Neulich in Sindelsaum - Vormittags im Leben eines jungen Barons

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Rondra 1047, Dachsbau

Halmar von Sindelsaum wurde einmal mehr recht früh wach. Neben ihm schlummerte seine Gattin Perainhild noch friedlich vor sich hin. So leise wie möglich stieg Halmar aus dem Bett und griff sich seine bereitgelegten Klamotten vom Vortag. Leise schlich Halmar sich aus dem Zimmer und tappte auf leisen Sohlen den Gang zu seinem Arbeitszimmer herunter, wollte er doch nicht seinen jüngsten Foldan aufwecken. Im Arbeitszimmer angekommen, schloss er die Tür, entfachte ein Licht und zog sich an.

Die nächste Zeit ging er verschiedene Abrechnungen durch. Zwar hatte er Grimwulf von Borking, den Verwalter seines Vaters übernommen, doch machte sich Halmar gerne selbst ein Bild vom Zustand seines Lehens.

Etwa zwei Stundengläser später knurrte sein Magen langsam und er konnte die guten Gerüche aus der Küche riechen, daher machte er fürs erste Schluss und ging in die Küche. Dort war Baroscha, die bald zweihundert Götterläufe zählende Köchin, bereits eifrig zu Gange. Es gab Haferschleim mit frischen Himbeeren, danach eine Scheibe ofenfrisches Obstbrot und ein Glas warme Milch mit Honig.

Halmar war gerade beim Obstbrot angekommen, als seine Gattin eintrat. Sie war noch etwas verschlafen, setzte sich jedoch ebenfalls an den Frühstückstisch.

„Hast du Foldans husten gehört?“, fragte sie ihren Gatten.

Halmar schlief normalerweise tiefer als seine Gattin, daher schüttelte er den Kopf. „Nein, meinst du es ist schlimmer geworden?“

„Ich glaube schon.“ Perainhild wirkte ehrlich besorgt.

Halmar war zwar insgeheim der Meinung, dass es ihrem jüngsten gar nicht so schlecht ging, aber in der Vergangenheit hatte Perainhild oft Recht behalten, was diese Dinge anging, drum sagte er. „Dann bringe ich ihn gleich heute morgen rüber nach Hügelsaum zur Josmene Wackerklos. Die ist am besten.“

Perainhild war sichtlich erleichtert. Drum ließ er Bodar Harnischmacher die Kutsche vorfahren und machte sich auf den Weg nach Hügelsaum. Normalerweise wäre er natürlich geritten oder gelaufen, es war schließlich Rondra und ein schöner Tag, aber sein Sohn sollte es bequem haben, besonders wenn er ein wenig krank war. Josmene ließ Foldan ein paar Mal husten, legte ihr Ohr auf seine Brust und ließ ihn tief einatmen. „Er hustet ein wenig. Ich mache euch eine Salbe zum einreiben, dass sollte den Husten schnell verjagen.“ Halmar und Foldan halfen Josmene dabei, die benötigten Kräuter zu sammeln. Die Wartezeit, während der Josmene die Kräuter zu einer Salbe verarbeitete, überbrückten sie damit, verstecken zu spielen. Sehr krank wirkte der fidele Foldan in diesen Momenten nicht.

Auf dem Heimweg wollte Foldan natürlich auch noch bei Opa Erlan in der Senfmühle anhalten. Halmar wollte seinem Sohn den Wunsch nicht abschlagen. Viel interessanter als Opa war dann natürlich die Senfmühle selbst. Während Halmar mit seinem Vater plauschte, zeigte Idamil, Erlans Page, dem kleinen Foldan, wie eine Senfmühle denn so genau funktionierte.

Mit vier Gläsern Senf und einem Krapfen als „Lohn für ganz herausragende Arbeit“ ging es dann schließlich wieder zurück in den Dachsbau. Dort war Perainhild dabei, den beiden älteren, Helmbrecht und Thalessia, die Feinheiten der Koscher Geschichte näherzubringen.

Perainhild unterbrach den Unterricht, um sicherzugehen, dass es ihrem jüngsten besser ging. Dann war es auch schon wieder Zeit fürs Mittagessen. Die Familie nahm das Mal gemeinsam in der Küche ein. Nach der Mahlzeit sprangen die Kinder sofort auf, um draußen „Wildermark“ zu spielen. Die Regeln waren Halmar nicht so ganz klar, aber es ging wohl darum, mit kleinen Bällen verschiedene Ziele abzuwerfen.

Perainhild eröffnete das Gespräch. „So langsam stoße ich mit den Kindern an meine Grenzen. Ich denke, ich bin durchaus ganz gut belesen, aber eine Universität oder so habe ich natürlich nie besucht.“

Halmar nickte. „Mir geht es auch so. Vielleicht sollten wir uns jemanden suchen, der das weiterführen kann. Gute Bildung ist viel wert und wird ihnen später im Leben weiterhelfen.“

Perainhild lächelte. „Einverstanden. Ein Hauslehrer wird den Kindern sicher gut tun.“

Halmar lächelte ebenfalls und entschied sich, die Gelegenheit zu nutzen, um ein Thema anzusprechen, dass ihm unter den Nägeln brannte. „Vater hat mit den Ochsens in Garetien korrespondiert. Idamil wollte ja unbedingt als Page bei ihm bleiben. In zwei Jahren wird es aber an der Zeit, dass er seine Knappenzeit antritt. Vater traut sich das nicht mehr zu, mit dem Teil seines Lebens hat er ja abgeschlossen. Er hat mich also gefragt, ob ich ihn übernehmen würde und ich habe natürlich ja gesagt. Idamil ist ein aufgeweckter Junge und einen Knappen kann ich sicher gut gebrauchen.“

Perainhild lächelte erneut. „Warum nicht? Idamil ist ein netter Bursche. Ein Knappe stände dir sicher gut zu Gesicht.“

Halmar nickte „Ja, aber das ist nicht alles. Es scheint, als ob mein Vater doch nicht so ganz die Zügel aus der Hand geben kann. Er hat jedenfalls arrangiert, dass wir unser Band mit dem Haus Ochs festigen. Er hat es ja immer sehr mit den Bünden mit Außerkoscher Adelshäusern gehabt und die Ochsen sind in Garetien durchaus mächtig. Jedenfalls hat er vorgeschlagen, dass Helmnrecht zu Iralda von Ochs, der Baronin von Bärenau als Knappe geht.“

Perainhild war ihr Lächeln entglitten. „Dein Vater hat einfach so, ohne uns zu fragen eine Knappschaft für unseren Sohn vereinbart? Bärenau ist sicher 250 Meilen von hier und die Ochsen sind vor allem im Osten Garetiens und in Perricum belehnt. Was hat dein Vater jetzt schon wieder vor?“

Halmar seufzte. Er hatte eine solche Reaktion bereits erwartet. „Das stimmt alles, ist aber noch nicht alles. Er schlägt eine Verlobung von Helmbrecht mit Alecha von Ochs vor.“ Bevor Perainhild dazwischen fahren konnte, fuhr er fort „Alecha ist die Tochter von Korhild, der Baronin von Wasserburg, sie ist zwei Jahre älter als Helmbrecht und geht bei ihrem Vetter Anaxios in die magische Lehre.“

Perainhild war einen Moment sprachlos. „Du kennst keine von diesen Personen, warst sicher noch nie in Wasserburg und jetzt willst du unseren Sohn mit einem völlig unbekannten Mädchen verloben? Wir durften aus echter Zuneigung heiraten. Sollte unser Sohn nicht auch dieses Recht bekommen? Oder willst du, dass er wie deine Schwester Yolande wird und sich den Tag schönsäuft und ihren ungeliebten Gatten so gut wie nie sieht?“

Halmar seufzte. „Du hast ja Recht, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir von diesen Bünden auch profitieren. Dein Bruder ist Baron in Galebquell, mein Bruder ist mit der zukünftigen Baronin von Artesa verheiratet. Da kann es nicht schaden, wenn die nächste Generation ähnliche enge Bünde hat. Leonora, die übrigens Alechas Schwester ist, war lange Vaters Knappin und Idamil wird bald meiner sein. Beide sind ein Aushängeschild für das Haus Ochs. Wenn Alecha ähnlich ist, dann kann Helmbrecht sich glücklich schätzen.“ Perainhild wirkte nicht gerade überzeugt. „Bünde sind gut und wichtig, aber sind nur wirklich nützlich, wenn sie nahe vor Ort sind. Und auf Alechas Charakter zu schließen... nur weil ihre Schwester in Ordnung ist, muss das ja noch lange nicht für sie gelten.“

Halmar hob abwehrend die Hände. „Schon, es ist aber auch fast noch zehn Jahre hin, bis es soweit ist. Wenn wir Helmbrecht nach Bärenau schicken, wird er sicher auch Alecha kennenlernen. Wenn es dann gar nicht passt, können wir den Bund immer noch lösen. Bei Ambros und Pergrim sind die Ehen auch in Ordnung, obwohl sie arrangiert waren.“

Perainhild war nicht so ganz überzeugt. „Meinetwegen kann Helmbrecht nach Bärenau, aber bei der Verlobung habe ich nach wie vor Bedenken. Du musst mir versprechen, dass wir das Verlöbnis auflösen, wenn die beiden nicht miteinander klarkommen sollten.“

Halmar nickte. „Natürlich. Ich will doch auch nur das Beste für unseren Sohn. Eine intelligente, liebevolle und schöne Braut ist alles, was ich mir für ihn wünsche. Das habe ich bekommen und das soll er auch haben.“ Sprach's und schenkte seiner Gattin ein verliebtes Lächeln. Perainhild erwiderte gerade sein Lächeln, als die traute Zweisamkeit von Halmars Schwester Yolande unterbrochen wurde. „Ah, Bruderherz“, rief diese, setzte sich an den Tisch und machte sich daran, die Reste der Kinder zu essen. Halmar konnte trotz der Tageszeit bereits eine Alkoholfahne riechen. Perainhild verzog ein wenig das Gesicht und rief dann die Kinder zusammen, um den Unterricht fortzusetzen. Halmar überlegte, ob er Yolande auf die Fahne ansprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Statt auf ihrer entlegenen Burg in Greifenfurt lebte sie das letzte Jahr über hauptsächlich auf ihrem Gut Dachswies bei Sindelsaum. Ihr Vater hatte gehofft, dass er seine Tochter damit aus ihrer Depression reisen konnte. Halmar hatte da so seine Zweifel, aber immerhin schien es ihr etwas besser zu gehen. Er fand den Umgang mit ihr dennoch schwierig. Drum war er auch froh, dass Yolande ein Gespräch mit der Köchin Baroscha anfing.

Halmar ging dafür lieber in den Garten und bewunderte die Astern die begonnen hatten zu blühen. Beim Bewundern der blauen und violetten Blüten fielen rasch alle Sorgen von ihm ab.