Uztrutzer Umtriebe - Rahjas Antrieb
Teil der Briefspielgeschichte "Uztrutzer Umtriebe"
Auf Phexens Pfaden | Uztrutzer Gerüchteküche |
Anfang Ingerimm 1038 BF
Immer noch von dem soeben Gehörten überwältigt, verließ Thalian das Gasthaus Sindelblick und marschierte strammen Schrittes in Richtung Hügelsaum. Die Ereignisse in Uztrutz, DAS große Marktgespräch derzeit - hatte also seine beschauliche Heimat erreicht. Und so würde es in vielen Regionen geschehen. Familienbande, Ehrenschulden und blankes Gold würden nun im halben Kosch das Kriegsvolk und Waffenknechte mobilisieren. Und so erging es ihm selber nicht anders. Sein Lehnsherr, Konkurrent und letztlich auch Freund, Erlan von Sindelsaum, hatte ihn gebeten, an seiner Seite zu reiten. Er hatte gebeten, nicht gefordert.
Aber es war für Thalian eine Selbstverständlichkeit, dieser Bitte nachzukommen. Zumal Thalian gerade erst vor einem dreiviertel Götterkreis seine Freundschaft und Treue untermauert hatte, und damit - zumindest inoffiziell - eine nie ausgesprochene Fehde beendete. Auch dachte er daran, dass das Geld, mit welchem er damals aus Salzmärker Gefangenschaft gelöst wurde, aus Erlans Schatzkammer stammte. Zudem war der alte Uztrutz sein Schwertvater und dessen Erbe galt es zu bewahren.
Thalian überquerte die Sindelbrücke und traf kurz dahinter auf der Hauptstraße seinen besten Freund Murosch an, welcher gerade den Feierabend in Richtung seines behaglichen Heims antrat.
“Angrosch zum Gruße mein lieber Thalian, was machst du denn so ein ernstes Gesicht? Kommst du mit auf eine Kanne Bier unterm Kirschbaum?”
“Nein Murosch, mich treiben gerade ganz andere Dinge. Der Baron wurde wohl in die Uztrutzer Ereignisse gezogen. Er bat mich, ihn morgen mit nach Koschtal zu begleiten. Auch wenn ich selber nichts damit zu tun habe, so habe ich Erlan trotzdem zugesagt. Und es sieht aus, als wäre ich damit auf der Seite des Alrich von Uztrutz, auch wenn ich den ganzen Streit neutral betrachte. Du siehst also, ich muss mich eilen, mein lieber Freund. Vielleicht ein ander mal.”
Mit großen Schritten eilte der Edle von Hügelsaum weiter und ließ einen nachdenklichen Angroschim zurück.
Auf Gut Hügelsaum angekommen schritt Thalian in Richtung des Pferdestalls.
“Bolzert, Hanno, zu mir! Umgehend!” rief er zwei seiner Knechte herbei, welche gerade das Rad eines Leiterwagens wechselten. Diese ließen das Werkzeug sofort liegen, und liefen zu ihrem Herrn. In diesem Ton sprach der Herr des Hofes sehr selten zu seinen Knechten.
Thalian fuhr fort, als die beiden vor ihm standen: “Hört zu, ihr beiden, im schlimmsten Falle werden wir bald feststellen, ob die Waffenübungen, die ich euch lehrte, auch gefruchtet haben. Ich werde morgen in der Frühe hinüber nach Sindelsaum reiten, um mit unserem Baron zu ziehen. Und ihr beide werdet mich begleiten. Ihr sorgt dafür, dass morgen alles gerichtet ist. Für jeden ein Reittier und dazu zwei Packpferde. Ihr beide kümmert euch auch heute noch um Vorräte und Proviant. Die Handkasse steht euch dafür zur Verfügung. Besorgt alles was notwendig ist, besprochen haben wir das oft genug.”
Die beiden Knechte nickten ergeben und etwas unsicher, indes ihr Herr seine Schritte bereits gen Thurm Has lenkte.
In seinem Wohnturm angekommen lenkte er seine Schritte direkt in sein Arbeitszimmer, wo auch seine Rüstungen und Waffen gelagert wurden. Seine Turnierrüstung aus Vollplatte - ein vererbtes Familienstück - würde auch weiter auf dem Ständer stehen bleiben, Thalian bevorzugte im Felde einen leichten Kürass mit Bein-, Arm- und Schulterzeug, dazu einen entsprechenden Visierhelm. Dies machte ihn einfach beweglicher, im Gefecht eine unentbehrliche Eigenschaft.
Thalian ging zum Treppenaufgang. “Mechte! MECHTE!!” rief er nach oben, wo er seine Gemahlin vermutete. “Komm herunter, ich habe dir etwas mitzuteilen!”
Nach einigen Minuten bequemte sich diese tatsächlich zu ihm, während Thalian schon am Schreibtisch saß, und einige wichtige Dokumente bearbeitete.
“Was soll dieser schreckliche Ton du Nichtsnutz?” polterte Mechte Has von Hügelsaum direkt los. “Hast du denn nichts zu tun, außer mir auf die Nerven zu gehen?”
Thalian schaute böse auf. Sein Blick verriet Entschlossenheit und Autorität, Eigenschaften die Mechte in den letzten Monaten desöfteren an ihm feststellen musste. Und die ihr gar nicht behagten.
“Meine treue Ehefrau, ich möchte dir nur mitteilen, dass ich schon morgen im Gefolge des Herrn Baron nach Koschtal reiten werde. Wie es scheint, gibt es Ärger in Uztrutz und wir werden uns das einmal näher ansehen.”
Sofort hellte sich Mechtes Miene auf. Sie witterte wieder Möglichkeiten.
“Das ist ja hervorragend mein Gemahl. Endlich wieder eine Chance für dich, Ruhm und Ehre zu gewinnen.” Sie trat um den Schreitisch herum, stellte sich hinter Thalian und legte ihre Hände sanft auf seine Schultern. “Ich bitte dich, zeig ihnen, aus welchem Holz ein Has von Hügelsaum geschnitzt ist. Und falls Graf oder Fürst anwesend sind, erwarte ich, dass du dich noch mehr anstrengst.” Ihr Ton wurde säuselnd, aber gefährlich. “Und wenn zufällig dem Herrn Baron ein Unglück geschehen sollte…”
Thalian sprang auf, dass der Stuhl nach hinten umkippte. Dadurch stolperte Mechte ein paar Schritte nach hinten. Blitzschnell drückte Thalian seine Gattin mit beiden Händen an die Wand und gab ihr somit keinen Fluchtweg. Knurrend fuhr er seine Frau an.
“Sag so etwas nicht noch einmal, Weib. Die Zeiten, in denen du intrigieren konntest wie du wolltest, sind vorbei. Was du da sagst ist Verrat, und kein Has von Hügelsaum war jemals ein Verräter! Ich habe dir nur mitteilen wollen, dass ich morgen früh abreise, deine Pläne interessieren mich nicht. Von dir jedoch erwarte ich, dass du mir hier die Pferde nicht scheu machst und meinem Verwalter keine Steine in den Weg legst. Er hat sämtliche Vollmachten die er braucht. Und weiterhin erwarte ich, dass du nicht allzu viel Besuch in meiner Abwesenheit empfängst.” Er ließ Mechte wieder los.
“Wie kannst du es wagen” empörte sich diese sofort, doch Thalians Blick ließ sie schweigen. Wutentbrannt rauschte Mechte Has von Hügelsaum von dannen, die Treppe hoch in ihr Gemach.
Thalian sah ihr nachdenklich hinterher, mit einem schlechten Gewissen, sie ohne seine Kontrolle hier zurück zu lassen. Doch bei Rahja, es musste sein! Aber Moment, bei Rahja? Sollte es nicht heißen, bei Rondra? Verwirrt schüttelte Thalian seinen Kopf und setzte sich wieder an den Schreibkram. Eine seltsame Begegnung vor einigen Wochen hatte seine Gedanken wohl gründlich durcheinander gebracht.
Am nächsten Morgen, die Sonne kam gerade hinter den Hügeln im Osten hervor, war alles so, wie Thalian es angeordnet hatte. Seine beiden Knechte begleiteten ihn offiziell als Waffenknechte. Thalians Ausrüstung und Waffen, vor allem seine Armbrust, waren fest an den Packtieren verstaut. Er selbst hatte für die Hinreise leichtes Zeug an, einen Gambeson mit Wappenrock und sein Familienschwert Hasenfang. All das schwere Material würde er noch früh genug anlegen müssen.
Er wollte gerade den Befehl zum Aufbruch geben, als ein zweispänniger Planwagen zum Tor herein gerollt kam. Auf dem Kutschbock saß sein Freund Murosch, in Begleitung eines weiteren Angroschim. Der Wagen hielt vor den Reitern.
“Grüß dich Thalian, damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Aber nach den letzten Erfahrungen, nachdem du im Kerker saßt, habe ich beschlossen etwas auf dich acht zu geben und dich zu begleiten. Dies…” Murosch wies auf den Zwergen neben sich, “ist mein Schwager Atax und hinten auf dem Wagen ist auch noch mein Vetter Murgrim.” Just in diesem Moment sprang ein grau-, ehemals wohl rothaariger Hügelzwerg von der Ladefläche und gesellte sich grüßend zur Gruppe. Murosch sprach weiter.
“Murgrim hat übrigens in jüngeren Jahren drei Jahrzehnte unter Albrax Sohn des Agam gedient.”
“Ihr wart bei den Korknaben?” fragte Thalian respektvoll.
“Nunja…” antwortete der Angesprochene etwas schüchtern, “...ich war der Feldkoch der Kompanie.”
“Nun stell dich nicht so weit in den Schatten Murgrim!” sprang Murosch ein, “Trotzdem kannst du respektabler mit Axt und Armbrust umgehen wie die meisten anderen in unserem Dorf. Also Thalian, was ist? Nimmst du uns mit? Äxte und Armbrüste sind gepackt, die Köcher gefüllt und hinten auf der Ladefläche eine große Ladung Bier, Schnaps, Schinken und sonstige Vorräte. Einer muss ja auf dich achten, dass du und deine Leute nicht verhungert.”
Thalian lachte laut, beugte sein Knie und umarmte seinen Freund aufs Herzlichste.
“So seid also willkommen, Murosch, Atax und Murgrim, seid willkommen. Ich bin mir sicher, auch Baron Erlan wird nichts gegen meine Waffenknechte einzuwenden haben.
Na los, lasst uns also aufbrechen. Auf zum Dachsbau, dort wird der Baron von Sindelsaum bereits auf uns warten. Und mal sehen, ob die Reisegruppe dort noch größer wird. Und ich bin gespannt, ob Erlan an eine Feldküche gedacht hat.”
Thalian von Hügelsaum kicherte immer noch, ließ aufsitzen und sie ritten und fuhren frohen Mutes und mit Zuversicht zum Amtssitz ihres Lehnsherrn.