Du zeigst mir den Weg, dir folge ich über
das Nirgendmeer. Auf Deinen Schwingen
lass ich mich nieder, Du bettest mich in
Deinem Federkleid. Mit Dir rausche ich
durch die Ebenen, Du zeigst mir die Wege
der Toten und Lebenden. Wir reisen
immer länger, jedem Deiner Besuche
widme ich mehr Zeit. An jedem Morgen
wache ich auf und danke Dir, meine Zeit
ward noch nicht. Doch der Tag wird
kommen, wir kehren nicht mehr zurück
von unserer Reise, Du bringest mich vor
Rethon, die letzte Prüfung. Dir danke
ich, Du bereitest meinen Weg sanft und
schmerzlos. Boron tat recht daran, Dich
in Sein Gefolge zu bestellen.
Jetzt erhob Lyeria mit klaren, wenn auch nicht zu lauter Stimme das Wort:
„Brüder und Schwestern. Der Tag, den die Zwölfe uns geschenkt haben,
ist schon halb vergangen. Wir mögen also unseren Körper stärken, auf dass
er die Mühsal des Tages ertrage. Aber ebenso möchten wir unseren Geist
stärken, damit die Widersacherin gegen uns versagen möge. Dafür lasst uns
einen Auszug aus dem 'Codex Ater' verlesen. Doch zuerst möchte ich noch
im Namen des ehrenwerten Abtes einen Bruder und eine Schwester hier unter
uns begrüßen, welche sich wie wir in körperlicher Ertüchtigung, Arbeit
zur Ehre Borons und zur Meditation und Kontemplation hierher begeben
haben. Ad primam lectionem.“
Daraufhin erhob sich ein alter kahlköpfiger Mann von seinem Platz und schlurfte gebeugt zu einem Ambo hin, wo er aus dem schwarzen Buch, dem heiligen Buch der Kirche Borons, vorlas und zwar in Bosparano. Seine Stimme war sehr leise und kaum verständlich. Außerdem musste er dazwischen immer wieder laut aufhusten, um mit seiner krächzigen Stimme weiter die Zeilen zu rezitieren:
„De natura BORonis. Cum primo venientes a LOS animales mundum Derem incolerent, nummum soporem et nullam oblivionem et nullam mortem sciebant. Herbae florebant ...“
Nach der Lesung wurde von einigen Knechten und Mägden das Mahl gebracht. Mehrere dampfende Kessel mit einer kräftigen Suppe und dazu Schwarzbrot. Mit einem lauten „Cenate“ begann das Essen, und schon bald war es still bis auf das gelegentliche Schlürfen der versammelten Golgariten.
Tauterfirn schob seine Schale und die Knifte dem jungen Knappen zu seiner
Linken zu, der noch im Wachstum war und ständig Hunger hatte. Er selbst
wollte fasten und im Stillen sein mit dem Sanften. Er musste sein Inneres
beruhigen, das durch die Ankunft des Priesters aufgewühlt worden war.
Sollte sein innerstes Begehr, IHM mit Waffe und Geist zu dienen, wahr
werden, so musste er sich würdig erweisen und seine Contenance bewahren
und sich nicht gebahren wie ein kleines Kind.
Auch die beiden Neuankömmlinge hatten ruhig das Ende der Lesung und das Auftragen des Essens abgewartet, Bogumil mit nachdenklicher Miene, Finja deutlich unruhiger. Gebete oder Lesungen vor einer Mahlzeit schienen ihr zwar nicht fremd zu sein, aber es war deutlich, daß sie Hunger hatte und mit den Gedanken jedenfalls ganz und gar nicht bei dem Vortrag war. Neugierig flogen ihre Blicke hin und her, musterten das Refektorium und die Golgariten und wanderten vor allem immer wieder zu Timokles. Beide, der Geweihte wie seine junge Begleiterin, griffen aber herzhaft zu, als das Essen endlich aufgetragen war.
Doch wurde die Freude über das Essen bald relativiert, denn es stellte sich heraus, dass die Töpfe nur eine wässrige Gemüsebrühe mit eingebrocktem Schwarzbrot enthielten. Obwohl es nun aber kein Gaumenschmaus war, war es zumindest warm und sättigte.
Seit der Lesung war kein Wort mehr verloren worden und so wurde die vollkommene Stille nur von dem gelegentlichen Schlürfen von zu gierigen Essern unterbrochen.
Auch Timokles schien so ausgehungert, dass er sich, ohne auf unabsichtliche Nebengeräusche zu achten, über seine Suppe hermachte.
Bogumil seufzte leise angesichts der dünnen Suppe, mahnte sich im Stillen aber gleich selbst. Was hatte er erwartet? Nach den kargen Jahren in Gluckenhang ein Wohlleben ausgerechnet im Greifenfurter Land? Dennoch wunderte er sich ein wenig; er wußte, was Kämpfer brauchten, um bei Kräften zu bleiben, gerade wenn sie immer wieder schwere Entbehrungen zu ertragen hatten. Andererseits: warum sollte es dem Orden besser gehen als so vielen anderen? In Zeiten wie diesen floß selbst der normale Tempelzehnt schwächer, und ein Golgaritenkloster hatte sicherlich größere Mühen, auch nur seinen eigenen Bedarf selbst zu erwirtschaften, als etwa ein Travia- oder Perainestift. So aß er bedächtig seine Suppe und kaute gemächlich das eingebrockte schwarze Brot, dabei betrachtete er die Speisenden und harrte der Dinge, die da noch kommen sollten.
Finja rührte schon deutlicher enttäuscht in ihrer Suppe. Dafür hatten sie Gluckenhang verlassen, die Hütte und den kleinen Garten, nur um weiterhin Gemüsesuppe zu essen und Schmalalrik zum Küchenmeister zu haben?! Verstohlen sah sie sich um, sah aber nirgends etwas anderes als Suppe mit etwas Kraut, Rüben, Lauch und aufweichendem Schwarzbrot darin. Sie versuchte sich auf jeden einzelnen Happen zu konzentrieren, wie schon Mutter Reglinde und Vater Segobert es ihr beigebracht hatten, oben in den Trollzacken, im Trollingsvenn, doch im Nu war ihr Napf leer. Als sie wieder einmal zu Timokles hinüberschaute, kratzte der seinen Napf genauso akribisch aus wie sie ihren. In gewisser Weise versöhnte sie das mit dem kargen Mahl. Auch hier war also noch längst nicht jeder an Askese und langes Fasten gewöhnt.
Nachdem die Golgariten nun mit ihrem Mahl fertig waren, wurden die
schweren Kessel und das Geschirr wieder abgeräumt, und Lyeria erhob sich.
Obwohl sie nahezu flüsterte, war ihre Stimme dennoch unangenehm laut:
„Brüder und Schwestern. Wir durften uns nun stärken an den Früchten der Natur und unseren Leib für die weiteren Arbeiten zur Ehre Borons stärken. Lasst uns für diese Gaben den Zwölfen im Gebet danken. Doch lasst uns auch all diese ins Gebet einschließen, die keine Speisen mehr zu sich nehmen können, da sie den Flug über das Nirgendmeer bereits angetreten haben und in den Hallen Borons weilen. Orate.“
Nach dieser Aufforderung setzte sie sich wieder auf ihren Platz, faltete die Hände und versank ins Gebet, was man an dem konzentrierten Bewegen ihrer Lippen erkennen konnte.
Ebenso falteten auch die anderen Versammelten ihre Hände und nahmen an dem Mittagsgebet teil.
Auch Bogumil und Finja legten ihre Hände zusammen und verharrten in stillem Dank. Während Bogumils Gebet und Gedanken verborgen blieben, bewegten sich Finjas Lippen in einem Gebet an Travia:
"Travia, Dir sei Lob und Dank,
denn Du gabst uns Speis und Trank,
gedenke auch jener, die in Not,
und schenke ihnen ein Stück Brot."
Text: Friederike Stein, Philipp Reich, Fabian Schlums