Wengenholmer Jagdpartie
Wengenholmer Jagdpartie
Die Burg fällt, die Beute flieht – Jergenquell erneut entwichen
Wie sich die Streiter sammelten und einige Herren miteinander in Hader verfielen, bevor noch der Feind gestellt war.
Eine große Heerschar hatte die Gräfin von Wengenholm für den Zug wider den unter Reichsacht stehenden Ulfing von Jergenquell zusammengezogen, beinahe zwei volle Banner Landsknechte in Sold genommen, und die gleiche Anzahl an Bewaffneten ihren Vasallen abverlangt. So war Bachede von Zweizwiebeln an ihres Vaters statt eingetroffen, bevor noch der Schnee geschmolzen war, desgleichen hatte der Baron von Twergentrutz seine Mannen auf die Angenburg gesandt, er selbst aber sollte erst hernach dazustoßen, geradewegs aus dem kaiserlichen Gareth kommend.
Auch hatte der Fürst seine Schlachtreiter ins Wengenholmsche gesandt, die von hochberühmten Rittern befehligt wurden. Die Schwadron „Wacker“ führte wie stets des Fürsten Nichte Efferdane, und „Siegreich“ war für diesmal seinem eigenen Sohn, dem kaum zum Ritter geschlagenen Prinzen Edelbrecht unterstellt, auch wenn Hauptmann Gobrom dem Prinzen weiterhin zur Seite stand und der höchste Befehl beim wackeren Wehrmeister Halmdahl von Koschtal lag. Dieser hatte zudem des Kaisers Angbarer Sappeure bestellt, deren II. Kompanie nun ebenfalls ins Wengenholmsche ausgerückt war.
Nicht dem Ruf gefolgt waren indes die gräflichen Nachbarn der Frau Ilma: Aus Greifenfurt kam Bescheid, die Ritter der Mark weilten wie eh und je im Norden, den Schwarzpelz zu wehren. Die Edlen der Seegrafschaft rührten sich nicht, solange ihr hochwohlgeborene Lehnsherr fernab auf Pilgerfahrt sei – vom Schlosse Grauensee hatten die Bulromssöhne Bromul und Bibrosch, Ernstlich Geheime Greven und mithin Verweser des Herrn Orsino, verlautbaren lassen, daß sie den Zug der Gräfin gutheißen würden. Allein, es stände nicht in ihrer Macht, den Heerruf erschallen zu lassen, so die eigene Grafschaft nicht in Not sei.
Rondraseidank fehlte es nicht an Recken, die aus freien Stücken der Gräfin in den Kampfe folgen wollten, edelster von ihnen war der Vogt Kordan von Blaublüten und von Sighelms Halm, gleich dem Twergentrutzer in großer Hast herbeigeeilt. Letztgenanntem entboten die Fürstlichen als ehemaligem Kameraden ein großes Willkommen, wie der Schreiber dieser Zeilen bemerkte, der im Gefolge des Herrn Kordan ritt.
Bevor noch sich das Heer in Bewegung setzte, kam es zu Unruhe unter jenen, die wider den verderbten Jergenquell streiten wollten. Doch waren es nicht die Gemeinen, die miteinander stritten (obzwar sich das fremde Söldlingsvolk und die braven Koscher nicht recht grün waren).
Nein, es waren Männer von Stande, die da in Uneinigkeit rangen, was wahrlich kein guter Beginn ist für einen Kriegszug. Der alte Kämpe Ulfert von Drabenburg und vom Berg hatte die Mannen Wengenholms als Hauptmann ins Feld führen wollen, desgleichen der Waffenmeister Gelphardt von Stolzenburg, den es drängte, seine Schmach auszuwetzen – hatte er doch Albumin dem Jergenquell übergeben müssen.
Schließlich trat Vogt Ulfert zugunsten des Jüngeren zurück, doch erst, nachdem die Gräfin selbst ihn mit eindringlichen Worten gebeten hatte, währenddessen die Angenburg zu verwesen. „Wir wollen nicht, daß der listige Schurke uns gar umgeht und unsere Abwesenheit feige ausnutzt“, so sprach sie schlau.
Endlich, am Morgen des 29. Peraine, nicht einmal vier Monde nach dem Überfall auf Albumin, wurden die Trommeln geschlagen, die Hörner geblasen und Pfeifenbälger gespielt. Dem schurkischen Ulfing von Jergenquell Albumin zu entreißen, ihn selbst dort ergreifen – das war der Alt-Gräfin Ilma von Wengenholm einziges Sinnen in den grimmen Wintermonden gewesen, und jetzt schickte sie sich an, eben dies zu tun, und wir zogen mit ihr.
Einzig der Schwertbruder Gisbrun von Wengenholm hatte noch vor dem Aufbruch mit größtem Bedauern den Zug verlassen. Das erhabene Schwert der Schwerter selbst hatte den Angbarer Hochgeweihten nach Perricum in die Löwenburg befohlen. So war es allein der Löwenritter Irion von Zweizwiebeln-Gareth, der uns den Segen der Göttin für den kommenden Waffengang verhieß, doch auch eine Geweihte des Götterfürsten begleitete den Zug, galt es doch, göttlichem und menschlichem Recht Geltung zu verschaffen.
Am Abend fand die Heerschar beim Baron zu Auersbrück Gastung, der die Gräfin und ihre Rittsleute herzlich begrüßte und seine Knechte und Mägde auftischen ließ, was die Keller und Speicher nach dem Winter noch zu bieten hatten. So tafelte man in der Halle, als wäre’s ein festliches Treiben und nicht kriegerisches Unternehmen. Auf Bitten Ihrer Hochwohlgeboren griff schließlich der Herr Wolfhardt von der Wiesen zur Laute. Der junge Rittsmann, dessen Familie seit langem im Dienst der Ritter von Salmingen steht, sang mit wohlklingender Stimme jenes Lied, mit dem er die Gräfin bewogen hatte, ihn in ihren Sold zu nehmen.
So laßt das Jagdhorn denn erklingen,
Will Firuns Werk uns wohl gelingen.
Auf, Ilma, löst die Hundestricke,
Seht die Blutgier ihrer Blicke,
Laßt Albuminens Waldeshallen
Von hetzendem Gebell erschallen!
Noch rennt es frei und stark und schnell,
Das Wild mit Namen Jergenquell!
Doch naht sein Ende unheilsvoll
Durch der Waidleut’ strengen Groll!
Nun denn, die Meute rasch entlassen,
Voran, das Wild, wir wolln es fassen!
Da war der Jubel der Edlen und Gemeinen groß, sie erhoben sich und priesen den Spielmann wie die Gräfin. Mit einem Mal aber, ich weiß nicht, wie’s kam, erhob sich Unruhe an der Herrentafel, ein Wort gab das andere, und unversehens standen sich zwei Ritter gegenüber. Mit scharfer Zunge ging der Edle von Stolzenburg sein Gegenüber an: „Wollt Ihr kämpfen oder poussieren, Kordan von Blaublüten?“ Der solcherart Beleidigte wollte eben eine Erwiderung abgeben, da trat der Hofgeweihte des Barons von Auersbrück dazu und beschwor die Streitenden, den Frieden der Halle zu achten. „Die Ehre!“, sprachen beide wie aus einem Mund; „Des Königs Landfriede!“ gebot der Baron Alderan, doch schienen die beiden gewillt, selbst diesen zu brechen. Schon fuhr des Vogtes Hand zum Schwert, hielt der Waffenmeister den Axtgriff umklammert, da befahl Gräfin Ilma: „Ein Ende den Streitereien, Ritter! Dies ist ein Kriegszug, und ich dulde keine Händel unter den Meinen.“
Tatsächlich gingen die Streitenden auseinander, sich mit finsteren Blicken messend, doch ohne daß Blut geflossen wäre. Nur langsam wollte der frohe Mut zurückkehren, denn viel wurde noch gemunkelt an diesem Abend. Der getreue Waffenmeister Gelphardt habe es Herrn Kordan übelgenommen, daß dieser erneut erbeten habe, die Farben der Gräfin zu tragen, nachdem ihm dieser Wunsch beim Angbarer Turniere verwehrt geblieben war – das war nur eine der Geschichten, die man aneinander zuraunte an den Feuern der Söldlinge und in den Quartieren der Ritter.
Der Zug durchs Feindesland
Auch die fröhliche Marschmusik konnte anderntags nicht die mißliche Stimmung aus den Herzen und Köpfen der Kriegsleute vertreiben, die der Zwist der zwei Ritter im ganzen Heer hervorgerufen hatte. Einzig der durchlauchte Prinz Edelbrecht wollte mit der unbeschwerten Leichtigkeit der Jugend in dem Streit Amüsement sehen, doch mochte so recht niemand in die Spottverse einfallen, die er – freilich fernab der beiden Beteiligten reitend – während des Rittes verfaßte. Den Blaublüten scholl er ein liebeskrankes Junkerlein und den Stolzenburg einen eifersüchtelnden Emporkömmling, und obzwar er im Scherze sprach, mag sein Spotten den Geschmähten wenig Pläsier bereitet haben, als man’s ihnen zutrug.
Erst als die Praiosscheibe begann, ihr Licht über Gipfel und Hänge der Berge zu verbreiten und der Befehl kam, die Instrumente schweigen zu lassen, vertrieb die Anspannung die düstere Laune. Nun, da die Albuminer Marken und mithin der Feind näher und näher rückte, war der Zwist in den eigenen Reihen vergessen – beinahe zumindest.
Die Gräfin hatte ihre Streitmacht geteilt: Auf Anraten der Prinzessin Efferdane war ein Teil der leichtbewaffneten Fußkämpfer unter dem Kommando der Baroneß Bachede von Zweizwiebeln und des Ritters Arbel von Hirschingen vorrausgesandt worden, um den Feind zu umgehen. Die übrigen schlugen am Abend an der Grenze zum Lehen Albumin das Feldlager auf. Die Grenzsteine, das entdeckte Junkerin Vieska von Wengerich während ihrer Nachtwache, waren durch solche ersetzt worden, in die das Jergenquellsche Wappen eingemeißelt war, so daß Meister Halmdahl sie noch in der gleichen Nacht entfernen ließ. Herr von der Wiesen aber spottete:
„So seht, die Jagd gilt einem Tier
Das seines Landes Grenzen legt.
Ein Hund markiert wohl sein Revier,
Wie dieser Stein ein Wappen trägt!“
In der Kühle des Morgens rückte das gräfliche Heer am darauffolgenden Tage langsam gen Albumin vor. Mit kalten, steifen Knochen, die Rüstung klamm am Körper spürend, fiel das Marschieren schwer, und die unheimliche Landschaft wollte es nicht leichter machen. Wachsame Blicke nach links und rechts ließen im Dickicht nur gräuliche Schemen erkennen. War dies dort ein Baum oder ein Waldschrat, der Busch dort nicht ein lauernder Graubold? Was lauerte, was dräute da im Dunst, dem undurchdringlichen?
Aber auch wenn sich der Wald gegen die Gräflichen verschworen zeigte, warnten die Veteranen des Zuges doch allein vor einer wirklicheren Bedrohung: In den Nebelschwaden mochten sich die Schergen des Jergenquells verstecken, schnell einen Bolzen schießen, sich hernach unerkannt durchs Gesträuch verflüchtigen, bevor das Opfer noch zu Boden sank.
Tatsächlich fehlten am Mittag acht Reisige (doch die mochten aus eig’nem Willen geflohen sein, wie der Geweihte Irion argwöhnte), eine Knappin und der Kaplan des Barons von Zweizwiebeln (jener, der einen Zweikampf in der Halle seines Herrn verhindert hatte). Viel schwerer aber sorgte die Gräfin und ihre Ratgeber, daß man von den vorausgesandten Truppen keine Nachricht vernommen hatte. So zögerten sie, das Heer abermals zu teilen, als die Reichsstraße ins Andergastsche erreicht war. Dies hatte nämlich der ursprüngliche Plan des Wehrmeisters Halmdahl vorgesehen, um Albumin vollends einzuschließen, den Jergenquellschen jede Flucht zu verwehren. Die Vorhut war doch nicht am Ende in einen Hinterhalt geraten? – ein eigenmächtiger Angriff war ihnen jedenfalls zuvor auf das strengste verboten worden.
Endlich preschte ein Reiter heran – „Halt, in der Gräfin Namen!“ riefen die Wachen und führten ihn hin zum nahe, doch abseits der kaiserlichen Straße lagernden Heer, wo er sich als der Herr Angwart Bockzwingel auf Bockenbergen herausstellte.
Auch der Rest der Vorhut sei wohlauf, meldete er. Man habe lediglich im Nebel für kurze Zeit den rechten Weg verloren, jetzt aber sei alles wieder in wohlster Ordnung. Sogar die vermißte Knappin Birsel von Feldharsch hatte sich wieder eingefunden, welche gleichfalls im Nebel vom Wege abgekommen und mitnichten dem Jergenquell zum Opfer gefallen sei. Alles war bereit für die letzte Meile, den Augenblick, da Frau Ilma die Hundestricke löste, wie’s im Lied des Herrn Wolfhardt geheißen hatte.
Wie sie Burg Albumin zu stürmen suchten
Wie bei einer Jagd die Treiber, so näherten sich nun die Mannen und Frauen der Gräfin von allen Seiten dem Orte. In einer einzigen langen Reihe marschierten die Wengenholmer über die brachen Äcker und Felder. Die Schlinge um Albumin zog sich zu – und als wir die Gemarkung des Ortes erreichten, saß der Jergenquell in der Falle.
Nichts rührte sich auf der Burg, die wie ein eisiger Zahn im letzten Frost über dem Ort thronte, und auch die Dörfler hatte sich wohl in ihre Häuser geflüchtet. Auf ein Zeichen Halmdahl des Reiters lösten sich zwei Lanzen (Frau Efferdane führte sie, wie ich zu erkennen meinte) aus dem Verband der Fürstlichen und galoppierten geradewegs auf die Dorfmitte zu – kein Geschoßhagel, kein Hervorstürmen axtschwingender Schurken erwartete sie.
Ohne Schwerthieb fällt der Ort
Weil Jergenquell sich feig’ verkrochen.
Und sitzt in seinem Fuchsbau dort,
Bereut schon, was er hat verbrochen
So geschieht es, und so singt der Ritter von der Wiesen später. Die Gräfin aber sprach: „Wengenholmer! Es gilt, den Fuchs in seinem Bau zu erlegen.“ Denn als beim Anblick der Gräflichen auf dem Bergfried die Jergenquellschen Farben gehißt wurden, da war gewiß, daß der Geächtete nicht daran dachte, sich der Gerechtigkeit zu überantworten. Herr Gelphardt sollte nun einen Spähtrupp zum Burgtor führen, ein Unternehmen, dem keiner der edlen Recken fernbleiben wollte, so daß schließlich vier Ritter durch das Los bestimmt werden mußten.
Gespannt betrachteten die zurückgebliebenen Kameraden, wie die Auserkorenen mit ihren Knappen und einigen Waffenträgern dem Weg folgten, der sich den felsigen Burgberg emporschlängelte, zuweilen über einen schmalen Grat führte, sich unter einem Vorsprung hindurchwand und am Ende gar in einem in den Fels getriebenen Tunnel mündete. Den fanden die Späher mit mächtigen Bruchsteinen und Kiefernholz verschlossen, so daß ihnen der Weg zum Torturm verwehrt blieb. Merkwürdig jedoch war, daß von den Zinnen der Burg nicht ein Speer geschleudert, kein Bolzen verschossen wurde, obzwar sich – nun endlich – einige zerlumpte Gestalten auf den Mauern zeigten.
Ein rondragefälliger Sturm auf die Feste schien indes ausgeschlossen, so sehr der Geweihte Irion und der bekanntermaßen stürmische Ritter von Hirschingen noch darauf drängen mochten. Zu steil war der Felsen, als daß man anders als durch den Tunnel Ritter, geschweige denn schweres Gerät, an die Mauern hätte heranführen können. „Der offene Angriff wird nur große Opfer fordern. Wir mögen’s wie Herr Phex versuchen“, sprach der Sänger Wolfhardt. Dies waren kluge Worte, doch keine, die die Rondrianer gerne vernahmen.
Während ein Großteil des Heeres die Nacht dennoch im Freien an den Wachfeuern verbringen mußte, hielt die Gräfin mit den Anführern Rat in ihrem Quartier, das bis zum Mittag die Herberge „Xennas Faß“ gewesen war. Der Sappeur-Hauptmann Ruglax, der die Lage inzwischen selbst in Augenschein hatte nehmen können, äußerte die Befürchtung, der Tunnel sei gar eine Falle: „Wenn wir ihn freiräumen, räuchern die Schurken uns aus oder lassen den Fels über uns zusammenstürzen. Nein, da buddeln wir unseren eigenen Stollen – den können wir auch zum Unterminieren benutzen, wenn es Not tut, Frau Gräfin.“
Die verständigen Worte des Zwergen fanden Zustimmung, doch erhob sich auch Widerspruch, zumal sie gewiß eine längere Belagerung bedeuteten. Einige Recken erboten sich nun, den steilen Burgberg zu erklimmen. Sie wollten in phexscher Schliche Torturm oder Wehrgang in Besitz nehmen, um dem nachfolgenden Heer den Aufstieg zu ermöglichen.
Herrn Phexen sollte das Unternehmen gefällig sein, und unter dem Schutze seines nächtlichen Mantels begann der Aufstieg, doch unter seinem Segen stand er nicht. Wir, die wir im Lager das vereinbarte Signal erwarteten, die Rösser gesattelt und die Schwerter gegürtet, mußten hören, wie nicht ein klarer, heller Hornstoß die schweigende Dunkelheit durchbrach, sondern ein unheilvolles Rumpeln und Poltern.
Eine mächtige Lawine aus Felsen und Erde bahnte sich ihren Weg herab, riß mit sich, was ihr in den Weg kam. Sie war von einem Mechanismus oder den unsichtbaren Verteidigern selbst ausgelöst worden, geradewegs vor den Unsrigen, die sich mit knapper Not hatten retten können. Herr Wolfhardt war als einziger unverletzt entkommen, hatte rasch hinwegspringen können, bevor ein heransausender Felsblock die Weibelin Mechte erschlug, die ihm folgte; die übrigen waren leidlich gezeichnet.
Des Fuchses End’ in seinem Bau
So war es an den Sappeuren, die auch der zaghafte Armbrustbeschuß nicht hindern konnte, dem Burgberg mit Hacke und Spaten zu Leibe zu rücken und einen neuen Stollen voranzutreiben. Allein, zwei volle Tage fegte ein Regensturm über das Land, mit solcher Macht, das die Zelte der Rittsleute und Söldlinge hinweggeweht wurden und allein die Hauptleute in den requirierten Hütten leidlich im Trockenen saßen. Hernach lagen viele Mannen und Frauen des Heeres mit dem Flinken Difar darnieder, so daß das Graben des Tunnels um eine Woche verzögert ward.
Derweilen übernahm Ihre Gnaden Isora von Luring, die im Auftrage des Meisters den Zug begleitete, die Befragung der im Dorf verbliebenen Bevölkerung (denn einige, die es wohl mit dem Jergenquell hielten, hatten sich in die Wälder geflüchtet). Ein eigenwilliger, zuweilen tumber und verstockter Menschenschlag, das sind die Wengenholmer Landleute, von geringem Verstand und langsamer Rede. Der Müller Born warnte standhaft vor dem „Baron“ Ulfing und dessen 400 gepanzerten Axtschwingern. Weitere Albuminer behaupteten, die Bande habe sich nach der Eroberung der Burg zerstreut, weil ein Teil der Aufrührer meinte, Ulfing habe gesiegt, der andere ihm zürnte, da er das Plündern der Bauern verbot.
Mithin war das Werk der Sappeure dennoch getan, bevor noch die Verhöre der Geweihten beendet waren. Die Gräfin indes war nicht gewillt, den Sturm herauszuzögern, und gab dem zwergischen Hauptmann diesbezügliche Order. Krach und Getöse fallender Felsen ertönten, doch diesmal verhieß der Lärm Gutes, klang wie Siegesfanfaren in ihren Ohren!
Fachgerecht hatten die Sappeure das Mauerwerk unterminiert und zum Einsturz gebracht. Im Burgwall tat sich eine Bresche auf – der Moment des Sturms war gekommen!
Der Vogt der Geistmark, der in weiser Voraussicht die Leiter hatte mitführen lassen, die ihm bereits beim Wiedereinzug in die Burg Halmwacht hatte nützlich sein können, ließ seine Knechte das gute Stück herantragen und an der Bresche ansetzten, ohne daß ihn ein Pfeil oder Speer daran gehindert hätte. Da folgten ihm die anderen nach.
Mit Trommelschlag und Schlachtrufen setzten die ersten der Koscher durch die Bresche, die Ritter voran, und sahen sich statt ihrem Gegner mit einem Mal einer grunzenden Herde des Wappentieres der Fürsten vom Eberstamm gegenüber, während sich am jenseitigen Ende des Hofes des Bergfrieds die Tür hinter den fliehenden Jergenquellern schloß.
Nicht einmal zu fluchen getrauten sich die edlen Recken im Angesicht des Prinzen Edelbrecht, sich durch die Schweine zu kämpfen war ihnen schlechterdings unmöglich, so daß sie viel zu spät erst die Turmtür erreichten.
Ulfing und seine Gesellen aber waren derweilen längst durch einen geheimen Gang geflohen, wie’s mancher insgeheim befürchtet hatte... Zwar hatte er die Burg den Gräflichen lassen müssen, doch war dies der Gräfin nicht genug, so daß sie sich nicht als Siegerin feiern ließ und den Kämpfern nur eine kurze Pause ließ, bevor sie ausschwärmen ließ wie die Treiber zur Jagd.
Drei Wochen machte das Heer Hatz auf den Geächteten – doch gelang es allein, sechs der Banditen zu stellen, deren Berichte jene der Albuminer Bevölkerung bestätigten, ohne jedoch das Versteck des Jergenquellers preiszugeben. Nur wenige Getreue hat er noch bei sich und mag in die Berge oder die Harschenheide geflüchtet sein, wo’s den Truppen der Gräfin ein Ding der Unmöglichkeit, die kleine Schar aufzuspüren – und lange konnte Hochwohlgeboren Ilma den Heerbann nicht auferhalten, so daß sie schließlich den Rittern – und den Gemeinen auch – ihren Dank und Lebewohl sagte und sie aus dem Waffendienst entließ, um sie, sollte’s Not tun, noch einmal einfordern zu können.
Alldieweil scheint jedoch Ruhe im Wengenholmschen eingekehrt, Herr Gelphardt herrscht erneut als Verweser mit fester Hand und noch strengerem Blick zu Albumin, vom Schurken Ulfing aber hat man nichts mehr vernommen. Warum der Verräter – nachdem er die väterliche Burg in seine Gewalt gebracht hatte – nun ebenso überraschend diese wieder aufgab, bleibt ein Rätsel. Höchst bemerkenswert ist zudem das Fehlen des gesamten Burgarchivs – erhofft sich damit ein Irrsinniger Erleuchtung?
Burgholdin der Jüngere