Abtei der Heiligen Ilpetta: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 24. Dezember 2017, 09:47 Uhr

Ein Ort der großen Meister
Die Abtei der Hl. Ilpetta zum Hohenamboß

Siebenessen © M. Lorber

Ein Brief des Gesellen Holbrax Sohn des Halberosch an seinen Oheim in Ferdok, der uns lesenswert und erbaulich schien:

"Onkelchen! Wie soll ich Worte finden, um diese Wunder zu beschreiben! Zuerst wars mir ja gar nicht recht, daß ich in die tristen Ambossberge reisen sollte, die so schroff in den Himmel ragen und nur Gemsen und Aaren ein Zuhause sind. Doch Allvater! wie hab ich mich getäuscht in diesem Landstrich. Nun scheint es mir vielmehr, als seien hier alle Herrlichkeiten Deres versammelt auf einem kleinen Flecken: in der Abtei der Heiligen Ilpetta zum Hohenamboss.

Ich will Dir getreulich erzählen von meiner Reise und der Ankunft hier im Kloster, und welchen Eindruck diese ehrwürdigen Hallen auf mich machten: Nachdem ich also Ferdoks Mauern und Bierkrüge verlassen hatte, zog ich praioswärts am Ufer der Rakula entlang den schwankenden Kähnen wollte ich mich nicht anvertrauen, auch wenn die Flußschiffer in ihren blauen Trachten mit den Messingknöpfen ein frohes Völkchen scheinen.

In Salmingen, der Hesindenstadt, schloß ich mich einer Schar frommer Pilger an, die auch nach Süden zogen, allerdings ins almadanische Punin. Bald sahen wir auch in der Ferne Ingerimms Amboß aus dem Lande ragen, in blauweißem Schimmer die Gipfel. Doch es dauerte noch Tage, bis wir denn wirklich zwischen die schattigen Felsen traten und den blauen See und die roten Dächer Hammerschlags erreichten. Hier hatte bis vor kurzem noch ein elfischer Baron geherrscht, und es ist wohl seinem elfischen Müßiggang und Gleichmut zu verdanken, daß die Abtei von ihrem alten Ruf so einiges verloren hat. Die neue Herrin des Landes jedoch, die Frau Belinde von Sardosk, ist eine aus dem Tobrischen, und ihr ist viel daran gelegen, daß Pilger und fromme Gläubige ihr kleines Land aufsuchen, was sowohl dem Kloster wie dem Baroniesäckel manchen runden Eber1 beschert.

Die Abtei selbst liegt nochmals eine halbe Tagesreise vom Orte Hammerschlag entfernt, in einem langgestreckten Talgrund, eingerahmt von den Flanken des Hohenamboß und zweier kleinerer Berge mit den Namen Geroldskopf und Ifirnshaube. So zumindest nennen die Menschen diese Gipfel, bei uns heißen sie ja Grom Engrai und Balgarasch. Durch das Tal windet sich ein schmaler Bach, der freilich in der Zeit der Schneeschmelze rauschend Wasser führt. Die Wiesen zu beiden Seiten sind in diesen Tagen voller Blüten, da leuchten gelb die Drachenmäulchen, rot die Feuerkelche, blau die Garnelblüten, weiß die letzten Ifirnsterne und auf den Weiden stehen prächtig fette Kühe, die eine gute Milch für einen noch bessern Käse und rahmige Butter liefern. An den Rändern und die Hänge hinauf bis an die Baumgrenze in schwindelnder Höhe aber halten schwarz und schweigend die Tannen Wacht, Herrn Angroschs heilige Bäume.

Und eingebettet in diese gleichsam schöne wie wilde Landschaft liegt nun die Abtei vom Hohenamboß, gegründet in der frühen Rohalszeit, als Kunst und Handwerk in großer Blüte standen. Du magst Dich vielleicht wundern, warum sich ein Kloster des Herrn Ingerimm so weit von den Großen Städten findet: nun, zum einen gibts hier einen wichtigen Handelsweg durch das Gebirge, zum anderen ist auch das Heiligtum Malmarzrom, die Hammerhöhle, nicht weit.

In der großen Abtei pflegt man die Sieben Künste Ingerimms, wie sie Allvater wohlgefällig sind, und hier verbrachte auch die heilige Ilpetta die Jahre ihres Noviziats. Es heißt, daß Rhys der Schnitter, der damals schon ein uralter Greis gewesen sein muß, auf seiner letzten Pilgerfahrt auch nach Hohenamboß kam. Nach dem Gebet im Tempel betrat er die Schmiedewerkstatt, um sich am Schaffen der jungen Leute zu erfreuen. Bei seinem Eintreten legten sofort alle ehrfürchtig die Hämmer nieder, um ihn zu begrüßen. Nur eine nicht, die ganz und gar in ihre Arbeit vertieft war: Ilpetta Ingrasim. Der ehrwürdige Rhys aber betrachtete lange ihre kraftvollen, geschickten Bewegungen und das, was unter ihren Händen zum Kunstwerk erwuchs. Dann sprach er: "Meine Tochter, so wie du das rohe Metall zum Meisterstück geformt hast, wird der Herr Ingerimm auch dich zu etwas wahrlich Großem machen." Und damit sollte er Recht behalten, denn als im Jahre 227 v. H. ein neuer Hüter der Flamme zu küren war, stellte sich auch Ilpetta der Probe des Gottes und fand sein Wohlgefallen, und ihre herrliche Lampe hängt noch heute im Angbarer Tempel. Es war aber das erste Mal in der Geschichte, daß eine einfache Geweihte zum Oberhaupt der Flammenden und Erzkirche erwählt wurde.

Schon als ich die Abtei von weitem sah, erkannte ich den großen Einßuß zwergischer Mauerkunst: der herrliche Bau schmiegt sich in den Hang des Hohenamboß, in der Mitte der Tempel mit seiner morgenroten Bronzekuppel, zur Linken das Wohngebäude mit Schlaf- und Speisesaal, davor die Halle der Meister, in der sich viele Kunstwerke und eine kleine Bibliothek befinden. Dies alles wird im Hintergrunde überragt von einem Feuerturm im eslamidischen Stil, was zunächst recht befremdlich und fast märchenhaft auf mich wirkte, doch nunmehr habe ich mich an das Bild gewöhnt und es gar liebgewonnen. Etwas abseits stehen noch einige Werkstätten, an die sich ein mit Hecken umfriedeter Garten anschließt. Dort hats außer Gemüse und Kräutern auch allerlei stattliche Obstbäume, denn auf das Propfen und Possen3 versteht man sich hier ebenfalls.

Zu Füßen des Klosters hat sich im Lauf der Jahre die eine kleine Siedlung namens Siebenessen gebildet: ein gutes Dutzend Hütten und Höfe, dazu Scheuern und Stallungen und auch zwei Gasthäuser, die gar nicht übel an den Pilgern und Handelskarawanen von und nach Almada verdienen. Die Gerichtsbarkeit obliegt der Baronin oder einem ihrer Fronvögte, und die edle Dame weiß die Einnahmen aus Maut und Schanktaler wohl zu schätzen. Der Großteil des Weidelandes hingegen gehört dem Kloster, das es an die Hirten und Bauern verpachtet. Man hat es in der Pervalszeit erworben, als der ländliche Adel nach den langen Kriegen tief verschuldet war und jeden blanken Eber brauchen konnte. Die Abtei ist überaus wohlhabend, was zum einen auf die Spenden der zahlreichen Gläubigen, zum anderen auf die eigene Arbeit der Brüder und Schwestern zurückzuführen ist: man dient Ingerimm nämlich nicht nur in Gebeten und Liedern, sondern vor allem im Erschaffen von herrlichen Werken und Schätzen. Die Geweihten und auch einige der Laien zählen zu den größten Handwerksmeistern des Landes, und die von ihnen gefertigten Artefakte sind selbst an Grafenhöfen vielbegehrt.

Das Amt des Abt bekleidet seit nunmehr fünfzehn Jahren der edle Angbart von Unterangen, ein ernster, aber freundlicher Mann aus vornehmem Hause. Sieben weitere Priester stehen ihm zur Seite, teils Menschen, teils Angroschim aus dem Amboß oder Koschgebirge. Daneben gibt es noch zahlreiche Laien, die innerhalb der Klostermauern wohnen und altes Handwerkswissen an ihre Schüler weitergeben oder selbst vertiefen. Denn nicht selten werden fromme Gesellen, die ihren Zunftmeistern durch Begabung und Fleiß aufgefallen sind, hierher nach Hohenamboß geschickt, auf daß sie ihre Fertigkeiten zur Vollendung zu bringen und aus keinem anderen Grunde bin ja auch ich hier, soll ich doch bei der ehrwürdigen Gunelda Sindelsaum in die Lehre gehen. Und nachdem ich ihre Arbeiten geschaut habe, weiß ich, welche Ehre das bedeutet. Herrliche Kessel, reichverzierte Schüsseln und filigrane Kelche vermag sie aus Kupfer und Zinn zu treiben, daß es eine wahre Pracht ist! Auch andere Meister sind hier zu finden, manche bleiben nur für ein paar Monde, andere viele Jahre lang, und auch die Zahl ihrer Schüler und Gesellen ist unterschiedlich. Die lange Reihe von Lehrmeistern des Steinwerks ist im übrigen dafür verantwortlich, daß die Klostermauern in so verschiedenen Stilen prangen.

Die schönsten Kunstwerke weiht man dem Herren Ingerimm und schmückt damit die Halle der Meister: Dutzende, wenn nicht Hunderte wertvoller Schätze, herrlich den Augen, reihen sich dort an den Wänden und in Nischen, daß man sich gar nicht satt sehen kann. Allen voran haben mich die Fünf Schwarzen Klingen des Ubarosch Silberhaar eingenommen: Schwerter, so glänzend und scharf, daß sie eine Feder im Fall zu zerschneiden vermögen! Unübertrefflich aber ist ein Schild, den das ehrwürdige Väterchen Arombolosch vor siebzig Jahren der Halle stiftete: die Schlacht des Himmelsfeuers ist darauf zu sehen und die fliegenden Schergen Pyrdakors, Organas Heldenopfer und der Untergang der Kinder Ordamons. Den Schildrand aber zieren Tränen aus silbernen Perlen, die von weither aus dem Süden stammen. Ach, noch so viele andere Stücke müßte ich erwähnen, Onkelchen, manche, von denen Du schon gehört hast, andere, die Du selber sehen müßtest!

Das bedeutendste von allen aber befindet sich in der Halle des Erzes, einem dunklen Bau mit einer großen Kuppel, erhellt von mehreren Kohlebecken. Dort steht ein Bildnis des Gottes, geschnitten aus einem einzigen großen Felsenblock. Es zeigt Allvater, wie er an der göttlichen Esse das größte aller Werke, die runde Derenscheibe, schmiedet. So lebendig, so anmutig ist er gestaltet, daß Du meinen könntest, eben wollte der Hammer niedersausen, eben müßte der Schall seines Schlages erklingen. Zu Füßen des Schaffenden aber werken die Zyklopen, seine Gesellen an sich gewaltige Wesen, doch winzig klein im Vergleich zu dem Gotte, dem sie dienen. Bei seinem ersten Besuch soll der Erhabene Hilperton Asgareol zwei volle Stundenmaße vor dem Bildnis zugebracht haben in schweigendem Staunen!

Doch nun muß ich schließen, Onkelchen, denn die Glocke ruft zum Abend. Reichlich ist der Tisch hier nicht gedeckt, doch auch nicht karg. Zumeist gibts frisches Brot und Käs und Bier, feuertags auch einmal Fleisch, ansonsten Graupensuppe oder Ambossberger Allerlei, das sie hier ganz anders würzen als daheim. Ach, manchmal vermiß ich mein Ferdok wohl schon, aber in ein paar Jährchen komm ich ja wieder und helf Dir in der Werkstatt.“

(Text aus dem Kosch-Kurier 30)