Neuer Schwung im Sumpf - Knietief im Morast

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23. Efferd 1044 BF, Moorbrücker Sumpf

Gleich mehrere Gruppen von unterschiedlichster Herkunft hatten in den vergangenen Götternamen versucht, den Sumpf von Moorbrück trocken zu legen- mit weitgehend kläglichen Erfolg. Ja, es war tatsächlich gar so, dass die Gemeinen, die bei diesem Unterfangen mit anpacken mussten, unter vorgehaltener Hand sagten ‘es ginge nicht mit rechten Dingen zu’, oder die Fehlschläge können nur ‘Hexenwerk’ sein. Tatsache war, dass der Sumpf sich jeden abgerungenen Rechtschritt an anderer Stelle zurückholte, ganz gleich was unternommen wurde und so kamen die Anstrengungen nach und nach zum Erliegen, als eine jede Gruppe darüber nachsinnen musste, wie sich das weitere Vorgehen gestaltet musste, um mehr Erfolg zu haben- überhaupt haben zu können. Was bei alledem allerdings niemand wusste war, dass der Sumpf sich tatsächlich gegen die Bestrebungen zur Wehr setzte, sich trockenlegen zu lassen. Es war kein Werk eines Druiden oder Hexenzirkels, nein, es war der Sumpf höchtselbstselbst. Aber eins nach dem anderen.

Auch in dem kleinen Lager des Ferdoker Sappeursbanners um den Weibel Thorix, dem Sohn des Tharnax herrschte schlechte, bisweilen sogar gereizte Stimmung. Mehrere Wochen plagte man sich nun bereits ab, hatten Teile des Sumpfes vermessen, um die Topografie der Sumpflandschaft zu kartografieren. Daraufhin hatten die Soldaten an günstigen Stellen lange Entwässerungsgräben ausgehoben und dabei jeden Tag bis zur vollkommenen Erschöpfung tief im Morast und Dreck gewühlt. Und mit welchem Erfolg? Thorixs Soldaten murrten und das nicht zu Unrecht. Der Weibel wusste, nein hatte vielmehr erkannt, dass sie auf diesem Wege keinen nachhaltigen Erfolg würden erzielen können. Was bereits im Ansatz scheiterte, würde auf lange Sicht sicher keine anderen Ergebnisse erbringen. Doch was tun? Wie dem Sumpf anders beikommen? Jeden Abend saß Thorix grübelnd unter seinen Männern am Feuer, bis unvermittelt ein nur in einfache Stoffe gehüllter Angroscho mit langen, etwas zerzaust wirkenden Bart in Begleitung der ersten Nachtwache aus der Dunkelheit trat. Es war Chrysoprax, der Vater seinem Freundes Cendrasch, den er bereits gegenüber dem Fürsten angepriesen hatte. Den Geoden hatte er fast schon vergessen. Thorixs Nachricht hatte ihn also tatsächlich erreicht, etwas was fast ausgeschlossen schien. Welcher Bote vermochte es schon, einen einsamen Angroscho in der Wildnis des Amboss ausfindig zu machen? Offensichtlich war der Hinweis Cendraschs, seine Mutter, die in Lûr lebte, wüßte eigentlich immer, wo er sich rumreibe, goldrichtig gewesen. Eben jene Annahme bestätigte sich und mit ihr die Hoffnung, dass Chrysoprax bereit wäre, sich den Sumpf einmal genau anzusehen, um zu ergründen, was an ihm so besonderes war.

Zu früh gefreut. Mit dem Erscheinen des Geoden sollte das Grübeln für Thorix immer noch kein Ende nehmen. Chrysoprax weihte ihn mitnichten in das ein, was er tat, noch ließ er es zu, dass ihm irgendjemand folgte, wenn er sich Tag für Tag, oder gar manchmal beim Schein des Madamals in den Sumpf aufmachte. Doch vor dem Erkenntnisgewinn hatten die Götter die Geduld gesetzt. Was der Geode dem Weibel aber dann, nach weiteren, ihm wie eine Ewigkeit erscheinenden acht langen Tagen berichtete, konnte Thorix kaum glauben. Der Sumpf sei nicht natürlichen Ursprungs, sondern besitze vielmehr so etwas wie ein ‘Eigenleben’... verrückt. Das konnte doch nur Drachenwerk sein! Weiter erklärte Chrysoprax, dass sich im Moorbrücker Sumpf Elementare von Humus und Wasser verbunden hätten. Wie, konnte er nicht genau sagen, aber er sollte mit einer ‘kräftigen Linie’ zu tun haben. Thorix konnte damit nichts anfangen. Es schien sich aber dabei tatsächlich um die den Drachen eigene Macht zu handeln, die die Menschen der Mondgöttin Mada zuschrieben. Erwiesenermaßen stand nun jedenfalls fest, dass profane Mittel nicht reichen würden, um diesen von Drachenwerk durchzogenem Sumpf trockenzulegen. Doch dies war nur die Schlussfolgerung, die Thorix zog. Chrysoprax hatte dazu seine eigene Meinung und darüber hinaus noch weit mehr zu berichten. Was er darüber hinaus kundtat, versetzte den Weibel in Alarmbereitschaft.

Das ‘Wesen’, dass den Sumpf verkörpere sei dabei, sich aktiv zu wehren und stehe aufgrund seiner voranschreitenden Ausdehnung kurz davor, die Ortschaft Klammwinkel einzuschließen. Zunächst wollte Thorix dem Geoden nicht so recht glauben und war versucht, dieses Gerede für die Phantastereien eines leicht schrulligen Mannes abzutun, der zuviel Kräuter gegessen, getrunken oder wohlmöglich geraucht hatte. Die Nachdrücklichkeit aber, die Chrysoprax an den Tag legte und sein Erinnern an die Summe der bisherigen Rückschläge ließen den Weibel zweifeln. Konnte er recht haben? Was war, wenn er die Wahrheit sprach?

Eiligst ließ Thorix seine Männer antreten und auf seinen Befehl hin das Lager abbrechen. Besser, man ginge auf Nummer sicher. Wenn nichts dran war an den Behauptungen, dann würde man sicher nichts verlieren, außer zwei Tagen vielleicht. Wenn man nichts unternahm und das Dorf tatsächlich eingeschlossen wurde, könnten viele dabei zu Schaden kommen und das wäre dann seine Schuld- nicht auszudenken. Unermüdlich trieb Thorix seine Mannen an. Einen Gewaltmarsch nach all den zuvor durchlebten Mühen und Strapazen war nicht das, was sich die Soldaten ausgemalt hatten und doch, es gab keine Alternative. Mit reichlich Gepäck, mitsamt Ausrüstung und dem gesamten Proviant, den die Sappeure kurz zuvor in ihr Lager geliefert bekommen hatten, marschierten sie durch den Sumpf. Und tatsächlich, je näher sie Klammwinkel kamen, desto dichter wurde das Gestrüpp entlang des Weges, je widerlicher wurde der Geruch des Morastes und wie zu allem Überfluss, natürlich wurde auch der Boden weicher, unsicherer. Chrysopraxs Vorhersage, Thorixs Befüchtungen bewahrheiteten sich. Als sie sich der Ortschaft bis auf wenige Meilen genähert hatten, erreichten sie einen Knüppeldamm, der das Weiterkommen erleichterte. Doch bei der Rast stellten die Soldaten entsetzt fest, dass die mehr oder minder dicken Stöcke, die den Damm bildeten, langsam aber stetig im Boden versanken. Ein Blubbern und Schmatzen war zu vernehmen, wenn man leise war, wohingegen kein Vogel mehr sang.

Mit letzter Anstrengung erreichte man Klammwinkel. Die Bewohner waren bereits in hellem Aufruhr, auch ihnen war nicht entgangen, was rundherum vor sich ging. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Nur wenige Stunden nach der Ankunft vor Ort war das Dorf gänzlich von der Außenwelt abgetrennt. Der Boden in der Umgebung Klammwinkels wurde nur wenige Dutzend Schritt um die Ortschaft unpassierbar. Selbst ohne Rucksäcke sanken die Zwerge knietief ein und es war nicht leicht, sie wieder zu befreien. Nicht auszudenken, wie tief der Sumpf einhundert Schritt um Klammwinkel erst sein musste.