Orden des Heiligen Golgari innerlich zerrüttet?

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Ausgabe Nummer 11 - Ingerimm 1017 BF

Orden des Heiligen Golgari innerlich zerrüttet?

Der angebliche Verräter Hilderich wurde in Tobrien gesehen

Tobrien. Bereits in der letzten Ausgabe berichtete der Kosch-Kurier von dem undurchsichtigen Ränkespiel rund um die Person des damaligen Marschalls der Golgariten, des Herren Hilderich von Süderland. Selbiger wurde von angesehenen Mitgliedern des Ordens, unter anderem Geweihten Deljana de Portis aus der Gesandschaft des Raben, den Schwingenträgern Curthan Felkanor und Parinor Madahal sowie nicht zuletzt seinem Stellvertreter Corellan von Ruthor der Heuchelei, des falschen Hochmuts und womöglich gar der Ketzerei bezichtigt. Scheinbar rechtens — denn die Flucht des Dux Belli und das betretene Schweigen seiner Ordensfreunde, vor allem des Nottr Halderlin, Komtur zu Kosch, kündeten bei weitem mehr von Schuld, als es bloße Wort der Anklage je vermocht hätten.

Doch es scheint neuen Erkenntnissen zufolge gar mehr als nur die Ehre eines einzigen Mannes auf dem Spiel zu stehen — es geht um die Zukunft der gesamten Ordensgemeinschaft, wie der folgenden Bericht von Lechmin Maurenbrecher — eigentlich Mitarbeiter der tobrischen Postille „Wolfshorn“, jedoch für einmal Korrespondent des Kosch-Kuriers — offenbart.

Es begab sich im späten Sommer des Jahres 24, als ich anläßlich der feierlichen Einweihung des Boronklosters Rabenberg in der Baronie Rauffenberg in Ysilien weilte, daß zu diesem hehren Anlaß der sonst so zurückgezogen lebenden und wirkende Großmeister der Golgariten, Lucardus von Kémet, gen Tobrien gezogen war.

In eben diesen Landen war erst unlängst die überraschende Kunde aus dem fernen Westen vernommen worden, daß Herr Hilderich von Süderland seines Amtes als Marschall des Ordens enthoben sei. Hinter vorgehaltener Hand sprach man wohl davon, daß der Komtur sehr erzürnt sei ob dieses Geschehens — vor allem auch ob der unglücklichen Rolle des Großmeisters — denn Frater Pergamon von Willbergen und der Dux Belli waren einander wohlgesonnen und in der Vergangenheit gute Freunde geworden. Demgemäß war auch die Begrüßung und Ehrerweisung für den Großmeister Lucardus geprägt von Distanz und kühler Höflichkeit, ja, fast mochte man den Eindruck gewinnen, der Komtur habe nur widerwillig das Haupt vor seinem Herrn gebeugt.

Auch während der würdigen und ehrfurchtgebietenden Zeremonie, die der Archidiakonus Zyliphar Branswein unter dem güldenen Schein des Herrn Praios vollzogen wurde, war die Spannung allgegenwärtig zu spüren. Zur Rechten des Defensor Religionibus stand Herr Pergamon, als Komtur von Tobrien fernab von Garrensand und Tobrien residierend und mit großen Machtbefugnissen versehen, inmitten der Brüder und Schwestern seiner Ballei. Linkerhand hatten sich die Mannen und Frauen aus der Gesandschaft aus Garrensand hinter dem Rücken des Großmeisters versammelt. Kein Wort wurde gewechselt, doch sei dies für einen Orden des BORon durchaus nicht ungewöhnlich, ließ ich mir von einem Mitglied der ebenfalls anwesenden Delegation des Barons Minneyar zu Rauffenberg sagen.

Am selben Abend zogen sich die Ordensritter sodann hinter die wehrhaften Mauern des inneren Klosterbezirkes zurück, während ich mit anderen Gästen in einem Haus der äußeren Umfriedung Unterkunft fand. Wer weiß, was sich die beiden hohen Würdenträger des Ordens in dieser Nacht im stillen Kämmerlein zu sagen hatten, doch will ich vermuten, daß harte Worte gefallen sind, denn die Abreise des Großmeisters bereits im Morgengrauen des folgenden Praioslaufs ließ so manchen Rückschluß ziehen und gab zudem Anlaß zu wenig borongefälligen Spekulationen.

Auch der Komtur schien auf einmal von unziemlicher Hast ergriffen und gab noch vor der Mittagsstunde das Zeichen zum Aufbruch. An der Spitze einiger Ordensritter aus der tobrischen Hauptburg der Golgariten, der Feste Bishdariel, ritt er geschwind gen Praios, der Reichsstraße in ihrem Verlauf nach Warunk folgend. Am Ende des Zuges, von den Ordensrittern anfangs schlichtweg ignoriert, saß ich auf meinem wackeren Roß, in der Hoffnung, während der Reise dem schweigsamen Komtur einen Kommentar zu den vergangenen Ereignissen zu entlocken.

Knapp zwei Wochen später erhob sich vor mir am Horizont die Silhouette der Burg Findlingsstein, dem Stammsitz des Barons von Willbergen. Obwohl ich an Wissen über die „Hilderich-Affäre“ nicht viel reicher war als vor einigen Tagen — der Komtur sprach nur das Allernotwendigste und war zudem ein Meister der Rethonik —, so hatte ich doch aus den Gesprächen mit den anderen Ordensbrüdern zumindest erfahren, daß die schmähliche Art und Weise, wie Corellan von Ruthor in aller Öffentlichkeit den Dux Belli beschuldigt, weder mit den Geboten der Lex Boronia zu vereinbaren sei, noch von den tobrischen Golgariten gutgeheißen wurde. Darüber hinaus beklagte man bitterlich, daß ausgerechnet der Stellvertreter des Dux mit der Anklage betraut werden solle, denn niemand könne schließlich wissen, ob jener nicht von unbotmäßigem Ehrgeiz getrieben die nötige Objektivität vermissen lasse. Überhaupt schienen die Ritter allesamt die Partei des Herren Hilderich ergriffen zu haben und als ich Einwände formulierte und sie provokant auf die dem Marschall angelasteten Freveltaten ansprach, da spielte nur ein verächtliches Lächeln um ihre Lippen.

Es hatte ganz den Anschein, als wenn die Golgariten aus Tobrien, die im alltäglichen Kampf gegen die Schrecken der Wildnis und der unheiligen Nekromantie erprobt und gestählt wurden, für die Ordensbrüder aus Punin und Garrensand nur wenig Respekt empfinden würden. Den Herren Hilderich hingegen bewunderten sie, weil er doch, ihren Worten zufolge, ein mutiger Kämpfer gegen den Haeresiarchen von Al’Anfa gewesen sei und wider den Drachen tapfer gestritten habe. Viel mehr war denn auch aus ihren Mündern nicht zu erfahren, und so war ich recht froh, als die schweigsamen und etwas unheimlichen Ritter schließlich ihres Weges gingen und ich allein mit Hochgeboren Pergamon von Willbergen weiter gen Norden ritt.

Der Komtur, der so lange stumm geblieben war und meine Anwesenheit kaum bemerkt hatte, schien nunmehr in heftigem Widerstreite mit sich selbst zu liegen, denn in einem Moment befahl er mir mit drohender Stimme, ich solle von dannen ziehen und fürderhin keinen Fuß mehr auf sein Lehnsland setzen, und keinen Atemzug später (ich wollte eben mein Roß wenden) forderte er mich auf ich möge ihn auf den Findlingsstein begleiten, denn ein guter Freund von ihm habe mir eine Geschichte zu erzählen. Solcherart neugierig gemacht, trabte ich gespannt die letzten Meilen an der Seite des Komturs durch die Lande von Willbergen, bis sich in unserem Rücken schließlich die schweren Torflügel der Burg Findlingsstein schlossen.

Zu vorgerückter Stunde wurde ich dann, nachdem man mir zuvor ein kleines Quartier gegeben und eine ebenso bescheidene Mahlzeit serviert hatte, in ein kaum größeres Kaminzimmer geführt, wo mich Pergamon von Willbergen und ein fremder, noch junger Mann erwarteten. Mit einem spöttischen Lächeln nickte der Baron mir zu und stellte mir seinen zweiten Gast vor — es war der Herr Hilderich von Süderland, einst Marschall der Golgariten und jetzt ein verfemter Mann auf der Flucht vor seinem eigenen Orden.

Als ich mich von meiner Überraschung erholt hatte und den ausgezehrt und erschöpft wirkenden Mann genauer betrachtet hatte, begann jener mit leiser und müder Stimme zu sprechen. In kurzen Worten schilderte er seine Jagd auf den Drachen (wie weiland im Kurier 8 geschildert), berichtete von seiner Rückkehr nach Twergentrutz, wie er schriftlich Urlaub erbat und dann erfahren mußte, daß während seiner Abwesenheit übelste Beschuldigungen gegen ihn erhoben worden seien. Schließlich sprach er von seiner Flucht nach Tobrien, weil er sich in der Hoffnung auf eine gerechte Untersuchung getäuscht sah.

Während der Herr Hilderich sprach, verharrte der Komtur reglos in seinem Sessel, sein Antlitz glich einer Statue aus Stein. Weiter erzählte der Dux Belli von seiner Jugend, wie er im Tempel von Khunchom sein Noviziat begonnen habe und bei der Invasion der ketzerischen Al‘Anfaner die Stimme seines Gottes vernommen habe, die ihn zu den Waffe rief, und wie er sodann in den Krieg wider die Ketzer gezogen sei, um den wahren Ritus des Herrn BORon zu schützen. Nach dem Wahnsinn des Krieges aber sei er nicht mehr derselbe Mensch gewesen und habe darum seinen alten Name abgelegt und sich fortan Hilderich von Süderland geheißen. Im Mittelreich aber habe er die Freundschaft des Twergentrutzers errungen und sei diesem in den Orden des Heiligen Golgari eingetreten, um zu Ehren BORons seine geweihten Stätten zu schützen und wider alles Böse auf dem Dererund zu streiten.

Wohl schien es, als sei der Segen BORons mit ihm gewesen zu damaliger Zeit, denn der Orden schien ihm die rechte Heimat für einen frommen Recken, der für des Gottes Ruhm lieber mit dem Schwerte stritt als durch Worte und Schriften. Niemand geringeres als der Großmeister selbst habe ihm den Oberbefehl über die Ordenskrieger überantwortet, und so habe er in den folgenden Götterläufen gewiß ein Scherflein dazu beigetragen, daß der Orden heute in ungeahnter Größe erblühe. Der Komtur nickte bei diesen Worten bestätigend. Viele treue Freunde habe er während dieser Zeit gewonnen — doch offenbar leider auch viele Neider und Feinde, zu denen scheinbar auch sein eigener Stellvertreter, der Anlistes, gehöre.

Nachdem der Herr Hilderich also in einer für einen Golgariten ungewöhnlich langen und zunehmend leidenschaftlichen Rede vor mir, einem einfachen Schreiberling, solchermaßen Rechenschaft abgelegt hatte, griff er nunmehr zu einem Kelch mit Wasser, die rauhe Kehle zu laben, und an seiner Stelle ergriff der Komtur das Wort. „Ihr mögt“, so sprach er zu mir, „all den Würdenträgen und Ordensleuten im Kosch, in Punin, ja allerorten kundtun, daß wir, der Baron von Willbergen und Komtur von Tobrien, im festen Glauben von der Unschuld des Herrn Hilderich überzeugt sind. Wir glauben desweiteren, daß sämtliche Anschuldigungen einzig und allein von Neidern und Feinden desselbigen, und damit von Feinden des gesamten Orden ersonnen wurden.

Wir fordern daher die ehrenvolle Rehabilitation des Herrn Hilderich, eine förmliche und von allen Seiten gebührliche Entschuldigung von Seiten der voreiligen Ankläger, sowie die unverzügliche Einstellung des Herrn Hilderich von Süderland als Marschall des Ordens vom Heiligen Golgari.“

„Fiat voluntas Dei BORoni!“, so waren seine letzten Worte.

So war’s mir kundgetan, von meiner Feder getreulich niedergeschrieben und darauf der Schriftleitung des Kosch-Kuriers übersandt.(L. M.)